Trauernde versammeln sich in der Dreifaltigkeitskirche und Gedenken der Toten und Verletzten des blutigen Beziehungsdramas.

Hamm. Sie kamen, um nicht alleine trauern zu müssen: Nachbarn, Freunde und Verwandte haben in der Dreifaltigkeitskirche der Toten und Verletzten des blutigen Beziehungsdramas von Hamm gedacht. In der einstündigen Zeremonie sprach Pastor Johannes Kühn über die Ängste und Ratlosigkeit der Menschen nach den tödlichen Schüssen in der Nachbarschaft. "Mit der Zeremonie wollen wir das Gefühl geben, dass die Menschen irgendwo hingehen können, um ihre Gedanken loszuwerden", sagte Kühn. An der ökumenischen Andacht wirkten auch Pfarrer Rudolf Läken von der Katholischen Herz-Jesu-Gemeinde in Hamm und Olaf Wischhöfer, Pastor der Methodistischen Christuskirche, mit.

"Wie kann es sein, dass ein Mensch so außer Kontrolle gerät, dass er auf Menschen schießt, die ihm vertraut sind?", fragte Pastor Kühn in seiner Ansprache zwei Tage nach der Tragödie, die sich nur wenige Meter entfernt an der Straße Beim Hammer Marktplatz ereignet hatte. Eine Frage, die niemand zu beantworten vermag.

Nachdem seine ehemalige Freundin aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen wollte, fasste René von S., 36, einen tödlichen Plan. Einen Plan, der offenbar wochenlang gereift war, seit der Mitarbeiter eines Kurierdienstes sich hatte krankschreiben lassen - wegen psychischer Probleme. Der Sportschütze schoss in der Nähe der Wohnung auf seine langjährige Lebensgefährtin und verletzte sie schwer. Ein Mann, der zu Hilfe kommen wollte, wurde ebenfalls verletzt. Der Bruder der Frau starb nur wenige Schritte entfernt von ihr. Als Polizisten am Tatort erschienen, richtete der Schütze seine Pistole, eine SigSauer, an seinen Kopf und tötete sich vor den Augen der Beamten.

Pastor Johannes Kühn erinnerte in seiner Ansprache natürlich in erster Linie an die Opfer und deren Angehörige - er vergaß aber auch den Täter nicht, der sich selber tötete. Seine Gedanken waren bei seiner Familie. "Ich habe an seine Mutter gedacht, und wie es war, als er klein war. Wie sie ihn auf den Armen trug. Wie er als Kind gespielt hat. Und ich habe eine Kerze angezündet - auch für ihn."

Kerzen zündeten auch die 50 Trauernden während der Andacht an. Für sie war es der Weg, das Erlebte zu verarbeiten. "Ich kann jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", sagte etwa Jutta Wachsmuth vor der Kirche. Sie war gekommen, um mit der Andacht "Ruhe zu finden und den Schmerz zu lindern". Sie ist eine Nachbarin und hatte den dramatischen Einsatz der Notärzte miterlebt.

Ähnlich erging es Emila Tukeric und ihrem Verlobten Thorsten Wallura. Sie wollten mit ihrem Kommen "ein Zeichen setzen". Und das Geschehen verarbeiten.

Auf einer Pinnwand konnten die Trauernden Zettel mit ihren niedergeschriebenen Gedanken anheften. Auf einem stand: "Gott, wo warst du, als die Verzweiflung wuchs, wo waren andere Menschen?"

Pastor Kühn ging auch auf die Kinder ein, die die unfassbare Tat miterleben mussten und die zutiefst schockiert sind. "Einige trauen sich nicht mehr raus, bitten darum, dass Türen abgeschlossen werden. Ein Grundgefühl von Sicherheit ist gestört." Und doch gebe es Hoffnung. "Es lohnt sich trotz allem, in das Leben zu vertrauen."