Studie bei Schülern der Klassen 10/11 zeigt: Hamburg teilweise besser als Baden-Württemberg, aber “katastrophal“ in den Naturwissenschaften.

Hamburg. Nach vielen Jahren auf hinteren Plätzen bei unterschiedlichen Bildungsvergleichen sind Hamburgs Schüler nun bundesweit ganz vorn gelandet. Im Fach Englisch haben sie sehr gute Ergebnisse erzielt. Das ergab die KESS-Studie der Klassenstufen 10 und 11. So erfreulich diese Entwicklung auch ist, so alarmierend ist ein weiteres Ergebnis der Untersuchung. In den Naturwissenschaften schnitt die Schülerschaft "katastrophal" ab, wie es in der Schulbehörde hieß.

KESS steht für "Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern". 2003, 2005, 2007 und für die jetzt ausgewertete Studie 2009 war immer derselbe Jahrgang im Leseverständnis, in Mathematik, Englisch, Orthografie und den Naturwissenschaften getestet worden. Die Untersuchung stammt jeweils aus dem Juni und dem September. Sie beinhaltet deshalb zum einen Teil Real- und Gesamtschulen sowie Gymnasien. Der zweite Teil umfasst das zweigliedrige System aus Stadtteilschulen und Gymnasien, das im Sommer 2009 startete.

13 300 Schüler haben teilgenommen. Laut Ulrich Vieluf, Ex-Schulstaatsrat, der die Studie verfasst hat, lag die Teilnahmequote bei 81 Prozent. Die Untersuchung vor vier Jahren ergab, dass die Mädchen die Jungen leistungsmäßig weit hinter sich ließen. Dieser Trend ist gestoppt. Die Jungen haben sogar leicht aufgeholt. "Das liegt allerdings daran, dass die schwachen Jungen von den Schulen abgegangen sind", sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD).

Im Fach Englisch hätten die Hamburger Schüler nun sogar die Baden-Württemberger, die traditionell in der Spitzengruppe liegen, eingeholt. Der Grund, dass die Schüler so gut dastehen, sei die verdichtete Unterrichtszeit an den G-8-Gymnasien. Zudem ist der Zuspruch für dieses Fach sehr groß. In der Befragung gaben 73 bis 86 Prozent der Jungen und Mädchen aller Schulformen an, dass "Englisch zu den wichtigen Fächern" gehöre.

Bis zu 61 Prozent gaben dagegen an, dass ihnen Mathematik "nicht besonders" liege. Vor allem Mädchen auf den Gymnasien interessieren sich laut Studie sehr wenig für Naturwissenschaften. Studienautor Vieluf sagte, dass jeweils etwa die Hälfte der Schüler an Real- und Gesamtschulen unter der Durchschnittsleistung desselben Jahrgangs zwei Jahre zuvor lag. An den Gymnasien sind es laut Studie neun Prozent. Vieluf sprach in diesem Zusammenhang von "Alarmstufe Rot". Die Unterrichtsverdichtung scheint bei den Naturwissenschaften offenbar keinen Effekt zu zeigen.

Rabe sieht ein "Lehrplanproblem" als Grund für die Schwäche auf diesem Gebiet: Diese Fächer würden in den unterschiedlichen Stufen zu unregelmäßig gelehrt werden. Der Senator kündigte an, die Pläne deshalb zu prüfen. Rabe über die schwachen Leistungen: "Hier muss sich was ändern."

Positiv sei zu werten, dass gegenüber einer anderen Studie vor sieben Jahren 68 Prozent mehr Schüler die Klasse 11 besuchten. Dieser Zuwachs senke nicht wie befürchtet das Leistungsniveau. Dennoch gebe es in der Oberstufe eine "enorme Streuung" der Leistung. So hätten Elftklässler teilweise nicht einmal das Wissen von Achtklässlern. Etwa ein Viertel der Oberstufenschüler habe große Mühe, das Abitur zu schaffen. Schulsenator Rabe sagte, es müsse deshalb überlegt werden, ob diese Schüler möglicherweise zuerst eine Ausbildung machen und es erst dann mit dem Abitur versuchen sollten.

"Wenn der Senator potenzielle Oberstufenschüler in andere Bildungswege schickt, wird für eigenständige Oberstufen am Standort in vielen Fällen die notwendige Schülerzahl fehlen", sagte Robert Heinemann, schulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. "Wir werden schauen, wie der Senator im Rahmen der Schulentwicklungsplanung darauf reagiert." Und Anna von Treuenfels (FDP) sagte, dass die Attraktivität und Qualität des Unterrichts der Naturwissenschaften erhöht werden müsse. "Sonst werden die Bekenntnisse zur Bekämpfung des Fachkräftemangels folgenlose Sonntagsreden bleiben."