Bis zu sechs Monate Wartezeit. Arzt wirft Stadt vor, wachsenden Bedarf zu ignorieren. Altonaer Kinderkrankenhaus bestätigt DAK-Studie.

Hamburg. Sie klagen über Kopf- und Bauchmerzen, die keine körperlichen Ursachen haben, oder leiden an Depressionen. Das Ergebnis der DAK- Studie, wonach psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen drastisch zunehmen, bestätigt auch das Altonaer Kinderkrankenhaus. Mehr noch: Dort gibt es bereits Engpässe, wie auch an mehreren anderen Kliniken in Hamburg.

"Unsere psychosomatische Tagesklinik hat elf Plätze, ist aber mit 15 Patienten ständig überbelegt. Trotzdem haben wir noch eine Wartezeit von drei Monaten", sagt Prof. Michael Schulte Markwort, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) und der Psychosomatik im Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK). Auch in der Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie im UKE müssten Patienten etwa sechs Monate auf einen Therapieplatz warten.

Um die steigende Zahl der Kinder mit schweren psychosomatischen Störungen auch stationär behandeln zu können, hat das AKK vor einem Jahr bei der Hamburger Gesundheitsbehörde die Aufnahme von zusätzlichen 20 Betten für Kinder- und Jugendpsychiatrie in den Krankenhausplan beantragt, in dem die Kapazitäten der Kliniken in der Hansestadt festgeschrieben sind. "Doch unser Antrag wurde abgelehnt. Die Behörde sieht keinen Mehrbedarf", berichtet Schulte-Markwort. Das will die Hamburger Gesundheitsbehörde so nicht stehen lassen. "Über diesen Antrag ist noch nicht entschieden worden", sagte Sprecher Rico Schmidt. Der Landesausschuss, der sich damit befasse, tage das nächste Mal Mitte August.

Bisher werden im AKK Kinder, die unter psychosomatischen Erkrankungen leiden und eine stationäre Behandlung brauchen, in den normalen Stationen der Kinderheilkunde (Pädiatrie) versorgt, die vor allem auf die Behandlung körperlicher Erkrankungen ausgerichtet sind. "Wir hatten im vergangenen Jahr 300 Kinder, die dort wegen einer psychosomatischen Erkrankung behandelt wurden", sagt Schulte-Markwort. Dabei handelte es sich meist um psychisch bedingte Bauch-, Rücken- oder Kopfschmerzen oder um depressive Störungen. Bei weiteren 1000 Kindern, die wegen einer körperlichen Erkrankung stationär behandelt wurden, wurden zusätzlich psychische Störungen festgestellt, wie etwa Angst- oder Zwangsstörungen. Tendenz steigend.

"Die Therapie dieser Patienten kann nur zum Teil über Fallpauschalen mit den Krankenkassen abgerechnet werden, sodass das AKK einen Großteil der Kosten selber tragen muss", sagt Schulte-Markwort. Wegen dieses "Minusgeschäfts" und der steigenden Zahl behandlungsbedürftiger Kinder will er weiter um 20 zusätzliche Betten kämpfen. Damit soll eine neue Station eingerichtet werden, die eng mit der Pädiatrie zusammenarbeitet, um zusätzliche körperliche Erkrankungen zu versorgen. Kinder und Jugendliche könnten dort versorgt werden, die so schwer erkrankt sind, dass sie nicht mehr die Schule besuchen können, eine Psychotherapie und eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung brauchen. "Wer noch zur Schule gehen kann, eine Psychotherapie und nur eine Halbtagsbetreuung braucht, wird in der Tagesklinik behandelt", sagt Schulte-Markwort.

Auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift gibt es Wartezeiten. "In unserer Tagesklinik liegt die Wartezeit für die Teilnahme an einer Kindergruppe jetzt bei vier Monaten", sagt Dr. Joachim Walter, Chefarzt der Abteilung. Diese will ihr Angebot erweitern und voraussichtlich Mitte August eine weitere kinderpsychiatrische Tagesklinik im Norden Hamburgs auf dem Gelände der Asklepios-Klinik Nord, Heidberg, eröffnen. Der Schwerpunkt der neuen Tagesklinik liege bei der Behandlung von Vorschulkindern und psychosomatischen Erkrankungen, erklärt Walter.

Im Süden Hamburgs gibt es offensichtlich keine Engpässe. "Mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Asklepios-Klinik Harburg können wir unseren Versorgungsauftrag für die Region Süderelbe erfüllen", sagte Matthias Eberenz, Sprecher der Asklepios-Kliniken. "Dort haben wir Wartezeiten für die Aufnahme in die Tagesklinik von vier bis sechs Wochen, Notfälle ausgenommen." Doch während der Wartezeit fänden regelmäßige Termine zur Vorbereitung der Therapie statt. Deswegen sei dies keine verlorene Zeit.

Die Gründe dafür, dass immer mehr Kinder psychisch krank werden, sieht Schulte-Markwort vor allem darin, dass der Leistungsdruck auf die Kinder in der Schule stark zugenommen hat. "Schon in der Grundschule steigt der Druck, unbedingt eine Empfehlung für das Gymnasium zu bekommen. Später muss es dann möglichst das Einser-Abitur sein", sagt Schulte-Markwort. Weitere Ursachen für seelische Probleme sind Konflikte in der Familie.

"Aber auch die Ängste vor einer psychiatrischen Behandlung sind deutlich geringer geworden, sodass Eltern mit ihren Kindern bei Auffälligkeiten heute eher einen Spezialisten aufsuchen", ergänzt Joachim Walter.