CDU und Handelskammer rügen die Verbraucherzentrale wegen ihrer Abmahnpraxis. Die Strafen stünden in keinem Verhältnis, mahnen sie.

Hamburg. Auf dem Verkaufstresen von Fahrrad Löwe an der Wandsbeker Chaussee liegt eine schwarze Radlerhose. Inhaber Henry Meyer wirft einen Blick auf das gute Stück und sagt: "Ich soll 2500 Euro Vertragsstrafe an die Verbraucherzentrale bezahlen, weil der Preis von der Radlerhose im Schaufenster abgefallen war." Außerdem wurde noch eine fehlende Preisliste für Fahrradreparaturen im Schaufenster bemängelt: "Die habe ich bei noch keinem Fahrradladen gesehen. Ich führe das Geschäft seit mehr als 26 Jahren, und seitdem gab es deshalb noch keine Beanstandungen." Das sei doch alles purer Wahnsinn.

Mit seiner Wut auf die Verbraucherzentrale ist der Kaufmann nicht alleine: Das Abendblatt hatte bereits gestern von drei weiteren Händlern berichtet, die Vertragsstrafen zwischen 600 und 2000 Euro bezahlen sollen, weil einige Waren im Schaufenster nicht ausgezeichnet waren. Alle Geschäftsleute sind "Wiederholungstäter": Die Verbraucherzentrale hatte die Händler 2009 wegen Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung abgemahnt. Damals unterschrieben die Betroffenen eine Unterlassungserklärung, in der für den Wiederholungsfall auch von der Vertragsstrafe die Rede war.

Unterdessen gibt es scharfe Kritik an dem Verhalten der Verbraucherzentrale aus der Politik und von Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Professor Hans-Jörg Schmidt-Trenz: "Mit diesem Vorgehen schießt die Verbraucherzentrale weit über das Ziel hinaus. Die Vertragsstrafen in vierstelliger Höhe stehen in keinem Verhältnis zu dem Schaden, der durch fehlende Preisauszeichnungen entsteht."

Deshalb habe die Handelskammer die Verbraucherzentrale aufgefordert, ihre Abmahnpraxis im Zusammenhang mit fehlenden Preisangaben zu beenden. Die Handelskammer informiere die Einzelhändler aber natürlich immer wieder darüber, wie Waren richtig ausgezeichnet werden, so Schmidt-Trenz weiter. Deutliche Worte findet CDU-Wirtschaftsexpertin Barbara Ahrons: "Die Verbraucherzentrale darf keinen Kampf gegen die Einzelhändler führen. Natürlich ist Verbraucherschutz wichtig, aber dieser darf nicht als Lizenz zum Gelddrucken missbraucht werden."

Ahrons fordert: "Die Verbraucherzentrale sollte das Gespräch mit dem Handel suchen und nicht mit Abmahnungen oder Vertragsstrafen eine Drohgebärde aufbauen."

Die Verbraucherzentrale Hamburg erhielt für ihre Arbeit in 2010 mehr als 1,1 Millionen Euro. Deshalb sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen: "Es darf nicht sein, dass sich die öffentlich geförderte Verbraucherzentrale als Abmahnverein versteht. Es ist richtig, dass Preise ausgezeichnet werden müssen, aber es gibt sicherlich weitaus wichtigere Themen im Bereich des Verbraucherschutzes."

Ulf Kalkmann, Geschäftsführer des Fachverbandes des Hamburger Einzelhandels, stellt sich die Frage: "Wovor möchte die Verbraucherzentrale die Kunden eigentlich schützen?"

Es sei zwar richtig, dass eine Preisauszeichnung vorgeschrieben ist, aber der Kunde ist heute mündig genug, um diesen auch mal im Geschäft zu erfragen. Für Kalkmann steht fest: "Wenn von einem Einzelhändler 2000 Euro oder mehr wegen ein paar fehlender Preisschilder verlangt werden, ist das völlig unakzeptabel."

Inzwischen zeigt sich Günter Hörmann, Chef der Verbraucherzentrale, verhandlungsbereit: "Ich werde die einzelnen Fälle persönlich prüfen, und wir sind auch bereit, über die Höhe der Vertragsstrafe zu sprechen."