Enthüllung des Heidi-Kabel-Denkmals vor dem neuen Ohnsorg-Theater - ein Volksfest zu Ehren der großen Hamburger Volksschauspielerin.

Hamburg. Hamburg schunkelte im Dreivierteltakt und erwies einer seiner namhaftesten und beliebtesten Deerns aller Zeiten in angemessener Art Reverenz - lebenslustig und bodenständig. Mit hanseatischer Note eben, so wie es Heidi Kabels Geschmack war. Nach der Enthüllung ihres Denkmals und der Einweihung des nach ihr benannten Platzes direkt am Hauptbahnhof frohlockte der größte Chor der Stadt unisono: "Mein Hamburg, ich liebe dich!" Wobei der Refrain im Einklang mit den Witterungsverhältnissen stand: "Wir lieben dich, so wie du bist, bei Sonne, Wind und Regen."

Erster Akt

Um 11.39 Uhr am Sonntag war es so weit: Von der Bardin Ina Müller gewohnt temperamentvoll animiert, zählten mehr als 2500 Besucher gemeinsam von zehn abwärts. Als zum Schluss ein kraftvolles "Ahoi!" über den Bahnhofsvorplatz gellte, fiel der rote Samtvorhang mit der Brokatkordel von dem Bronzedenkmal. Und plötzlich stand Heidi Kabel wieder mittenmang, so wie einen Großteil ihres 95-jährigen Lebens lang, das im Frühsommer vergangenen Jahres erfüllt ausklang.

Beifall machte sich breit. Anfangs eingerahmt von ihrer Tochter Heidi Mahler und der Künstlerin Inka Uzoma, blickt die "Heidsche" fortan Richtung Elbe - fest verankert direkt neben dem Portal ihres Ohnsorg-Theaters, das seit einer Woche an zentraler Stelle ein neues Zuhause gefunden hat. Wer ab jetzt vom Bahnhof zur Außenalster flaniert, kommt an dem allzeit bescheidenen Star nicht vorbei.

"Möge Heidi Kabels Denkmal immer einen guten Stand vor dem Theater haben", sagte Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider bei der offiziellen Übergabe des von unserer Zeitung gestifteten Kunstwerks, "und stets in den Herzen der Hamburger sein." Zuvor hatte der ehemalige Bürgermeister Henning Voscherau die enormen Verdienste der unvergessenen Volksschauspielerin gewürdigt. Teils auf Hochdeutsch, teils op Platt. "Heidi war eine von uns", sagte der Politiker unter Applaus. "Sie hat ihre Nase nie hoch getragen." Voscherau, der selbst einer Schauspielerfamilie entstammt, erinnerte an fidele Kindertage Seite an Seite mit Heidi im Garten, sang sogar kurz vom "Veermaster", um final festzustellen: "Dieses Denkmal bleibt ewig!" Heidi Kabel sei als "beste Botschafterin Hamburgs" unsterblich.

Zum Reinhören: So war die Stimmung:

Ohnsorg-Intendant Seeler forderte die Gäste auf: "Unsere Heidi war und bleibt ein Publikumsmagnet. Ihr dürft sie gerne berühren oder streicheln." Und so geschah es dann auch. Zu Lebzeiten hatte der Ohnsorg-Star allergrößten Respekt vor seinem Publikum, verwahrte sich indes vor allzu viel Nähe. Nun jedoch kann sie von oben ein Auge zudrücken. Zwischendurch sorgte Ina Müllers Shanty-Chor ("Meine Schnullerbacken") mit dem Namen De Tampentrekker für gute Stimmung. Während die dicht gedrängten Besucher draußen mit guter Laune und Regenschirmen dem Unbill von oben trotzten, zog es das Polizeiorchester vor, im Schutz des Theaterfoyers zu spielen. Nicht jeder fand das gut.

Zweiter Akt

Bürgermeister Olaf Scholz verfolgte das "Heidi-Fest" froh gestimmt, musste dann jedoch auf seinen Einsatz warten. Drei ältere Besucher erlitten im Gedränge vor der Bühne bei schwüler Witterung Kreislaufzusammenbrüche, mussten notärztlich versorgt und mit Rettungswagen ins Krankenhaus St. Georg eingeliefert werden.

+++ Werden Sie die neue Heidi Kabel, Frau Müller? +++

+++ Umbenennung sicher: Ein Platz für Heidi Kabel +++

Scholz trug es mit Fassung, von Ina Müller geduzt zu werden. Freimütig bekannte er, zwar Plattdeutsch zu verstehen, aber nicht zu sprechen. Mit gut 20 Minuten Verspätung schritt er dann zur Tat und weihte den Heidi-Kabel-Platz 1 ein. "Sie hat viel von jener Herzlichkeit ausgestrahlt, die unsere Stadt ausmacht." Und warum ging alles wider jeglichen bürokratischen Trott relativ schnell? "Vorschriften sind dazu da, beachtet zu werden", sagte Scholz, "und sich dann und wann darüber hinwegzusetzen." Damit hatte der Sozialdemokrat die Lacher auf seiner Seite.

Während Scholz auf der Bühne ein symbolisches Straßenschild präsentierte, waren die Originale bereits an die Fassade montiert - eines mit einer Hamburg-Flagge, ein anderes mit einem Müllsack verhüllt. Ab sofort trägt nicht nur der Platz direkt vor dem neuen Ohnsorg-Theater, sondern auch die Straßenverbindung zwischen Ernst-Merck-Straße und Kirchenallee den ehrenvollen Namen Heidi-Kabel-Platz. Wobei das Theater die Hausnummer 1 hat. Briefe an das Finanzamt müssen fortan an den Heidi-Kabel-Platz 2 gerichtet werden.

Beim Erinnerungsfoto mit dem Bürgermeister und weiteren Ehrengästen war auch Künstlerin Inka Uzoma dabei. Die gebürtige Westfälin schuf mehr als ein halbes Jahr an ihrem Werk - mit Hamburg im Herzen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann "Tietsche" Burmeister, einst Wirt der legendären Kneipe "Jahrmarkt" in Eimsbüttel, lebte die Bildhauerin und Malerin 35 Jahre in der Hansestadt, bevor sie 2005 nach Donstorf zwischen Bremen und Osnabrück zog. Den Festtag feierte sie mit ihrem Sohn Boris, dessen Frau Chris und Enkelkind Emilio in der Galerie am Michel. Dort fand gestern Nachmittag die Vernissage "Szenenwechsel" statt. Inka Uzoma stellt dort ihre Bilder und Bronzen noch bis zum 9. Oktober aus.

Dritter Akt

Zum großen Finale einer famosen Fiesta wurde praktisch jeder zur Hauptperson. "Mein Hamburg, ich liebe dich", erklang es aus mehr als 2000 Kehlen, "weil ich ein Kind von dir bin." Einen solchen Choral hatte der Hachmannplatz noch nie erlebt. Somit hatten die Plattdeutsch-Koryphäen Gerd Spiekermann und Jochen Wiegandt mit Musik und Döntjes sowie die Hamborger Schietgäng leichtes Spiel, die Festgemeinde bei Laune zu halten.

Vor dem Ohnsorg-Portal bildete sich eine Schlange: Hunderte nutzten den Tag der offenen Tür im Theater, um einmal leibhaftig auf jener Bühne zu stehen, die nicht nur für Heidi Kabel die Welt bedeutete.

Ausschnitt aus dem Song "Mein Hamburg, ich liebe dich"