Schon mehr als 2000 Fälle. Hamburgs Fraktionschef sieht Gesundheitsämter überfordert

Hamburg. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Vor dem Hintergrund von mittlerweile mehr als 2000 EHEC-Fällen in Deutschland konzentrieren sich die Experten vor allem auf die Suche nach der weiterhin rätselhaften Quelle des Erregers. Am Freitag verdichteten sich die Hinweise darauf, dass tatsächlich rohe Tomaten, Gurken und Salat Träger des Durchfallerregers sind.

Bei einer Befragung von EHEC-Patienten habe sich gezeigt, dass 84 Prozent der Erkrankten zuvor Salat verzehrt hatten, teilte das Berliner Robert-Koch-Institut mit. In einer Vergleichsgruppe gesunder Menschen seien es nur 47 Prozent gewesen. Ähnlich sei die Verteilung bei den anderen beiden Produkten - EHEC-Patienten hatten deutlich häufiger Tomaten und Gurken verzehrt.

Auch am Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt werden zurzeit vor allem Tomaten, Gurken und Salat analysiert. Bisher konnte der aggressive EHEC-Erreger vom Typ O104:H4 trotz der bis zu 80 Proben täglich nicht nachgewiesen werden. Auch deshalb sei die Suche jetzt auch auf Salatsaucen und Salatkräuter ausgeweitet worden, sagte eine Institutsprecherin.

Der frühere Gesundheitssenator und jetzige CDU-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Dietrich Wersich, forderte angesichts der erfolglosen Suche nach der EHEC-Quelle den Einsatz von Polizisten: "Die Gesundheitsämter sind wegen der Vielzahl der Fälle offensichtlich überfordert", sagte Wersich dem Abendblatt. Die Polizei könne mit ihrer Kompetenz "bei der Jagd auf das Bakterium" helfen. Die Beamten sollten die Erkrankten danach befragen, was sie wann gegessen und welche Lebensmittel sie wo gekauft haben.

"So kann ein Profil erstellt werden, das zur Aufklärung beiträgt, wo der Infektionsherd lag", sagte der CDU-Politiker. Da offensichtlich in Hamburg der Schwerpunkt der Erkrankungen liege, schaue die Republik auf die Stadt. Er sehe den Einsatz der Polizei durch das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gedeckt, so Wersich.

Klaus-Dieter Zastrow, Chefarzt für Hygiene an den Vivantes-Kliniken in Berlin, verwies auf die Möglichkeit, dass der Keim wissentlich durch Menschen an Lebensmittel herangebracht wurde. Zastrow: "Wir hatten doch schon Fälle, bei denen Leute zum Beispiel die Mayonnaise in Supermärkten vergifteten." Der Mikrobiologe Stefan Zimmermann von der Uni Heidelberg hält es aber für "ausgesprochen schwierig", einen Keim wie den O104 im Labor zu erzeugen, wie er "Spiegel Online" sagte.

Unterdessen steigt die Zahl der Neuinfektionen weiter. Allein in Hamburg, das weiter Schwerpunkt der Epidemie ist, gibt es jetzt 751 EHEC-Fälle - davon 144 mit dem lebensgefährlichen Hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). Auch wenn der Zuwachs etwas geringer ausfalle als in den vergangenen Tagen, bleibe die Situation besorgniserregend, sagte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). "Es ist auf jeden Fall zu früh, um in irgendwelcher Form Entwarnung zu geben". In Deutschland leiden insgesamt 500 der mehr als 2000 EHEC-Patienten an HUS. 19 Menschen starben bisher an den Folgen der Krankheit, zuletzt eine ältere Frau im Elbe-Klinikum in Stade.

In Zusammenhang mit der EHEC-Krise ermittelt inzwischen auch die Polizei in Hamburg gegen zwei Großhändler und einen Restaurantbesitzer. Bei ihnen waren Gurken gefunden worden, die den EHEC-Erreger trugen - allerdings nicht den gefährlichen O104-Typ, der für die derzeitige Epidemie verantwortlich ist.