Der ETV steht vor dem Duell gegen Greuther Fürth ohne Mannschaft da. Streit um die Pokalgelder führt zum Rücktritt des kompletten Teams.

Hamburg. Während Dirk Fischer, der Präsident des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV), dem Vorsitzenden des ETV, Frank Fechner, gestern Abend bei der traditionellen Meisterehrung des HFV an der Jenfelder Allee um 20.12 Uhr einen Scheck über 5000 Euro zum Gewinn des Oddset-Pokals überreichte, lief Trainer Dennis Mitteregger mit seinen Spielern gemeinsam um die Alster. Es war der Abschiedslauf des Hamburger Amateurpokalsiegers. Die Farce um die Fußballer des Eimsbütteler Turnverbands hatte ihren grotesken Höhepunkt erreicht.

Keine 24 Stunden zuvor waren am Mittwochabend Tränen im ETV-Gebäude an der Bundesstraße geflossen. Die entscheidende Verhandlung zwischen der Fußballabteilung und dem Gesamtverein über die Verteilung der bisherigen Pokaleinnahmen in Höhe von 110 000 Euro - 10 000 Euro im Hamburger Amateurpokal und 100 000 Euro Antrittsgeld für die erste Runde im DFB-Pokal - war gescheitert.

Fechner und seine Vorstandskollegen wollten eine 50:50-Aufteilung. Die eine Hälfte für die Mannschaft, die andere Hälfte für das Kunstrasenprojekt des ETV am Sportzentrum Hoheluft. Mitteregger und das Team legten daraufhin mitgebrachte Austrittserklärungen auf den Tisch. Sie machten damit den Eklat perfekt, denn nun steht der Hamburger Amateurvertreter im DFB-Pokal ohne Mannschaft da.

Fechner verfasste umgehend eine Presseerklärung, die den Hamburger Medien um 21.30 Uhr zuging. Entscheidender Satz: "Der Verein darf und wollte sich nicht erpressen lassen." Mitteregger hielt tags darauf dagegen: "Einige Spieler haben sogar geweint. In den Gesprächen gab es, wie in den vergangenen Jahren, keine Wertschätzung des Vereins für unsere Leistung. Wir sind keine geldgierigen Söldner."

In der Amateurfußballszene sorgte der bundesweit einmalige Vorgang eines Massenaustritts bei einem DFB-Pokalteilnehmer für viel Unverständnis - und drastische Kommentare. "Wenn ich der Mannschaft 50 Prozent der Pokalgelder aus dem Spiel gegen Ingolstadt geben würde, würde man mir hier die Füße küssen und mich auf einem Thron umhertragen", sagte Sascha Brandt, Leiter der Geschäftsstelle des bremischen Oberligisten FC Oberneuland zu den Geschehnissen und traf damit den Nerv vieler Beobachter. Sachlicher gab sich HFV-Präsident Dirk Fischer. Eine Lösung des Problems könne "nur im Verein selbst gefunden werden. Alle müssen zurück an einen Tisch. Auf Anfrage vermittelt der Verband gerne."

Doch das Tischtuch zwischen beiden Parteien ist geradezu zerfetzt. Auf der einen Seite stehen Fechner, seine Vorstandskollegen und der Aufsichtsrat. Sie vertreten einen der größten Vereine Deutschlands (12 500 Mitglieder, 1100 in der Fußballabteilung) und betonen den Amateurcharakter ihres Breitensportvereins. Exemplarisch dafür ist Fechners Argument von "unseren Bundesliga-Wasserballerinnen, die auch kein Geld bekommen".

Auf der anderen Seite steht ein 28-jähriger Trainer-Shootingstar mit elf Jahren Erfahrung auf der Bank, der mit seiner Mannschaft fest verbandelt ist, viele Spieler seit der C-Jugend coacht. In den vergangenen vier Jahren marschierte er mit seinen Jungs von der Kreisliga in die Landesliga, holte den Pokal der zweiten Mannschaften und nun in märchenhafter Manier unter Ausschaltung von sechs Oberligisten den Oddset-Pokal. "Das lief alles über Motivation. Wir sahen nie Geld, bis auf 30 Euro pro Monat für jeden Spieler in der abgelaufenen Saison. Das ist nicht mit Wasserball vergleichbar. Einige Spieler könnten woanders 500 Euro verdienen und hielten dem Verein die Treue. Die Mannschaft hat nun so entschieden. Ich habe mich ihr aus Idealismus angeschlossen. Mein Ruf ist mir dabei egal. Es geht ums Prinzip." Auch Bilal Afrane, Vorsitzender der Fußballabteilung, sieht das so: "25 000 Euro an Prämien, 30 000 Euro Etat für nächste Saison, 15 000 Euro für neue Utensilien wie Trainingsanzüge oder Bälle und den Rest des Geldes in den Kunstrasen sowie die Jugendfußballabteilung. Das wäre fair gewesen." Findet auch Mittelfeldspieler Atalay Arican: "Seit Jahren verarscht uns der Verein beim Geld. Wir haben mit dem Pokalsieg unsere Geschichte geschrieben."

Und so wird Ende Juli gegen Fürth ein Team auflaufen, das nichts gemein hat mit dem Hamburger Amateurpokalsieger 2010/11. Es soll sich aus dem ETV II (Kreisliga) und der A-Jugend des Vereins rekrutieren. Laut Fechner gibt es ein Ausschlusskriterium: "Wir verpflichten keine Söldner."