Trotz Datenschutzpanne, Ärger mit Schülerkonten und Kundenprofilen freut sich Harald Vogelsang über neue Kunden und einen Bauboom.

Hamburg. Die vergangenen Monate waren für Haspa-Chef Harald Vogelsang keine einfachen. Mehrfach stand die Hamburger Sparkasse mit negativen Schlagzeilen in der Presse, musste unter anderem ein Bußgeld von 200.000 Euro wegen Verstößen gegen Datenschutzbestimmungen bezahlen. Dabei sehen die Geschäftszahlen für 2010 glänzend aus, wie Vogelsang im Abendblatt-Interview verrät.

Hamburger Abendblatt: Ende November verhängte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte ein Bußgeld von 200 000 Euro gegen die Haspa, weil Berater, die als Selbstständige für die Haspa tätig waren, Einblick in Kontendaten von Kunden nehmen konnten - ohne deren Einwilligung. Obwohl diese Datenschutzlücke inzwischen geschlossen wurde, bietet man den rund 80 sogenannten mobilen Beratern nun eine Festanstellung an. Warum?

Harald Vogelsang: Wir tun das, weil wir davon ausgehen, dass es in Zukunft noch mehr als heute auf ein ungestörtes Vertrauensverhältnis zwischen einer Bank und ihren Kunden ankommen wird und weil auch der Datenschutz eher noch größere Bedeutung erlangen wird. Entsprechende Rückmeldungen erhalten wir auch aus unserem Kundenkreis.

Es scheint so, als sei einer Ihrer Mitarbeiter unzufrieden: Die Datenschutzlücke wurde ebenso gezielt nach außen getragen wie die Tatsache, dass man im Marketing mit merkwürdigen Kundenprofilen arbeitet. Werden Sie - wie die Bahn oder die Telekom - nach dem Maulwurf in den eigenen Reihen suchen?

Vogelsang: Für uns ist diese Situation sehr ungewohnt und ärgerlich. Aber wir werden garantiert nicht investigativ tätig werden, weil das nichts bringt.

War die Haspa schlecht beraten, ihre Kunden zwecks Verkaufshilfe intern in sieben Kategorien mit Titeln wie Abenteurer oder Genießer einzusortieren?

Vogelsang: In vielen Branchen und auch der Finanzbranche ist es nicht unüblich, mit Kundentypologien zu arbeiten, um Kunden besser betreuen zu können. Wir haben uns in der Abwägung von Nutzen und öffentlicher Wirkung entschlossen, die Kennzeichnung in den Kundendaten nicht mehr zu nutzen und zu löschen. Ich denke, wir haben uns zum Teil auch selbst ungeschickt verhalten, indem wir zuließen, dass missverständliche Formulierungen in Schulungsunterlagen gerieten.

Wie haben die Kunden reagiert, als die Nutzung dieser Praxis bekannt wurde?

Vogelsang: Einige haben uns mitgeteilt, sie empfänden es als unangenehm. Andere sagten uns dagegen, sie wüssten nur gern, wie wir sie eingestuft hätten, und eine Reihe von Kunden hatte damit überhaupt kein Problem. Eines sollte man in diesem Zusammenhang nicht vergessen: Das Wertpapierhandelsgesetz zwingt uns, Kunden nach ihrer Risikoneigung einzustufen, um sie besser beraten zu können.

Nur wenige Tage danach geriet die Haspa erneut in die Schlagzeilen, weil Schüler in einem gemeinsam mit einer Schulleitung verfassten Schreiben dazu aufgefordert werden, ein Schülergirokonto bei der Haspa zu eröffnen.

Vogelsang: Ich gebe zu, in der öffentlichen Wahrnehmung sind einige Dinge nicht so gut angekommen. Dabei stellen wir in zwölf Schulen kostenlos ein 5000 Euro teures Geldkartenterminal zur Verfügung, damit die Kinder und Jugendlichen nicht Bargeld für die Schulverpflegung mit sich herumtragen müssen. Unser Fehler war, nicht ausdrücklich in dem Brief darauf hinzuweisen, dass man auch die Geldkarte jeder anderen Bank nutzen kann.

Müssen Sie sich nicht vorwerfen, diesen Fehler zu spät erkannt zu haben?

Vogelsang: In einer Bank mit 1,4 Millionen Kunden und rund 6000 Mitarbeitern ist es nicht realistisch, dass alle Briefe über den Tisch des Chefs gehen. Wir haben als Konsequenz vereinbart, dass alle verantwortlichen Mitarbeiter künftig noch stärker darauf achten, wie bestimmte Vorgänge oder Formulierungen nach außen wirken könnten.

Die Haspa hatte bis zur Finanzkrise rund 3700 Kunden Zertifikate von Lehman Brothers verkauft, die dann praktisch wertlos wurden. Wie ist der aktuelle Stand in der Auseinandersetzung mit den betroffenen Kunden?

Vogelsang: Wir sind bereits im Februar 2009 mehr als 1000 Kunden entgegengekommen. In vier Fällen sind Klagen von Anlegern gegen die Haspa in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht abgewiesen worden.

Wie ist das Jahr 2010 ansonsten für die Haspa verlaufen?

Vogelsang: Zunächst einmal haben wir rund 78 000 neue Kunden gewonnen, unter Berücksichtigung von Abgängen sind unter dem Strich etwa 26 000 hinzugekommen. Die Zahl der Firmenkunden stieg um netto mehr als 1000. Herausragend waren die Zuwachsraten in der privaten Baufinanzierung, hier wird 2010 für uns ein neues Rekordjahr sein. Bis Ende Dezember dürften 19 000 Verträge geschlossen worden sein, im bereits sehr guten Vorjahr waren es 16 600. Dieser Boom hat im Sommer sogar zu Bearbeitungsrückstaus geführt.

Steht hinter dem großen Interesse an Häusern und Wohnungen auch die Angst vor Inflation?

Vogelsang: Dieser Faktor spielt tatsächlich bei vielen Immobilienkäufen eine Rolle, aber bei solchen Käufen ist der Finanzierungsanteil in der Regel eher gering. Mit Abstand die meisten Kunden wollen das niedrige Zinsniveau nutzen. Darüber hinaus vergeben wir immer häufiger Kredite für die energetische Gebäudesanierung.

Kaufen die Haspa-Kunden verstärkt Goldmünzen und -barren?

Vogelsang: Ja, die Nachfrage liegt ungebrochen auf hohem Niveau. Ich halte es allerdings nicht für sinnvoll, einseitig in Gold zu investieren. Mich betrübt es, dass zu viele Deutsche auf Gold oder spekulativ auf Immobilien setzen und zu wenige auf Aktien. Sie sind wichtig für die Altersvorsorge und bieten schließlich auch einen Inflationsschutz. Großanleger haben die Chancen der Aktie erkannt, Privatinvestoren aber nur vereinzelt - es ist zu befürchten, dass sie wieder zu spät einsteigen.

Wo sehen Sie den Deutschen Aktienindex (DAX) im kommenden Jahr?

Vogelsang: Wir gehen davon aus, dass er Ende des nächsten Jahres zwischen 7500 und 8000 Punkte erreicht hat.

Wie ist die Perspektive für Hamburgs Wirtschaft?

Vogelsang: Im Moment scheint überall Jubelstimmung zu herrschen, und das Weihnachtsgeschäft verläuft ja auch exorbitant gut. Wir gehen davon aus, dass die Unternehmenskonjunktur weiter auf gutem Niveau bleibt. Ein großer Unsicherheitsfaktor sind aber die Folgen der hohen Staatsverschuldung.

Sehen Sie den Euro in Gefahr?

Vogelsang: Ich halte ihn nicht für ernsthaft gefährdet. Aber die Staaten müssen ihre Hausaufgaben machen, und die sind immens.

Wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Stabilität der Gemeinschaftswährung auch in den nächsten Jahren Ihrer Meinung nach sichern?

Vogelsang: Die EZB wird sich wirtschaftlichen Zwängen nicht entziehen können. Ich hielte es aber auch nicht für schockierend, wenn wir in einigen Jahren in Deutschland Inflationsraten von fünf oder sechs Prozent sähen - wir hatten auch schon höhere. Zunächst werden sich bei einer gemäßigten Inflation alle wohlfühlen: Die Unternehmen können die Preise anheben, die Arbeitnehmer erhalten höhere Löhne und Gehälter. Für Sparer wären derartige Inflationsraten aber natürlich keine gute Nachricht.

Noch einmal zurück zur Haspa: Werden im nächsten Jahr Filialen geschlossen oder neue hinzukommen?

Vogelsang: Wir werden eine oder zwei Filialen neu eröffnen. Da, wo Hamburg wächst, wollen wir mitwachsen.