Eine Abendblatt-Umfrage zeigt die positive Stimmung in vielen Branchen. Der Flughafen Hamburg meldete vor wenigen Tagen einen Rekord.

Berlin/Hamburg. Es ist ein bestens eingeübtes Ritual: Jedes Jahr im Herbst liefern die fünf "Wirtschaftsweisen" ihren Konjunkturbericht persönlich im Kanzleramt ab. Der komplette Text, der außer Konjunkturprognosen auch wirtschaftspolitische Empfehlungen enthält, umfasste früher schon einmal bis zu 1000 Seiten, bis man die Experten anhielt, sich kürzer zu fassen.

In diesem Jahr transportiert das mehr als 400 Seiten starke Gutachten der fünf Professoren - neben dem Vorsitzenden des Sachverständigenrats, Wolfgang Franz aus Mannheim, sind dies Beatrice Weder di Mauro (Mainz), Wolfgang Wiegard (Regensburg), Peter Bofinger (Würzburg) und der Präsident des Essener Forschungsinstituts RWI, Christoph Schmidt - eine ermutigende Botschaft: Der Aufschwung hält an, die Zahl der Arbeitslosen sinkt weiter.

Beides gilt grundsätzlich auch für Hamburg. Im Vergleich zur deutschlandweiten Wachstumszahl dürfte die Hansestadt in diesem Jahr allerdings etwas schlechter abschneiden, sagt Michael Bräuninger, Konjunkturchef des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI): "In Baden-Württemberg und Bayern wirkt sich der Aufschwung überdurchschnittlich kräftig aus, weil dort die Wirtschaft besonders stark von einer sehr exportorientierten Industrie geprägt wird."

Im kommenden Jahr jedoch werde Hamburg über den Handel in vollem Umfang von dem bereits wieder kräftigen Wachstum in Asien profitieren und damit voraussichtlich etwas stärker zulegen als das übrige Bundesgebiet.

Das Abendblatt fragte nach, wie es in wichtigen Branchen der Hansestadt steht und was sie für 2011 erwarten.

Hamburgs Hafen hat die Krise zwar noch nicht überwunden, wächst aber derzeit im Containerumschlag um elf Prozent. Allerdings dürfte, nachdem 2009 nur rund sieben Millionen Standardcontainer (TEU) verladen wurden, in diesem Jahr die Marke von acht Millionen TEU noch nicht erreicht werden.

Zum Vergleich: 2008 lag Hamburg noch bei knapp zehn Millionen TEU. Die sich festigende Konjunktur dürfte die Schifffahrt nun in ruhigere See bringen. Allerdings werden im vierten und im folgenden ersten Quartal traditionell weniger Container verladen als im Sommer. Solange die Konjunktur in China nicht einbricht, wird sich bei Häfen und Schifffahrt der Aufwärtstrend stabilisieren, erwarten Experten. Das Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik rechnet für 2010 mit einem weltweiten Transportplus von zwölf Prozent. 2011 sollen es mindestens acht bis zehn Prozent sein.

Die Luftfahrtbranche ist klar auf Erholungskurs: Airbus peilt an, den Produktionsrekord des Vorjahres von 498 ausgelieferten Jets mindestens einzustellen. Bei den Aufträgen ist das Jahresziel von mehr als 400 Fliegern (vor Abzug von Stornierungen) schon jetzt mehr als erfüllt - 421 waren es bis Ende Oktober. Im gesamten Vorjahr gingen lediglich 310 Bestellungen ein. Einen neuen Rekord meldete vor wenigen Tagen der Flughafen Hamburg: In den ersten zehn Monaten stieg die Anzahl der Fluggäste um 6,2 Prozent auf rund elf Millionen, dabei war der Oktober 2010 der beste Monat in der fast 100-jährigen Geschichte des Flughafens.

Lufthansa Technik allerdings spürt Branchenkrisen stets erst mit Verzögerung. Im bisherigen Jahresverlauf liegt der Umsatz nach Angaben des Unternehmens dennoch nur leicht unter dem vergleichbaren Vorjahresniveau, für 2011 erwartet man eine Belebung.

Hamburgs Maschinenbauer blicken nach einem satten Auftragsplus von 32 Prozent im September weiter optimistisch in die Zukunft. "Die Unternehmen profitieren stark von der anziehenden Nachfrage aus Asien und insbesondere aus China", sagt der Geschäftsführer des Branchenverbands VDMA Nord, Jörg Mutschler. Bundesweit geht der Verband für 2011 von einer Produktionssteigerung von rund acht Prozent aus. Zuletzt hatten unter anderem Hamburgs Gabelstaplerbauer Still und Jungheinrich die Kurzarbeit aufgrund der besseren Auftragslage beendet.

Die IT-Branche gehört zu den starken Wachstumsmotoren in Hamburg. Durch das Vordringen des Internets in alle Lebensbereiche steigt die Zahl der Stellen in diesem Jahr um drei bis fünf Prozent auf mehr als 45 000 Beschäftigte, wie das Branchennetzwerk Hamburg @Work schätzt. Das könnte sich noch steigern, denn momentan stehen die Zeichen klar auf Aufbruch: "Hamburg ist ganz eindeutig die deutsche IT-Hauptstadt, vor allem in der Internetwirtschaft", sagt Dierk Ladendorff von Hamburg@Work dem Abendblatt. "Besonders stark wachsen Firmen in den Bereichen E-Commerce, Spiele und Online-Marketing." Viele Unternehmen hindert nur der Fachkräftemangel an noch besseren Geschäften: Insgesamt seien in der Branche derzeit bis zu 2000 Stellen unbesetzt.

Im Einzelhandel ist der Aufschwung mittlerweile auch angekommen, in Hamburgs Einkaufszentren, Warenhäusern und Supermärkten. "Angesichts der sicheren Wirtschaftslage und sinkender Arbeitslosenzahlen sitzt das Geld bei den Konsumenten wieder locker", sagt der Sprecher des Landesverbands des Hamburger Einzelhandels, Ulf Kalkmann. "Wir rechnen daher mit einem nominalen Umsatzplus von rund drei Prozent in diesem Jahr." Damit würden sich Einkaufszentren, Warenhäuser und Supermärkte in der Hansestadt deutlich besser als auf Bundesebene entwickeln. "Besonders Bekleidung, Technikartikel wie Smartphones und Spielwaren sind derzeit gefragt", so Kalkmann.