Der Airbus A321 konnte wegen des Wetters nicht in Hamburg landen. Als der Sprit knapper wurde, fürchteten manche Passagiere um ihr Leben.

Hamburg. Es müssen dramatische Minuten gewesen sein, die die 189 Passagiere des Air-Berlin-Fluges AB 9333 am Sonntagmorgen erlebt haben. Gegen 6.30 Uhr soll die Maschine aus Palma de Mallorca mit einer Verspätung von fast acht Stunden am Flughafen Hamburg landen. Draußen ist es trübe, es schneit. Der Pilot setzt zur Landung an. Die Fluggäste können schon schemenhaft die Lichter und Häuser der Stadt erkennen. Endlich, nachdem sie wegen des Fluglotsenstreiks in Spanien stundenlang auf der Ferieninsel warten mussten. Entnervt sitzen auch Aida-Kreuzfahrtpassagiere im Flugzeug, die durch Sturmtage im Mittelmeer noch länger hatten warten müssen. Doch plötzlich startet die Maschine wieder durch und der Airbus 321 zieht gen Himmel. "Es war ein Schreckmoment", sagt Knut Terjung, langjähriger Leiter des ZDF-Landesstudios Hamburg. Er war mit seiner Ehefrau in der Maschine, die nicht landen durfte, weil die Piste verschneit war.

"Todesängste" auf Flug AB 9333 nach Hamburg

"Wir schütteln hier im Cockpit nur den Kopf, es ist nicht zu fassen, was sich dort unten abspielt", habe der Pilot mitgeteilt. "Nach ein paar Minuten meldete er sich wieder und sagte, dass er keine guten Nachrichten habe", sagt Terjung. Der Sprit reiche nur noch für 30 Minuten, das Räumen der Landebahn dauere jedoch 45 Minuten. Als nur noch für 15 Minuten Treibstoff vorhanden gewesen sei, habe der Pilot beschlossen, Hannover anzusteuern. Terjung: "Es herrschte bedrückende Stille. Es war gespenstisch." Er und andere hätten Todesangst ausstehen müssen.

Was war geschehen? Der Flughafen Hamburg weist jegliche Schuld von sich. "Jeder Pilot ist dafür verantwortlich, ausreichend Sprit an Bord zu haben", sagt Flughafen-Sprecherin Stefanie Harder. Es habe am Sonntag zwischen 6 und 7 Uhr heftig geschneit. "Der Pilot musste wissen, welche Wetterverhältnisse ihn in Hamburg erwarten und dass er womöglich nicht sofort landen kann." Für derartige Fälle müsste das Flugzeug Spritreserven haben. Ein Messfahrzeug habe die Landebahn untersucht und festgestellt, dass diese durch den Schneefall viel zu rutschig für eine Landung gewesen sei. Deshalb sollte die Landebahn ein weiteres Mal geräumt werden. "Es gab daher die Empfehlung an den Piloten, Warteschleifen zu fliegen", so Harder. Bei starken Schneefällen könne die Piste nicht durchgehend freigeräumt sein. Daher komme es zu Wartezeiten.

Über den Air-Berlin-Flug ist bei der Deutschen Flugsicherung unterdessen lediglich bekannt, dass dieser in Hannover und nicht in Hamburg gelandet sei. Ein Notfall wegen Spritknappheit ist offenbar nicht an die Tower in Hamburg und Hannover gemeldet worden. "Davon ist uns nichts bekannt", sagt Ute Otterbein, Sprecherin der Deutschen Flugsicherung. Unplanmäßige Ereignisse, etwa ein derartiger Notruf, würden in den Towern protokolliert.

Auch Air Berlin versichert, dass keine Notlage vorgelegen habe. Der Pilot habe sich absolut nach den gesetzlichen Vorgaben gerichtet, sagt Unternehmenssprecherin Sabine Teller. Nach etwa 40 Minuten Wartezeit sei er verpflichtet, einen Ausweichflughafen anzufliegen. Und dafür sei auch ausreichend Treibstoff an Bord gewesen. Zwar sei es ungewöhnlich, dass eine halbe Stunde nach Flughafenöffnung die Landebahn noch nicht frei sei. "Aber das ist eine Sicherheitsentscheidung des Flughafens", sagt die Air-Berlin-Sprecherin. Dass im Winterflugbetrieb Ausweichflughäfen angeflogen werden, sei eben durchaus üblich und komme immer mal wieder vor. Sabine Teller: "Man kann aber verstehen, dass angesichts der Gesamtsituation viele Passagiere emotional sehr mitgenommen waren."

Das zeigte sich dann in Hannover, wo der Flug AB 9333 dann endlich gegen 7.30 Uhr deutschen Boden erreichen durfte. Fluggäste weigerten sich schlicht, mit der Maschine nach Hamburg zurückzufliegen, wollten aussteigen. "Das gab richtig eine Panik", sagt Iren Fischer, die mit ihrem sechsjährigen Sohn Sturm-Kreuzfahrt und Fluglotsenstreik durchgemacht hatte und noch bis Usedom musste.

Mit an Bord war auch Ludwig Görtz, Gründer und Mitinhaber der Hamburger Schuhhandelskette Görtz. "Es ist skandalös, dass der Hamburger Flughafen nicht auf die Landung vorbereitet war", empört sich der 76-jährige Schuhkönig, der auf Mallorca eine Woche Urlaub verbracht hatte. "Wieso ist Hannover in der Lage, seine Pisten zu präparieren und warum schafft Hamburg das nicht?" Für eine Stadt, die sich Weltstadt nenne, und einen Flughafen, der sich damit rühme, immer mehr Passagiere abzufertigen, sei das ein Armutszeugnis. "Dass die Maschine kurz vor der Landung wieder durchstarten musste, liegt an der Nachlässigkeit des Hamburger Flughafens", meint Görtz. Als die Durchsage kam, der Sprit reiche nur noch für 20 Minuten, sei er "beunruhigt" gewesen. "Ich dachte nur: Jetzt müssen wir endlich runter." Schuldzuweisungen will Knut Terjung nicht machen. "Ich kann nur schildern, was ich erlebt habe", sagt der 70-jährige Familienvater. "Und das war ein Horrortrip."