Ärzte bekräftigen Warnung vor Rohkost und ungeschältem Obst. Fleischkonsum steigt offenbar wegen EHEC-Angst

Hamburg. "Frisches Gemüse? Salat? Essen wir derzeit nicht." Da sind sich Leni Asbeck und ihre Freundinnen einig. "Beim Fleisch", sagen die sieben Frauen, die im Stadtpark grillen, "kann man offenbar sicher sein, dass da kein EHEC drin ist." EHEC nämlich - oder besser die Angst davor - ist der Grund dafür, dass die Frauen, wie so viele Hamburger, auf Rohkost verzichteten. "Das Gemüse, das wir zum Grillen mitgebracht haben", sagt Leni Asbeck, "ist gekocht, gebacken, gegart und eingelegt gewesen."

Unbehagen in Sachen Lebensmittel, dieses Gefühl ist durchaus begründet: Während einer Pressekonferenz zur aktuellen EHEC-Situation bekräftigten Mediziner des Universitätsklinikums Eppendorf gestern jedenfalls noch einmal die Warnung des Berliner Robert-Koch-Instituts vor dem Verzehr von Tomaten, Gurken und Salat. Solange die Quelle des Keims nicht erkannt sei, solle man diesen Ratschlag befolgen, sagte UKE-Chef Professor Jörg Debatin. Denn Studien zufolge hatten viele der Patienten zuvor gerade von diesen Lebensmitteln viel gegessen. Die mit EHEC befassten Ärzte achteten zudem in ihren eigenen Familien darauf, dass kein "rohes Gemüse oder auch ungeschältes Obst" gegessen wird. Debatin ergänzte: "Das raten wir auch unseren Freunden." Jeder müsse zwar seine eigenen Schlüsse ziehen, so Debatin, "doch für uns und unsere Familien gilt erst einmal eine einfache Regel: Koche es - oder iss es nicht." Man wisse, dass solche Ratschläge manche Erzeugerbetriebe in Bedrängnis bringen könnten, sagte Debatin weiter: "Doch hier bei uns ist das Leben von Menschen gefährdet."

Bundesweit befolgen die meisten Verbraucher solche Warnungen, wie eine Umfrage des Forsa-Marktforschungsinstituts ergab. Danach hat jeder zweite Deutsche wegen der Ausbreitung des gefährlichen EHEC-Erregers seine Ernährung umgestellt. 59 Prozent der Frauen und 41 Prozent der Männer gaben laut Forsa an, auf rohe Tomaten, Salatgurken und Blattsalate nun zu verzichten. 27 Prozent der Befragten ergreifen den Angaben zufolge verstärkte Hygiene-Maßnahmen und achten darauf, die Hände besonders oft und gründlich zu reinigen. Forsa befragte für die Initiative "Wissenschaftsjahr Gesundheitsforschung" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung am 30. und 31. Mai 1002 Menschen.

Von veränderten Essgewohnheiten weiß auch Rose Pauly, Präsidentin des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Hamburg, zu berichten: "Die allermeisten Betriebe bieten momentan keine Rohkost mehr an. Aus Büfetts, Kantinen und Imbissen ist frisches Gemüse etwa in Form von Salaten fast völlig verschwunden." Die Leute äßen dafür mehr Fleisch, sagt Michael Durst, Obermeister der Hamburger Fleischerinnung. Er ergänzt: "Unsere Branche hat im Mai drei bis vier Prozent mehr Umsatz gemacht als im April. Das Fleischgeschäft läuft derzeit wirklich richtig gut." Ob es tatsächlich die Angst vor EHEC sei, die die Menschen an die Fleischtheken treibe? "Sicher kann ich mir nicht sein", antwortet Durst, "aber ich vermute das, ja."

Durst sieht gar einen positiven Einfluss auf den Fleischgenuss, denn: "Gemüse und Obst werden nun geraume Zeit einen komischen Beigeschmack haben, da bleibt in den Köpfen etwas hängen." Deshalb biete er in seinen eigenen vier Fleischer-Filialen in Hamburg nunmehr ein erweitertes Angebot: "Alle zwei Wochen haben wir ein neues Grillwurst-Sortiment."

Noch mal zurück zum Donnerstagnachmittag, zurück in den Stadtpark: Zwar keine Wurst, dafür aber saftige Fleischstücke genießen hier auf einer Wiese Michael Nessler und Michaela Haacker mit ihren Kindern Tom und Amy. "Beim Grillen essen wir eigentlich sowieso keinen Salat", sagt die Familie. Von daher fielen die allgemeinen EHEC-Sorgen gerade zum Glück nicht auf.

"Aber im Kindergarten und in der Schule", fügen die zwei Lütten hinzu, "da kriegen wir jetzt überhaupt nix Frisches mehr." Wie sie das fänden? "Blöd! Das soll sich wieder ändern."

Mit diesem Wunsch dürften Tom und Amy nicht alleine sein.