Unterwegs in Hamburg mit einem von 120 Streuwagen der Stadtreinigung. Für eine Strecke von 58 Kilometern braucht der Fahrer vier Stunden.

Hamburg. Gleich kommt der Bürgermeister. Ein Verwaltungsmitarbeiter füllt Kaffee in eine Thermoskanne und stellt sie neben einen Teller mit Lebkuchen und Weihnachtskeksen auf den Tisch in der Kantine der Stadtreinigung am Bullerdeich in Hammerbrook. Um 6 Uhr wird Christoph Ahlhaus (CDU) hier Platz nehmen. Heiko Sturm, einer von 120 bereits wartenden Streuwagenfahrern, sitzt schon am Bürgermeister-Tisch und blickt mit seinen blauen Augen erwartungsvoll in die Kollegenschar. Es ist der Tag der angekündigten Schneekatastrophe.

Meteorologen haben von bis zu 15 Zentimeter Schnee gesprochen. Und deshalb hat der Pieper von Heiko Sturm an diesem Donnerstag bereits um kurz nach 3 Uhr Alarm geschlagen - wie bei all seinen Kollegen. Das Zeichen zum Ausrücken. Der 39-jährige Familienvater aus Reinbek ist in den Wintermonaten in Dauerbereitschaft. Ahlhaus auch. Es ist Wahlkampfzeit. Doch der Bürgermeister betont, dass sein Besuch damit nichts zu tun habe. "Es ist Tagesgeschäft, mich zu informieren." Er dankt den Mitarbeitern der Stadtreinigung für ihre Arbeit und wünscht eine unfallfreie Fahrt. Sturm teilt ihm mit, dass ihm die Falschparker in engen Straßen zu schaffen machen. Ahlhaus nickt verständnisvoll. Der Wetterradar zeigt Regen statt Schnee vor Hamburg an.

Und dennoch werden nun alle 120 Räumfahrzeuge auf die Straßen geschickt. "Prophylaktisches Streuen", lautet die Ansage. Um 7.40 Uhr sitzt dann auch Sturm auf seinem "Bock". Er fährt heute den Wagen mit der Nummer L0434. An Bord sechs Tonnen Salz, welches mit Salzlauge vermischt wird, damit die Körner nicht wirkungslos an den Rand des Asphalts fliegen. Es geht in Richtung Innenstadt.

Sturm nimmt nun eine 58 Kilometer lange Strecke in Angriff. Aber nur 32 Kilometer davon wird er mit dem Salzgemisch bearbeiten. Die Differenz kommt zustande, weil Sturm einige Streckenabschnitte häufiger anfahren muss. Und diese werden nur einmal gestreut. Kein Salz soll vergeudet werden. "Um einen Rechtsabbieger von 50 Metern zu streuen, muss man manchmal einen fünf Kilometer langen Umweg in Kauf nehmen", erklärt Sturm. Die Lkws können eben nicht überall wenden. Geeignete Stellen liegen oft weit auseinander. Es beginnt zu schneien.

"Entsorger", so lautet die korrekte Bezeichnung für den Job, den Heiko Sturm macht. "Früher hieß das Straßenfeger", sagt der gelernte Bäcker. Früh aufzustehen ist also normal für ihn. Vor 19 Jahren hat er umgesattelt, weil bei der Stadtreinigung gutes Geld zu verdienen war. Im Sommer sitzt er auf einer der riesigen Kehrmaschinen, mit dem Drehbesen auf der rechten Seite und dem gigantischen Staubsauger. Im Herbst beseitigt er Laub. Und in der kalten Jahreszeit muss er täglich damit rechnen, aus dem Schlaf gerissen zu werden. Diese Ungewissheit und nicht planen zu können, das nerve schon einmal. Dafür könne man die Überstunden aber im Sommer abbummeln. "Dann bin ich für die Familie da", sagt der Vater einer 13 Jahre alten Tochter, "aber im Winter für die Firma."

Seine Streustrecke führt Sturm über die Spaldingstraße, Willy-Brandt-Straße bis zum Michel. Dann fährt er in die HafenCity, die Speicherstadt und anschließend quer rüber zum Rathausmarkt und sorgt schließlich auch an der Mönckebergstraße für besseren Grip. Dort, wo er bereits vorbeigefahren ist, leuchtet der dunkle Asphalt. "Das hab ich gemacht", sagt Sturm. Am Nachmittag wird der Schneefall stärker. Endlich kommt der Schneepflug zum Einsatz. Einige Kollegen würden den Hartgummi-Aufsatz schonender einsetzen. Doch Sturm will die perfekte Straße. "Da, wo ich langfahre, wird sie schwarz." Nicht schnee- oder eisfrei, sondern asphalt-schwarz. Das ist Sturms Anspruch.

Nach gut vier Stunden ist er mit seinem ersten Durchgang fertig. In der Kantine genehmigt er sich ein Schnitzel mit Bartkartoffeln. Dann befüllt er seinen Wagen wieder mit Salz. Rund drei Tonnen hat er auf den Straßen verteilt. Er wird erst am Abend nach Hause kommen. Und am nächsten Morgen beginnt um 6 Uhr die nächste Schicht.

Kurz vor Feierabend kommt Sturm auf die Politik zu sprechen. Dass jetzt noch sorgsamer gestreut werde, habe nichts mit Wahlkampf zu tun. Das liege an den Erfahrungen aus dem vergangenen Winter. "Aber dass Herr Ahlhaus da war, das war reiner Wahlkampf. Ich hab hier in 19 Jahren nicht einmal einen Bürgermeister gesehen."