Ein Kommentar von Andreas Dey

Das neue Hamburger Wahlrecht hat gewiss einige Schwächen. Gegenüber dem Karo-Einfach-System mit einer Stimme verzehnfacht es die Kosten einer Wahl, die Auszählung zieht sich über Tage hin, es lässt die Wahlbeteiligung weiter sinken, die Zahl der ungültigen Stimmen steigen, und es fördert Kuriositäten wie das Platz-31-Phänomen zutage - von dem es viele Kandidaten ins Parlament schafften, weil die 31 den besten Platz (rechts oben) im Stimmheft hatte. Deshalb ist es richtig, dass die Bürgerschaft sich Gedanken macht, was im Detail verbessert werden kann.

Die aktuelle Studie der Uni Hamburg zeigt aber auch, was das neue Wahlrecht eben nicht ist: der Hauptschuldige für Politikverdrossenheit. Im Gegenteil: Die Mehrheit der Wähler - und der Nichtwähler! - findet die neuen Regeln an der Urne besser als die alten. Und rund 95 Prozent der Wähler haben sie auch verstanden.

Alarmieren müssen die Politik andere Fakten - etwa, dass 85 Prozent der Nichtwähler auf die Frage, was sich ändern muss, die Parteien und ihre Kandidaten nennen und nur 15 Prozent das Wahlrecht; dass viele Wähler die Kandidaten gar nicht kennen; und dass Unwissenheit und Wahlverzicht in sozial schwachen Stadtteilen erheblich höher sind als in den "besseren" Gegenden. Diesen Problemen muss sich die Politik stellen - damit kann sie mehr bewirken als durch jede Änderung des Wahlrechts. Im Übrigen gilt: Alles Neue braucht etwas Zeit, sich zu bewähren. Man kann die Bürger auch durch ständiges Ändern des Wahlrechts nerven.