Mit 14 Jahren ist die Rothschild-Giraffendame das älteste Tier auf der Afrika-Anlage in Hagenbecks Tierpark - die Größte ist sie aber nicht.

Hamburg. Auf andere herabzusehen liegt bei Etosha in den Genen. Nicht dass sie bewusst hochnäsig ist - aber was bleibt ihr anderes übrig, wenn die eigene Anatomie eine Nasenhöhe von mehr als vier Metern vorsieht? Damit fällt es der Rothschild-Giraffe naturgegeben nun einmal schwer, zu jemandem aufzuschauen.

Thomas Günther bezeichnet Etosha als eine "echte Lady": "Sie berührt den Gehegeboden fast nicht, scheint darüber zu schweben", versucht der Tierpfleger die anmutigen Bewegungen seiner ältesten Giraffendame zu beschreiben. Wobei das Ladyhafte sich auch darin auspräge, dass Etosha sich im Regen nicht gerne bewege und "sehr charakterstark" sei: "Sie macht nichts, was sie nicht will", so der Revierleiter.

Mit einem Alter von 14 Jahren ist die Rothschild-Giraffendame mit Abstand das älteste Tier auf der Afrika-Anlage in Hagenbecks Tierpark, die neben drei Giraffen auch drei Große Kudus und zehn Impalas (beides afrikanische Antilopenarten) und je ein Pärchen Hornraben, Marabus und Nilgänse beherbergt. Die Größte ist Etosha dennoch nicht: Giraffenbulle Chavi und Etoshas Tochter Leila, beide fünf Jahre alt, sind mit ihr auf einer Augenhöhe. Günther: "Etosha ist eigentlich eine kleine Große. Sie könnte theoretisch 4,80 Meter groß werden, misst aber nur 4,30 Meter. Chavi wird sie schon bald überholt haben: Sein Vater misst immerhin 5,50 Meter."

Rothschild-Giraffen, die nach ihrem Herkunftsland auch Uganda-Giraffen genannt werden, sind die größte Giraffen-Unterart und leben in den Savannen Ugandas und Westkenias. Dort ist ihr Bestand durch die Ausbreitung der Landwirtschaft und durch die Überweidung stark zurückgegangen. Aus Uganda wurden zuletzt nur noch 45 der bedrohten Tiere gemeldet; etwas mehr befinden sich weltweit in Zoologischen Gärten in Zuchtprogrammen.

Zu diesen hat Etosha bereits fleißig beigetragen - und es könnte noch besser kommen: Nach den Söhnen Taribo und Kumbuko und den Töchtern Yalinga und Leila könnte die Giraffenkuh erneut Nachwuchs erwarten. "Im Januar hat Chavi sie gedeckt, und seitdem ist sie nicht mehr heiß geworden", sagt Thomas Günther. Bedenkt man die Giraffen-Tragzeit von 15 Monaten, könnte im April nächsten Jahres ein 60 bis 70 Kilogramm schweres und bis zwei Meter großes Jungtier aus eben dieser Höhe auf die Erde fallen.

Günther würde sich über dieses große Wunder besonders freuen - mussten er und seine Kollegen doch erst im vergangenen Herbst um das Leben Etoshas bangen. "Sie hatte eine Zwillings-Totgeburt, und es wäre einfach fantastisch, wenn sie das nicht nur unbeschadet überstanden hätte, sondern auch wieder Mutter würde." Denn diesen Job, so der Tierpfleger, mache sie ganz fantastisch.

Vorerst beweist sich Etosha als Mutter der Kompanie - "sie geht immer voran", sagt Günther und lacht. Ein gutes Erkennungsmerkmal für Besucher, doch da gibt es noch etwas Besseres, um die Tiere auseinanderzuhalten, verrät der Tierpfleger: "Etosha hat die deutlich längste Schwanzquaste von unseren drei Giraffen." Und Länge ist ja bei den Tieren mit den unregelmäßig geformten, kastanienbraunen Flecken ein ganz entscheidender Faktor: So kann die blaue Zunge (Günther: "Die Färbung schützt vor Sonnenbrand, immerhin ist sie zum Fressen 16 Stunden am Tag außerhalb des Mundes") 40 Zentimeter lang werden. Und der Hals besticht durch extrem überdimensionale Halswirbel - auch wenn diese nicht mehr, sondern genauso viele sind wie beim Menschen: sieben Stück.

Nahrung müssen die Riesen dann allerdings mehr vertilgen als wir: Bis zu 60 Kilogramm Blattwerk und Luzerne sind es jeden Tag bei Hagenbeck, dazu ein wenig Karotten und etwas Kraftfutter. Und was mögen sie am liebsten? Günther: "Brennnesseln. Hinter denen sind sie so her wie viele Menschenkinder hinter Brausepulver. Vielleicht fühlt es sich ja ähnlich an ..."

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