Rip Dealer versuchen ihren Opfern trickreich hohe Summen zu stehlen. Ein Hamburger Unternehmer, der Investoren suchte, hat es selbst erlebt.

Hamburg. Mailand, 12 Uhr, die Frisur sitzt. Das Auftreten beider Herren ist makellos. Maßanzüge, teure Armbanduhren, Aktentaschen aus Leder. Zuvorkommend, fast freundschaftlich erklären sie dem Hamburger Unternehmer Andreas von Froreich das Geschäft. Sie wollen eine Million Euro in Froreichs Firma, eine Cola-Produktion, investieren. Der Kontakt ist über ein Internetportal entstanden - im digitalen Zeitalter eine gängige Methode, um Finanzinvestoren zu finden.

Ihr Vorschlag ist allerdings weniger gängig: Froreich soll Schwarzgeld in Schweizer Franken im Wert von 300 000 Euro erhalten, im Gegenzug einen Geldkoffer mit 220 000 Euro in bar mitbringen. Die Differenz von 80 000 Euro soll Froreichs Sicherheit sein, der Rest der Million eine Woche später per Überweisung kommen. Klingt zu gut, um wahr zu sein.

Ist es mit größter Wahrscheinlichkeit auch nicht. Trotzdem fallen jedes Jahr Hunderte Deutsche auf solche Betrugsversuche herein. Jeden Monat werden im Schnitt 25 Fälle angezeigt, Tendenz steigend. "Durch die Präsenz und Anonymität des Internets häufen sich die Fälle", heißt es bei der Hamburger Polizei. Europaweit betragen die Schäden durch sogenannte Rip Deals ("Entreiß-Geschäfte") nach Schätzungen bis zu 100 Millionen Euro jährlich. Die Polizei geht davon aus, dass die Dunkelziffer zehnmal so hoch ist, sich viele Geschädigte aber nicht wehren. Aus Scham, dass sie als gebildete Menschen auf plumpe Tricks hereingefallen sind. Aus Wut auf sich selbst, weil die Gier - oder die Verzweiflung - die Vernunft ausgeschaltet hat.

Der Hamburger Andreas von Froreich, 48, ist weder gierig noch verzweifelt. Er braucht aber eine Million Euro, um seine Getränkemarke Cola Rebell zu etablieren. 200 000 Euro hat er schon investiert, in die jahrelange Entwicklung der Cola, in die Produktion, in Marketing und Vertrieb. "An eine Bank bin ich gar nicht erst herangetreten", sagt Froreich, ein jungenhafter, aufgeschlossener Marketingprofi aus Fuhlsbüttel. "Dafür gibt es Risikoinvestoren - man muss nur den Richtigen finden."

Der angebliche Investor gab sich als Sohn eines US-Juweliers aus

Das ist eine Herausforderung. Denn ob die zahlreichen potenziellen Kapitalgeber in Portalen wie Angelinvestmentnetz.de oder Förderland.de seriös sind, muss der Kreditnehmer selbst herausfinden. Viele der 20 Interessenten, die sich bei Froreich melden, sind offensichtlich dubios: Einer will einen Investor vermitteln - nach Zahlung von 20 000 Euro. Einer lädt ihn nach Dubai ein, ein anderer auf eine Yacht vor Venedig. Der Nächste schlägt eine Reise nach Mailand vor.

Hier wird Froreich neugierig. Der Interessent gibt sich als Sohn des US-Juweliers H. Stern aus, dessen Kette Hollywood-Stars wie Angelina Jolie mit Schmuck ausstattet. Er wolle in innovative deutsche Unternehmen investieren und habe von der Marke Cola Rebell gehört, schmeichelt er am Telefon in fast perfektem Deutsch. Die Bedingungen will der Anrufer noch nicht mitteilen, er besteht auf einem Treffen in Mailand.

Das ist typisch. "Mailand ist das Eldorado der Rip Dealer", sagt Lothar Butzen, Leiter der Polizei Koblenz. "In Deutschland ist der Tatbestand des Betrugs enger gefasst, und auch die Zusammenarbeit mit der italienischen Justiz ist sehr schwierig." Zudem werden die Täter fast nie gefasst.

Eines der Opfer wurde jüngst in Mailand mit dem Auto mitgeschleift

Nicht nur der Ort, auch die Methoden variieren meist nur in Details: Die Opfer sind Menschen, die dringend Geld brauchen oder etwas verkaufen wollen. Eine Yacht, Häuser, Turnierpferde - Hauptsache, es geht um hohe Summen. Die Betrüger machen ein so unwiderstehliches Angebot, dass sich das Opfer auf eine Reise mit Bargeld ins Ausland einlässt. Mal soll Schwarzgeld eingetauscht, mal eine Anzahlung geleistet werden. Oder dem Opfer wird in einem Ablenkungsmanöver Falschgeld untergejubelt. Im Extremfall wird auch jemand 200 Meter mit dem Auto mitgeschleift, wenn er seinen Geldkoffer nicht loslassen will. Letzteres ist jüngst bei einem Fall geschehen, in dem Butzen ermittelt. "Wenn man einmal mit Geld ins Ausland unterwegs ist, wird es unglaublich schwer, den Fängen der Täter zu entkommen", warnt er.

Einen Geldkoffer hat Andreas von Froreich nicht mit nach Mailand genommen. Er kennt die Geschichten über Rip Deals und betrachtet die Reise als Wochenendausflug mit einer Prise Abenteuer. "Da war eine gewisse Neugier im Spiel", sagt er. Je länger die Posse andauert, desto mehr beeindruckt ihn das raffinierte Manöver. "Die haben einen Riesenaufwand betrieben, um mir Seriosität vorzuspielen", erzählt Froreich. "Einfach unglaublich, mit welch psychologischer Raffinesse selbst intelligente Menschen manipuliert werden!" Dazu gehört die Taktik, nur Informationen herauszugeben, die schwer nachzuprüfen sind. Immer wieder anzubieten, Ausweispapiere vorzuzeigen, es aber nie tun. Oder Ort und Zeit des Treffens ständig zu verschieben. "So kann man sich kaum darauf vorbereiten, was auf einen zukommt - man gibt das Zepter aus der Hand und merkt es nicht einmal", sagt Froreich.

Ein Blick in den Tresor soll die einzige Referenz sein

Zur Verabredung in einem Mailänder Café erscheint er zu früh. Er beobachtet zwei geschniegelte Männer, die auf ein älteres deutsches Ehepaar einreden. "Die Frau machte sich Notizen in einem Heftchen, der Mann nickte nur", erinnert sich Froreich. Kurze Zeit später sitzt er selbst mit den Männern zusammen. Für seine Cola-Produktion interessieren sie sich kaum, erläutern aber wortreich die Geldübergabe. Froreichs Argument, er wolle ungern mit 220 000 Euro ins Ausland reisen, umgeht der angebliche Investor ebenso wie die Frage nach Referenzen. "Niemand außer mir weiß, dass Sie mit so viel Geld herumlaufen", argumentiert er. Und bietet Froreich einen Blick in seinen Tresor an. "Dann werden Sie sehen, dass ich es nicht nötig habe, Sie um läppische 220 000 Euro zu betrügen."

Ermittler schätzen, dass auf einen vollendeten Rip Deal rund 150 erfolglose Anbahnungsversuche kommen. Andreas von Froreich zählt zur letzten Kategorie. "Dass die Abwicklung der Geldübergabe den angeblichen Investoren viel wichtiger war als mein Geschäftsmodell, war nur eines von vielen Alarmzeichen", sagt er. Sämtliche weitere Anrufe und Einladungen ins Ausland hat er höflich abgeblockt.