Hamburg. Die Staatsanwaltschaft ermittelt im Fall des Findelbabys Marie wegen des Verdachts der Aussetzung. Das Gesetz sieht dafür eine Strafe von bis zu zehn Jahren Haft vor. Ein Strafmaß, das Richter in der Regel nicht aussprechen. In den meisten Fällen sind es Mütter, die ihre Kinder aussetzen. Diese handeln oft in psychischen und sozialen Ausnahmesituationen. Da diese bei einem Urteilsspruch berücksichtigt werden müssen, kommt es meist zu vergleichsweise milden Urteilen.

So verurteilte etwa ein Gericht im Jahr 2001 eine damals 24-Jährige zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Sie hatte ihr Kind in der Wohnung eines Bekannten am Eppendorfer Weg (Eimsbüttel) zur Welt gebracht. Sie steckte das Baby in eine Tasche, stellte es auf den Balkon und reiste nach Spanien. Das Kind starb.

Wenn sich herausstellt, dass tatsächlich der gesuchte Mann das Baby Marie abgelegt hat, erwartet ihn möglicherweise eine härtere Strafe. "Die Schwere der Schuld ist bislang noch völlig unklar", sagt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. "Vielleicht haben die Beteiligten in großer seelischer Notlage gehandelt, vielleicht aber auch nicht. Das wird sich erst herausstellen, wenn wir mit ihnen gesprochen haben."

Die Staatsanwaltschaft untersucht auch, ob ein versuchtes Tötungsdelikt vorliegt. "Es kommt sowohl der Erstickungstod des Säuglings im Koffer in Betracht als auch der Erfrierungstod. Das müssen wir prüfen", sagt Möllers. Am Dienstag vor einer Woche herrschten Temperaturen um den Gefrierpunkt. Nach bisherigen Ermittlungen hat der Koffer rund zwei Stunden im Freien gestanden. Ein Krankenhausarzt sagte nach der Untersuchung des Säuglings, dass Marie womöglich nur noch eine Stunde zu leben gehabt hätte. Im Extremfall drohen bei einer Verurteilung 15 Jahre Haft.