Das Araweibchen Anne hat im vergangenen Jahr alle Tierpfleger in Hagenbeck an der Nase herumgeführt. Anne machte sich unsichtbar.

Hamburg. Paradiesvögel, beobachtet von "Big Brother", sind keineswegs ausschließlich ein Fall fürs Privatfernsehen. Bei Hagenbeck gibt es tierische Einblicke für jedermann. Übertragen auf einen Monitor in einem kleinen Wäldchen und garantiert jugendfrei, zeigen die Aufnahmen die Kinderstuben der Grünflügelaras. Von der Ei-Ablage über die Brut und die unzähligen Fütterungen bis zum ersten Ausflug der Jungvögel ist alles zu sehen. Mit einer Ausnahme.

Diese heißt Anne. Das Araweibchen hat im vergangenen Jahr alle Tierpfleger an der Nase herumgeführt. "Wir haben sechs Bruthöhlen, von denen alle mit Kameras bestückt sind", sagt Roy Schulz. "Doch nur vier der Höhlen sind auf dem Monitor zu sehen." So kam es, dass der Reviertierpfleger im Vogelhaus mit vier Jungtieren rechnete - und fünf bekam. Schulz: "Ausgerechnet der Kasten mit Anne und ihrem Jungtier war nicht zu sehen." Die Freude über den Zuwachs der Gruppe war umso größer.

Zwölf Altvögel der farbenprächtigen Papageienart leben im Hamburger Tierpark, dazu die fünf Jungvögel vom vergangenen Jahr. "Das war ein klasse Brutjahr", freut sich Schulz, und das nächste steht eventuell schon vor der Tür. Die Paare der monogam lebenden Vögel inspizieren bereits wieder heftig die Bruthöhlen, und je nachdem, wie sich das Wetter weiter entwickelt, könnten ab Anfang Mai die ersten Eier gelegt werden.

Grünflügelaras, auch als Dunkelrote Aras bekannt, leben in vielen Gebieten Südamerikas. Sie sind mit 90 Zentimeter Körpergröße die größten Vertreter ihrer Gattung und werden nur vom Hyazinthara aus der Gattung der Blauaras mit 100 Zentimetern überboten. Zu dem überwiegend roten Gefieder kommen grüne Flügeldecken, Schulterfedern und Armschwingen, die den Tieren ihren Namen gegeben haben. Blaue und weiße Partien runden das Erscheinungsbild der 850 bis 1350 Gramm schweren Tiere ab.

Männchen und Weibchen unterscheiden sich äußerlich nicht, und die Jungtiere vom vergangenen Jahr sind nur noch durch einen etwas helleren Unterschnabel von ihren Eltern zu unterscheiden, sagt Schulz. Biologiestudenten der Universität Hamburg, die an der Hamburger Aragruppe forschen, könnten einzelne Tiere identifizieren. "Die Gesichtszeichnungen unterscheiden sich. Aber mir fällt es verdammt schwer, die Vögel auseinanderzuhalten", gibt der Tierpfleger zu.

Drei Tiere allerdings stechen hervor: Kerbe, der nach einer Keilerei einen bleibenden Einschnitt im Schnabel davongetragen hat; Kralle, bei dem eine Kralle in Weiß aus den anderen, grauen hervorsticht - und eben Anne. "Sie ist besonders zutraulich, fliegt uns bei unseren täglichen Schaufütterungen um 11 Uhr immer auf den Arm - das macht sonst kein anderer Ara", sagt Schulz. Ob sie als besonders kommunikatives Exemplar die Nähe der Menschen suche oder einfach nur Angst habe, von den Leckereien nichts abzubekommen, kann Schulz allerdings nicht sagen, betont er und lacht.

Eines allerdings ist dem Tierpfleger und Vogelfachmann wichtig: "Das Füttern durch die Besucher mit mitgebrachten Nüssen kann den Aras schaden." Pilze auf den Nüssen führten bei den Vögeln zu starken Atemproblemen, die sich wie eine Lungenentzündung anhörten. Deshalb sollten es Besucher bitte beim Betrachten der Grünflügelaras belassen. Zumal diese mit täglich frischem Obst und Gemüse und ein wenig Sämereien auch nicht wirklich Hunger leiden müssten.

Und auch Beschäftigung brauchen die intelligenten Vögel keine: "In der großen Voliere und der großen Gruppe haben sie genug Abwechslung, da ist immer etwas los", sagt Schulz. Die Aras können zwischen dem Freigehege und dem Haus wechseln, wann immer sie wollen. Nur in den vergangenen zwei Wintern hatte Schulz sie kurzfristig im Haus behalten, da bei extremen Minustemperaturen die Gefahr für Erfrierungen an den Füßen zu groß wurde.

Diese müssen die Tiere im Moment wahrlich nicht fürchten. Angeregt durch die Sonne ist Turtelstimmung angesagt. Auch Anne und ihr Partner, hofft Schulz, werden wieder für Nachwuchs sorgen. Dabei sitzt das Weibchen 28 Tage auf dem Gelege, das aus bis zu drei Eiern bestehen kann. Bis die Küken schlüpfen, ist das Papageienmännchen für die Fütterungen des Weibchens zuständig; nach dem Schlupf füttern beide den Nachwuchs, bis dieser nach zwölf Wochen flügge ist und erstmalig die Bruthöhle verlässt.

Spätestens dann werden Roy Schulz und seine Kollegen die Lütten zu Gesicht bekommen - wenn es sich Anne nicht anders überlegt und ihre Kamerascheu ablegt.

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