Rund 300.000 Euro werden nach ersten Schätzungen für die ersten Arbeiten am Mahnmal benötigt. Der Bund soll später Gelder beisteuern.

Altstadt. Weil die Ruine von St. Nikolai in Hamburgs Altstadt bröckelt, sind am Freitag erste Schritte zur Rettung des Mahnmals beschlossen worden. „Die Stadt finanziert ein Gerüst, das Anfang nächster Woche rund um die Kirchenruine aufgestellt wird“, sagte Markus Schreiber, Bezirksamtsleiter Hamburg Mitte, nach einem Gespräch mit Vertretern der Finanz-, Kultur- und Stadtentwicklungsbehörde.

„Rund 300 000 Euro werden dafür benötigt.“ Experten sollen dann die Kosten für eine Sanierung des Mahnmals schätzen. Dafür werde man auch Gelder vom Bund beantragen, erklärte Schreiber weiter. Am Mittwoch hatte sich ein neun Kilo schwerer Mauerbrocken der Ruine gelöst und war auf den Radweg gefallen.

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Der Stein des Anstoßes ist überraschend schwer. Markus Schreiber muss ihn mit beiden Händen tragen. Grau verwittert ist das geschwungene Relief des Sandsteinblockes. Die frischen Bruchstellen leuchten dagegen deutlich hervor. "Ein kleines Stück ist wohl noch beim Aufprall auf den Fahrradweg abgesprungen", sagt der Chef des Bezirks Mitte. An welcher Stelle der Mauerstein aus der fast 150 Meter hohen Fassade fiel, ist noch immer nicht klar. Doch es gibt Anzeichen dafür, dass er bald seinen Weg zurück ins Mauerwerk finden könnte.

Wie das Abendblatt erfuhr, gibt es eine Offerte, die die Sanierung der augenscheinlich maroden Turmhaut deutlich beschleunigen könnte. Ein bundesweit bekanntes Unternehmen hat dem Förderkreis "Rettet die Nikolaikirche" angeboten, die Einrüstung des Turms zu finanzieren. Dies wäre die Voraussetzung dafür, dass Gutachter zunächst die Fassade untersuchen können und Hamburgs höchster Kirchturm später auch restauriert wird. Nicht zuletzt wäre mit einem geschlossenen Gerüst auch die Gefahr gebannt, dass lockere Mauerteile auf die Straße fallen.

"Es gibt einen seriösen Anbieter", bestätigte Klaus Francke, der Chef des Förderkreises, der ein Dokumentationszentrum in den Überresten der ausgebombten Kirche betreibt. "Allerdings können wir noch nicht weiter darauf eingehen." Allein die Kosten für das Gerüst wurden vom Bezirk bislang auf 100 000 Euro geschätzt. Für den Unterhalt müssen noch einmal mehrere 10 000 Euro aufgebracht werden. Für ein Jahr würde der Investor das Gerüst finanzieren. Ob es mit einer Gegenforderung belastet ist, ist nicht bekannt.

Der Name des Investors wird noch nicht bekannt gegeben, um die Abstimmungsgespräche nicht zu gefährden. Heute Mittag wird es eine erste Krisenrunde zum Thema "Steinschlag am Mahnmal St. Nikolai" geben. Mit dabei sind Bezirksamtschef Schreiber sowie Vertreter von Denkmalschutz, Finanz- und Baubehörde. Dabei wird sicher auch das jüngste Angebot diskutiert.

Sollte ihm nicht zugestimmt werden, ist eine schnelle Lösung unwahrscheinlich. Bezirk und Stadt schieben sich gegenseitig die Verantwortung für Hamburgs ehemalige Hauptkirche zu. Auch die Kirche als Eigentümerin sieht sich nicht in der Pflicht. Seit 1960 steht St. Nikolai unter Denkmalschutz. "Die Kirchengemeinde hat der Stadt das Mahnmal damals zur Nutzung überlassen", sagte die Sprecherin des Kirchenkreises Ost, Susanne Raubold. Bei einer ersten Renovierung in den 60er-Jahren habe man sich noch an den Kosten beteiligt. "Jetzt liegen Erhaltung- und Unterhaltungspflicht klar bei der Stadt."

Die Kulturbehörde dagegen verweist auf die Zuständigkeit des Bezirks Mitte. "Das Denkmalschutzamt berät nur", sagte Sprecher Stefan Nowicki. Das sei in der Vergangenheit auch schon geschehen. "Das Mahnmal ist als Denkmal von nationalem Wert eingestuft. Dies bedeutet, dass Fördermittel des Bundes beantragt werden können."

Eine Einrüstung des Turms war bereits vor knapp vier Jahren im Bezirk vorbereitet worden, dann aber am Veto von Oberbaudirektor Jörn Walter gescheitert. Grund: Das Gerüst sollte mit einem riesigen Werbeplakat finanziert werden, das auf der Gerüstverkleidung prangen sollte. Walter befand, Werbung und Mahnmal passten nicht zusammen. Als Kompromiss vereinbarten Senat und Bezirke daraufhin eine Beteiligung an Werbeeinnahmen. 14 Millionen Euro sollte der Bezirk Mitte über 15 Jahre verteilt erhalten, sagt Bezirksamtsleiter Schreiber. Geld, das er jetzt beim Senat einfordert.

"Wir sind nicht zuständig", wies der Sprecher der Finanzbehörde, Daniel Stricker, die Forderung gestern zurück. Die Verpflichtung, die Verkehrssicherheit des Mahnmals zu gewährleisten, liege seit dem 5. März 1962 beim Bezirk. Und: "Es gibt keine ausstehenden Mittel aus Werbeerlösen, die den Bezirken zugesagt und nicht geflossen sind." Insgesamt hätten aus diesem Topf allen Bezirken jährlich drei Millionen Euro zugestanden. "Der Anteil des Bezirks Mitte lag bei 950 000 Euro. Dieser ist 2009 und 2010 auch ausgezahlt worden, insgesamt 1,9 Millionen Euro." Auf den Rest hätten die Bezirke im Rahmen der Sparmaßnahmen verzichtet. Stricker: "Da kommt also nichts mehr. Und das weiß Herr Schreiber."

Der wiederum dementiert. "Keiner der sieben Bezirke hat freiwillig auf diese Einnahmen verzichtet. Die sind uns gestrichen worden", sagt der Bezirkschef. Und mahnt: "Diese Zuständigkeitsschieberei ist der Situation nicht angemessen." Denn wie der Vorfall vom Mittwochnachmittag zeige: Die Gefahr, dass weitere Steine aus der Turmfassade fallen könnten, sei akut - solange der Turm nicht saniert werde. Auch die Spur der Willy-Brandt-Straße bleibt wohl solange gesperrt.

Die Autofahrer kümmerte das gestern nicht. Staus bildeten sich deshalb nicht, gab die Verkehrsleitzentrale der Polizei bekannt.