Die beängstigende EHEC-Epidemie beflügelt die Fantasie von ungezählten Verschwörungstheoretikern

Hamburg. Die beängstigende EHEC-Welle beflügelt offenbar die Fantasie. Zahlreiche Verschwörungstheoretiker und selbst ernannte Terrorexperten äußern sich in Internetforen, in denen Pseudo-Wissenschaftler Theorien über die nach ihrer Meinung eigentliche Quelle der Infektionen verbreiten. Bioterroristen sollen es sein.

Sowohl die Hamburger als auch die Bundesbehörden nehmen den Urhebern dieser Gerüchte allerdings den Wind aus den Segeln. Belege dafür, dass es sich bei der Epidemie um ein von Menschenhand herbeigeführtes Schreckensszenario handelt, gibt es nicht.

Von einem "Fäkalien-Dschihad" fantasierte ein Journalist im Internet. Als Beleg benannte er österreichische Quellen. Dort hätten Erntehelfer und Erntehelferinnen quasi aus Hass immer wieder auf zu erntendes Gemüse uriniert, weshalb es jetzt ein "Rock-Verbot" gebe. Andernorts hätten Angehörige bestimmter Glaubenskreise Fäkalien auf Nahrungsmittel gesprüht. Humbug, wie Ermittler sagen - und schon gar keine organisierte Terrorkampagne.

Mehrfach hieß es in den vergangenen Tagen, der Bundesnachrichtendienst (BND) habe sich in die Ermittlungen zur Herkunft von EHEC eingeschaltet. Unter anderem, so war zu lesen, hätten Vertreter an einem Geheimtreffen in einem "nahe bei Paris gelegenen gemeinsamen europäisch- amerikanischen Lagezentrum" teilgenommen. Zeitweise hatten sich die Gerüchte so weit verselbstständigt, dass sogar angesehene Mediziner sich an ihrer Verbreitung beteiligten. "Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sind die Keime zufällig in Umlauf gekommen, etwa durch Verunreinigung von Lebensmitteln. Oder sie wurden von Menschen bewusst auf den Weg gebracht", weshalb auch der BND ermittele, sagte Professor Heinzpeter Moecke, Konzernbereichsleiter Medizin und Wissenschaft der Asklepios-Kliniken, der "Welt". Auf Nachfrage gab er an, das habe er im Internet gelesen.

Beim BND heißt es, man habe keinerlei Hinweise auf Bioterrorismus. Auch ermittele die Behörde nicht. Das mache der BND im Übrigen nie, denn er sei ein Nachrichtendienst und keine Ermittlungsbehörde. Der Hintergrund entsprechender Spekulationen könnte jedoch gleichwohl beim BND zu finden sein. Offenbar ist ein Schreiben des Nachrichtendienstes zunächst in falsche Hände geraten und dann fehlinterpretiert worden. Wie bei jedem Pandemieverdacht hatten Gesundheitsbehörden nach dem Ausbruch des EHEC-Erregers die Biologen des BND um Mithilfe gebeten. In einem Antwortschreiben an mehrere Behörden teilten die Spezialisten des BND daraufhin mit, dass sie keinerlei Hinweise auf Bioterrorismus erkennen könnten. Ähnliches gilt für die Hamburger Polizei und die Staatsanwaltschaft. Auch hier gäbe es keinen Anfangsverdacht, der Ermittlungen in diese Richtung rechtfertigen würde, heißt es übereinstimmend.

Dennoch werden die Verschwörungstheorien jeden Tag aufs Neue befeuert - was möglicherweise auch an bestimmten Formulierungen im Zusammenhang mit EHEC liegt. So legt das Wort Hybrid-Klon, als das der Erreger vom Direktor des Instituts für Hygiene, Helge Karch, bezeichnet worden war, für einige Forennutzer nahe, dass es sich um eine quasi scharf gemachte Variante eines bestehenden Erregers handele. Tatsächlich erklärt das Wort Hybrid in diesem Zusammenhang, dass der Bakterienstamm Erbgutteile anderer Bakterien übernommen hat. Ein Klon ist der Erreger, weil er sich ungeschlechtlich fortpflanzt. Und: Dies geschieht in der Regel nicht unter Menscheneinfluss im Labor - sondern eher profan in Gedärmen von Wiederkäuern.