Gutachten stützt Regierungslinie. Sozialsenator Scheele kündigt Stellenabbau an. Bis zu 3000 Hamburger sind betroffen.

Hamburg. Es sind 160 Seiten, voll mit wissenschaftlichen Erläuterungen, Tabellen und Diagrammen. Das Fazit ist jedoch ebenso kurz wie vernichtend: Ein-Euro-Jobs schaden letztendlich den Arbeitslosen. Sie führen dazu, dass die Wahrscheinlichkeit, eine reguläre Arbeit aufzunehmen, deutlich sinkt. Auch nach dem Ein-Euro-Job, im Behördendeutsch Arbeitsgelegenheit (AGH) genannt, stehen die Chancen auf eine Beschäftigung für den Teilnehmer nicht besser als vorher. Stattdessen erhöht sich die Hilfsbedürftigkeit der Ein-Euro-Jobber.

Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des anerkannten Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsförderung in Nürnberg, in dem speziell die Beschäftigung schaffenden Maßnahmen in Hamburg unter die Lupe genommen wurden und das dem Abendblatt exklusiv vorliegt. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob Ein-Euro-Jobs auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt fördernd oder hemmend wirken. Nach Ansicht der Wissenschaftler, die bereits vom schwarz-grünen Senat mit dem Gutachten beauftragt worden sind, wirken die Maßnahmen zum Großteil hemmend. Schuld ist laut Gutachten der "Lock-in-Effekt", der dazu führt, dass viele Ein-Euro-Jobber deutlich seltener und später zurück in eine sozialversicherungspflichtige Arbeit gelangen als Langzeitarbeitslose, die nicht an einer solchen Maßnahme teilnehmen.

Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) kündigte bereits Auswirkungen auf das künftige Arbeitsmarktprogramm an. "Die Ergebnisse sind deutlich: Arbeitsgelegenheiten helfen nicht bei der Integration, sie stehen der Aufnahme eines regulären Jobs eher entgegen", sagte Scheele. "Deshalb leuchtet mir ein, dass die Gutachter die Reduzierung und Neuausrichtung der AGH empfehlen." Denn Menschen in reguläre Arbeit zu bekommen, müsse - wenn auch auf längere Sicht - immer das Ziel sein, so Scheele. Die Gutachter empfehlen, in Hamburg künftig nur noch rund 1200 Ein-Euro-Jobs anzubieten. Über eine genaue Zahl wollte der Senator noch keine Auskunft geben, nach Abendblatt-Information wird es ab 2012 rund 3000 Jobs geben. Derzeit gibt es laut Behörde etwa 6000 Ein-Euro-Jobber.

Die negative Wirkung der Ein-Euro-Jobs gilt laut Gutachten für alle Teilnehmer, egal, ob Mann oder Frau, jung oder alt und unabhängig davon, wie lange sie schon arbeitslos sind. Am stärksten kommen die negativen Effekte jedoch bei den Menschen zum Tragen, die binnen weniger Jahre bereits zwei oder mehr Ein-Euro-Jobs hatten oder die in jüngerer Vergangenheit einer regulären Arbeit nachgegangen waren.

Fragt man die Ein-Euro-Jobber nach ihrer Meinung, könnte das vielleicht daran liegen, dass diese sich von ihrem Job tendenziell eher unterfordert fühlen. Die Experten aus Nürnberg haben Teilnehmer vor, während und nach ihrer Maßnahme befragt, auch diese Ergebnisse fallen eher schlecht aus: Zwar schätzen rund 70 Prozent der Ein-Euro-Jobber ihre Tätigkeit als sinnvoll ein, den Nutzen sehen sie aber vor allem darin, einen geregelten Tagesablauf und mehr Geld zur Verfügung zu haben. Die Leistungsmotivation verändert sich im Laufe des Ein-Euro-Jobs nicht, und auch die Lebenszufriedenheit steigt nicht an. Zudem wird die Sinnhaftigkeit vor Antritt des Jobs deutlich besser bewertet als hinterher. Nicht beantworten konnten die Gutachter, ob das an der "Anfangseuphorie" der Befragten liegt oder ob die Qualität der Maßnahmen mangelhaft ist.

Dafür traten in der Untersuchung große Unterschiede zwischen den einzelnen gemeinnützigen Trägern der Arbeitsgelegenheiten zutage. Zudem gebe es anscheinend keinen sichtbaren Unterschied zwischen Projekten mit und ohne Stadtteilbezug. Scheele: "In Zukunft werden wir daher stärker auf die Qualität der Angebote achten."

Darüber hinaus werden mit dem neuen Arbeitsmarktprogramm, das die Sozialbehörde am 30. August vorstellen will, weitere Empfehlungen der Gutachter umgesetzt: Es sollen in der Regel nur noch Langzeitarbeitslose einen Ein-Euro-Job bekommen, die noch nie einen hatten, die zudem keine Ausbildung haben und seit mehr als zwei Jahren arbeitslos sind. Geplant ist ein "sozialer Arbeitsmarkt", das heißt, der Ein-Euro-Job wird künftig hauptsächlich der Rahmen für Sozialberatung mit Angeboten wie Sucht- und Schuldnerberatung sein. Es solle in erster Linie um die Menschen und ihre Probleme und deutlich weniger um die Dienstleistung der Maßnahme gehen. Mit dem Ziel, die Teilnehme so weit zu stabilisieren, dass sie erst in eine Qualifizierungsmaßnahme und später in einen regulären Job übergehen können. "Die Arbeitsgelegenheiten werden künftig ein erster Schritt auf diesem Weg zurück sein", so Scheele. Dieser Weg könne dann auch mal um die fünf Jahre dauern.

Welche Träger und welche Ein-Euro-Jobs dafür am besten geeignet sind, wird sich noch zeigen. Jeder Träger kann im sogenannten Interessenbekundungsverfahren sein Konzept einreichen. Bei der Entscheidung sollen anders als bisher auch die Bezirke eingebunden werden. Das Gutachten hatte ergeben, dass die Bezirke nicht ausreichend in die Planungen der Träger einbezogen worden waren.

Senator Scheele, der von einigen Betroffenen bereits als "Feind der Ein-Euro-Jobs" bezeichnet wird, betonte: "Ich bin ein Freund von Arbeitsgelegenheiten", sie sind für eine bestimmte Gruppe von Menschen wichtig, um einen Start ins Erwerbsleben zu schaffen. Von dieser Überzeugung lasse ich mich auch nicht abbringen."