Knochenbrecher-Wetter sorgt für Hochbetrieb in Hamburgs Kliniken. Senatorin wirft jetzt den Bezirken mangelnde Kontrolle der Gehwege vor.

Hamburg. Es war "Knochenbrecherwetter", sagte ein Sprecher der Feuerwehr, die immer wieder zur Hilfe gerufen wurde. Bis zum Abend mussten gestern fast 220 Patienten nach schweren Stürzen in den Hamburger Kliniken behandelt werden. Gegen 4.30 Uhr einsetzender Regen und ein noch kalter Untergrund hatte Gehwege und Parkplätze in der Stadt mit einem tückischen Eispanzer überzogen. Obwohl der Wetterdienst gewarnt hatte, wurden viele Hamburger daher von Blitzeis überrascht: "Ich wollte nur eine Abkürzung über einen Parkplatz nehmen, bin plötzlich einfach ausgerutscht und konnte dann nicht mehr allein aufstehen", sagt Reinhold Balzereit aus Rahlstedt. Der 69-jährige Rentner kam mit einem komplizierten Oberarmbruch ins Krankenhaus Wandsbek.

Auch Oberschenkelbrüche und gebrochene Halswirbel mussten die Chirurgen in den Krankenhäusern immer wieder behandeln, nachdem es zu Unfällen gekommen war. "Die meisten Betroffenen sind auf Gehwegen ausgerutscht", sagt der Sprecher der Asklepios-Kliniken, Matthias Eberenz.

Während die Stadtreinigung schon vorsorglich gegen drei Uhr morgens auf den großen Straßen Feuchtsalz gestreut hatte, waren offenbar etliche Anlieger mit ihrer Streupflicht auf den Fußwegen nachlässig umgegangen. Mancherorts gefror nicht geräumter Schnee zum Eispanzer. Auch gefrierende Nässe auf blankem Pflaster wurde zur gefährlichen Rutschfalle.

Auf den Hamburger Straßen kam es indes meist nur zu Blechschäden, starke Behinderungen gab es im Umland.

Die vereisten Gehwege haben inzwischen sogar zu einem heftigen Disput zwischen Stadtentwicklungsbehörde und den sieben Hamburger Bezirken geführt. Stadtentwicklungssenatorin Herlind Gundelach (CDU) wirft ihnen vor, dass sie nicht hart genug durchgreifen würden. Bereits am 22. Dezember habe sie schriftlich darum gebeten, die Überwachung der Räumpflicht zu verstärken, weil Gehwege von Anliegern weiterhin unzureichend geräumt seien und es zahlreiche Beschwerden gegeben habe. Nun hat sie die Bezirksvertreter zum Rapport bestellt. Am Dienstag sollen sie zu einer Art Eisgipfel in der Behörde erscheinen. Gundelach: "Klipp und klar wurde gesagt, wer für die Kontrollen zuständig ist: die Bezirke." Doch die Überwachung der Räum- und Streupflicht sei dort offensichtlich "immer noch unzureichend".

Tatsächlich haben die sieben Bezirke in diesem Winter 90 Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Streu- und Räumsünder eingeleitet, die bis zu 250 Euro kosten können. In Berlin haben die Behörden indes 5000 Verfahren gegen solche Anlieger auf den Weg gebracht. Die Hamburger Privathaushalte räumten in diesem Winter die Wege besser, heißt es bei den Bezirken zur Begründung dieser höchst unterschiedlichen Zahlen.

Doch nicht nur private Grundeigentümer streuten nicht rechtzeitig. Der GAL-Abgeordnete Cyrus Zahedy etwa stürzte mit seinem Fahrrad an der Kreuzung Feldstraße/Glacischaussee selbst und entdeckte auch vor den Gerichtsgebäuden am Sievekingplatz gefährlich glatte Fußwege. Die Gerichtsverwaltung hatte das städtische Immobilien-Management auf diesen Zustand hingewiesen, doch geschehen ist dort offensichtlich nichts.

Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Nach dem Hamburger Wegegesetz sind die Grundeigentümer - egal ob privat oder städtisch - für die davor liegenden Gehwege zuständig. Bis 8.30 Uhr in der Woche (an Sonntagen bis 9.30 Uhr) muss auf einem etwa eineinhalb Meter breiten Streifen geräumt oder Sand und ähnliche Mittel gestreut sein. Tausalz ist aus Umweltgründen verboten. Stürzt ein Fußgänger, kann er Schmerzensgeld verlangen. "Meist ist bei Glatteisunfällen die Beweislage aber schwierig, und es fehlen Zeugen", sagt der Anwalt Hans-Joachim Eggers.

Tatsächlich gibt es in Hamburg nur sehr selten solche Streitfälle, sagt Heinrich Stüven vom Grundeigentümerverband. Eher schon gebe es jetzt Auseinandersetzungen zwischen Grundeigentümern und den von ihnen beauftragten Räumfirmen. "Den Schnee nur mit Granulat abstreuen reicht eben nicht - das ist kein Räumen wie gesetzlich gefordert."