Umstrittene Wohnungsgesellschaft Gagfah reagiert auf Druck von Hamburger Mietern. Erste Reparaturen in Schimmel-Wohnungen.

Hamburg. Seit Jahren schimmelt es in der Wohnung von Nezire Yaman. Der Schimmel ist im Badezimmer und auch direkt neben dem Bett der 79 Jahre alten gebürtigen Türkin. Auch in anderen Wohnungen des Mietshauses an der Jungnickelstraße 7 in Wilhelmsburg schimmelt es. Seit Jahren beschwerte sich Yamans Sohn bei der Wohnungsgesellschaft Gagfah, der die Wohnung seiner Mutter gehört. Nichts passierte.

Bis vor Kurzem, als der Mieterverein Hamburg, der die Yamans vertritt, plötzlich einen freundlichen Brief von der Gagfah bekam. Ein Techniker habe sich "nun ein Bild vor Ort machen" können, stand da. Der Mann habe feststellen können, "dass die Schimmelbildung aufgrund von Undichtigkeiten an der Fassade entstanden ist". Natürlich gewähre man der betroffenen Mieterin eine Mietminderung. Die Zeiten haben sich geändert. Vor einem Vierteljahr hat das Abendblatt über die Probleme von Mietern, Politikern und Verbänden mit der Gesellschaft Gagfah, die stadteigene Wohnungen aufgekauft hatte, berichtet. Die Gagfah gehört mehrheitlich dem US-Hedgefonds Fortress und ist mittlerweile das größte börsennotierte Wohnungsunternehmen in Deutschland mit 160.000 Wohnungen, davon mehr als 9000 in Hamburg.

Was passiert, wenn Wohnungen in die Hände von Aktienkonzernen gelangen, merkten die Mieter. In den Bestand wurde in den vergangenen Jahren kaum investiert. Dafür bekamen die Aktionäre hohe Dividenden. Denn: Die meisten Gagfah-Aktien halten Fortress-Investoren. Ehemalige Führungskräfte der Firma und Mieterverbände werfen Fortress vor, sich auf Kosten der Mieter zu bereichern. Die Folge vor allem in Hamburg: Viele Wohnungen sind verschimmelt, Fassaden bröckeln ab.

Nach drei Monaten steht jetzt fest: Die Gagfah hat längst nicht alle Mängel behoben. Aber es hat sich etwas getan.

+++ Verbandschef: "Gagfah gefährdet Ruf der Branche" +++

Die Bezirksämter haben sich in den Konflikt eingeschaltet. In Wilhelmsburg gab es Bürgersprechstunden für die betroffenen Mieter. Ende Mai gingen wütende Wilhelmsburger Gagfah-Mieter auf die Straße. Markus Schreiber, Leiter des zuständigen Bezirksamts Mitte, drohte der Gagfah mit Bußgeldern und damit, Schäden von der Stadt beseitigen zu lassen und dem Wohnungskonzern die Rechnung zu schicken. In Steilshoop wurde das zuständige Bezirksamt Wandsbek aktiv.

Dann reagierte die Gagfah. Ende Mai kündigte Gagfah-Chef William Joseph Brennan an, die Ausgaben für die Wohnungen zu erhöhen. In diesem Jahr sollen es zehn Euro, im nächsten eventuell zwölf Euro pro Quadratmeter sein, so Brennan. Den Aktionären strich er die Dividende. Darüber hinaus kündigte das Unternehmen eine "offenere Kommunikation" an.

Der Kurswechsel zeigt Wirkung, bestätigt Bezirksamt-Mitte-Chef Markus Schreiber: "Auf alle Beschwerden, die in unseren Sprechstunden zur Sprache kamen, hat die Gagfah reagiert. Wir brauchten keine Bußgelder zu verhängen."

Auch Rolf Bosse vom Hamburger Mieterverein sagt: "Die Gagfah reagiert auf den Druck. In Einzelfällen bemüht sie sich, Fälle besser aufzuarbeiten." So wie den Fall von Mehmet und Ayse Sahin aus der Keindorffstraße 2 in Wilhelmsburg. Im Badezimmer schimmelt es, die Fenster sind undicht. Die Außenfassade ihres Hauses ist marode. Jahrelang beschwerten sich die Sahins bei der Gagfah, doch die ignorierte ihre Anfragen, sagt Bosse.

Jahrelang passierte nichts. Bis Hamburger Medien über die Probleme der Mieter berichteten. Plötzlich schickte die Gagfah dem Mieterverein, der die Sahins vertritt, einen Brief. Die Gagfah entschuldigte sich "für die verspätete Antwort" und kündigte an: "Wir werden die Fenster in der gesamten Wohnung Ihres Mitglieds einstellen und alle Dichtungen austauschen".

Die Gagfah zeigt sich auf Abendblatt-Anfrage zufrieden: Wir haben eine offenere Kommunikationspolitik nicht nur angekündigt, sondern setzen sie auch um", sagte eine Gagfah-Sprecherin. Beschwerdelisten aus Hamburg seien abgearbeitet worden, dabei habe es eine "offene Kommunikation mit allen Beteiligten gegeben".

Auch Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin des Vereins Mieter helfen Mietern erkennt an, dass sich bei der Gagfah etwas getan hat: "Die Gagfah setzt sich langsam in Bewegung", sagt sie. Die Wohnungsgesellschaft habe einige Mietminderungen anerkannt. Zu einigen Mietern seien Maler oder Tischler geschickt worden. Sonnemann sagt aber auch: "Die entscheidenden Mängel, die Feuchtigkeitsprobleme, werden nicht konsequent angegangen. Viele der Arbeiten wirken wie Kosmetik und Flickschusterei."

Rolf Bosse vom Mieterverein kritisiert: "Mängelanzeigen werden zwar schneller per Post beantwortet, aber nach der Rückmeldung kommt häufig niemand."

Andere Fälle werden weiter ignoriert. Mevlüt Göktas lebt seit 15 Jahren an der Wittestraße 13 in Wilhelmsburg. Wasser ist in seinen Balkon eingedrungen, das Material ist aufgequollen und fällt ab. Das Wohnzimmer schimmelt, die Fenster sind undicht. Unternommen hat die Gagfah dagegen nichts.

Da es viele Fälle wie Mevlüt Göktas in Hamburg gibt, ist Rolf Bosse vom Mieterverein skeptisch, ob die Gagfah sich tatsächlich gewandelt hat. Er sagt: "Die Mieter und die Politiker müssen weiter Druck auf die Gagfah ausüben."