Christiane T. wollte den 36-Jährigen verlassen. René von S. schießt sie, ihren Bruder und einen Nachbarn nieder - dann richtet er sich selbst.

Hamburg. Nur wenige Stufen sind es von der Eingangstür des rot geklinkerten Mehrfamilienhauses auf den Fußweg der Straße Beim Hammer Marktplatz. Christiane T., 34, hatte Umzugskisten heruntergetragen. Mittwochnachmittag sollte der Zeitpunkt sein, die Wohnung, die sie mit ihrem Ex-Freund gemietet hatte, zu verlassen. Ein Mann half ihr. Oder sollte er sie beschützen? Die Polizei hat bestätigt, dass es sich bei ihm um den 30 Jahre alten Bruder von Christiane T. handelt. Es hatte Streit gegeben mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten René von S. Der stand nun an der untersten der Stufen. Er zog eine Pistole, feuerte. Immer wieder. Christiane T. brach zusammen, ihr Begleiter ebenfalls. Ein 28 Jahre alter Nachbar, der, wohl halb im Schock, halb in Todesverachtung, dem Pistolenschützen entgegensprang, erlitt ebenfalls Schussverletzungen. Die Bilanz bis dahin: ein Toter, zwei Schwerverletzte. Als die Polizei eintraf, richtete sich René von S. selbst. Mit einem Schuss in den Kopf vor den Augen der ersten Beamten, die am Tatort eintrafen. Nach ersten Erkenntnissen war Eifersucht der Auslöser des Blutbads von Hamm. Der Täter verfügte über zahlreiche Waffen. Er war Sportschütze.

Es ist eine der folgenreichsten Schießereien der vergangenen Jahre in Hamburg. Und bis gestern Abend waren die Umstände der Bluttat längst noch nicht abschließend durchleuchtet. Wollte René von S. seine Freundin nicht gehen lassen? Wähnte er sein Leben ohne sie ohnehin am Ende? Um 16.20 Uhr eröffnete er das Feuer auf Christiane T. und die beiden Männer. Dass Anwohner ihn beobachteten, dass der getroffene Helfer sich schwer verletzt und panisch wegschleppte, schien ihn nicht mehr zu interessieren. Polizeibeamte sprachen den Mann in der blauen Jeans und beigefarbener Jacke an, der nun zwischen den blutenden Menschen und Umzugskartons am Hammer Marktplatz stand. Er hob seine Pistole und schoss sich in den Kopf.

Das dreigeschossige Haus, in dem das Paar lebte, liegt eingebettet zwischen dem Hammer Park, der Hammer Kirche und einer Kita. Wie viele Jahre René von S. und Christiane T. hier zusammenlebten, war gestern Abend noch unbekannt. Bei den Nachbarn war das Paar nicht als besonders laut, streitbar oder außergewöhnlich aufgefallen. Tatsächlich war es überhaupt nicht aufgefallen.

Nach der Tat standen Anwohner fassungslos an der Polizeiabsperrung. Dass sich in ihrer Nachbarschaft so etwas abgespielt hat, das konnte kaum einer begreifen. Doch das Blut auf dem Asphalt zeugt vom Umfang des Verbrechens. Der 28-Jährige, der zuletzt niedergeschossen worden war, schleppte sich bis zur U-Bahn-Station Hammer Kirche. Zunächst hatten die Polizeibeamten vermutet, dass der Täter die ersten Schüsse dort abgegeben haben müsse. Man vermutete eine Art Amoklauf. Zeugen berichteten, dass der Mann in der beigefarbenen Jacke drei Schusswaffen bei sich getragen habe. Zwischenzeitlich ging die Polizei von einem zweiten Täter aus, der sich möglicherweise in der Kita verschanzt haben solle. Fast zeitgleich fahndeten die Ermittler nach zwei Fahrzeugen, die Zeugen in hoher Geschwindigkeit vom Tatort flüchten sahen. Erst nach und nach stellte sich heraus, dass es sich um eine Beziehungstat handelte, ein Blutbad aus verschmähter Liebe oder Angst vor dem Alleinsein.

Fest steht: In der Wohnung fanden Polizeibeamte später mehrere scharfe Waffen. Ob René von S. die Waffen besitzen und zu Hause aufbewahren durfte, wird noch geprüft. Die verletzten Opfer wurden noch gestern notoperiert. Beide hatten, so Polizeisprecher Mirko Streiber, Bauchschüsse erlitten. Sie sind mittlerweile aber außer Lebensgefahr. Vor Ort kümmerte sich das Kriseninterventionsteam des Roten Kreuzes um Augenzeugen. Auch zwei Kinder aus der Kita neben dem Tatort kamen in die Obhut der Betreuer. Ob sie etwas von der Tat mitbekommen haben, war gestern Abend noch nicht bekannt.

Die Mordkommission versucht nun, sämtliche Hintergründe des Blutbades von Hamm zu erhellen.

Was bleibt, sind zwei Tote, zwei Schwerverletzte - und Umzugskartons auf der Straße.