Mit dem Foto aus einer Überwachungskamera sucht die Polizei den Unbekannten. Vor einer Woche war das Mädchen ausgesetzt worden.

St. Pauli. Die Fotos aus der Überwachungskamera sind von bestechender Qualität. Sie sind derart gut, dass unter den Fahndern die Hoffnung sehr groß ist, dass der Mann, der darauf mit einem Koffer zu sehen ist, erkannt wird oder sich stellen wird. Nach Überzeugung der Ermittler ist auf diesen Fotos der Mann zu sehen, der vor genau einer Woche den Koffer mit dem erst einen Tag alten Säugling Marie vor dem Lieferanteneingang des CCH an der Tiergartenstraße abgelegt haben soll.

Die Polizei hatte den Mann mit dem Koffer der Marke Omica bereits in der vergangenen Woche auf den Videoaufzeichnungen des Bahnhofs Dammtor entdeckt. Er verließ den Bahnhof am Dienstag um 15.01 Uhr - zu der Zeit, als auch der Koffer laut Polizeiangaben vor dem CCH abgelegt worden sein muss. Zuvor waren die Ermittler noch davon ausgegangen, dass die Mutter ihr Kind ausgesetzt hatte.

Die Fotos dürfen allerdings erst jetzt veröffentlicht werden. So ist die Polizei gehalten, zunächst intern mit den Bildern zu fahnden. Das bedeutet, dass das Videomaterial an allen Polizeiwachen ausgelegt wird, in der Hoffnung, dass Beamte die gesuchte Person erkennen. Erst wenn das keinen Erfolg hat, kann die Staatsanwaltschaft eine öffentliche Fahndung bei einem Richter beantragen. Dieser hat gestern Nachmittag einen entsprechenden Beschluss gefasst. Hinweise auf den Gesuchten nimmt die Polizei unter der Telefonnummer 428 65 67 89 entgegen. Bis Dienstagmorgen gab es noch keine Hinweise.

Unterdessen haben Familien aus ganz Deutschland und sogar der Schweiz ihr Interesse bekundet, die kleine Marie zu adoptieren. "Unsere Telefone stehen praktisch nicht still", sagt Katja Glahn, Sprecherin des Bezirksamts Nord, dem Sitz der für ganz Hamburg zuständigen Adoptionsvermittlungsstelle. Infrage kommen allerdings nur Interessierte, die sich bereits in die Bewerberliste haben eintragen lassen. "Das Verfahren, um als Adoptiveltern anerkannt zu werden, dauert etwa ein halbes Jahr", erklärt Glahn. Momentan befinden sich 40 Interessenten auf der Liste.

Sie alle haben sich in intensiven Gesprächen und Beratungen als geeignet erwiesen. Voraussetzungen für eine Adoption seien unter anderem, dass bei Paaren ein Partner mindestens 21 Jahre alt ist, Alleinstehende mindestens 25 Jahre. Sie müssen zudem über ein festes Einkommen verfügen. Auch die Gründe für den Adoptionswunsch werden geprüft, etwa ungewollte Kinderlosigkeit.

Im vergangenen Jahr sind in Hamburg zwölf Kinder im Alter von null bis einem Jahr adoptiert worden. Vor zehn Jahren waren es noch 30 Babys. "Das liegt unter anderem daran, dass sich die finanziellen Verhältnisse für Mütter verbessert haben", sagt Katja Glahn. "Außerdem hat sich das Ansehen in der Gesellschaft geändert. Ein Kind wird gerade bei sehr jungen alleinerziehenden Müttern nicht mehr als Schande angesehen." Kinder, die älter als ein Jahr sind, werden in Hamburg nicht mehr zur Adoption freigegeben. Sie kommen in der Regel in Pflegefamilien unter. Das habe sozialpädagogische Gründe. So sei der Kontakt zu den leiblichen Eltern gewünscht. Man will den Kontakt zu ihnen nicht unterbinden, in der Hoffnung, dass die Kinder irgendwann dorthin zurückkehren können.

Eine Adoption wird erst acht Wochen nach der Geburt wirksam. Das Familiengericht hat allerdings verfügt, dass die Adoptivfamilie Marie für den Fall wieder abgeben muss, dass sich die Mutter meldet. Dann würde das Gericht prüfen, ob das Kindeswohl bei der Mutter gewährleistet ist. Wenn das nachgewiesen würde, bekäme die Mutter die Vormundschaft.

Derzeit sucht das zuständige Jugendamt Mitte eine geeignete Familie für Marie. "Es gibt laufend Gespräche mit Interessierten", sagt Bezirksamtssprecher Lars Schmidt. Diese hätten Marie bereits im Altonaer Kinderkrankenhaus besucht. Zwar seien alle Familien, die auf der Bewerberliste der Adoptionsvermittlungsstelle stünden, geeignet. "Aber am Ende entscheidet natürlich auch der persönliche Eindruck der Jugendamtsmitarbeiter", so Schmidt weiter. In wenigen Tagen werde eine Entscheidung erwartet.

Laut Krankenhaussprecher Rainer Süßenguth habe sich Marie gut entwickelt. "Sie hat in einer Woche 150 Gramm zugenommen und wiegt nun 2350 Gramm. Ende der Woche kann sie dann in eine Familie kommen."