Veronica Ferres im Abendblatt über ihre aktuelle Kino-Komödie “Das Leben ist zu lang“, guten Humor, Matthäus und über ihr wahres Ich.

Sie sieht wirklich ein bisschen blass aus, als sie durch die Tür kommt, ihre Nacht war kurz und der Flug - da winkt sie gleich ab. La Ferres - lange Beine in einer engen schwarzen Lederhose - braucht Kaffee. Dann ist sie da. Ein Superweib eben.

Abendblatt:

Frau Ferres, wann haben Sie das letzte Mal so richtig laut gelacht?

Veronica Ferres:

Eben im Flugzeug. Das war der schlimmste Flug meines Lebens, ganz im Ernst. Wir mussten durch ein Unwetter fliegen, ich habe ja ohnehin riesige Flugangst. Und dann, ganz plötzlich, musste ich lachen. Weil ich dachte: Jetzt muss ich mir wenigstens keine Gedanken über Feuer- oder Erdbestattung mehr machen, das erledigt offenbar der liebe Gott für mich.

Mit Humor geht alles leichter?

Humor ist eine Lebenseinstellung. Entweder man hat ihn oder man hat ihn nicht.

Haben Sie denn Humor?

Ich glaube schon.

Sie sind Blondine.

Ja, soll ich Ihnen meinen Lieblingsblondinenwitz erzählen?

Unbedingt.

Was ist eine Blondine mitten auf dem Fußballfeld?

Ja?

Ein Freistoß.

"Sie haben mir die blondesten Fragen beantwortet"

Apropos. Haben Sie in den letzten Wochen wie so viele Menschen über Lothar Matthäus gelacht?

Nein. Es hat mich traurig gemacht. Dieses Pech, an eine Frau zu geraten, die seinen Ruhm, seine Kontakte, seine Präsenz so missbraucht ... Das alles hatte etwas sehr Tragisches. Er ist ja doch einer der besten Fußballer dieses Landes, doch auf eine ganz merkwürdige Weise wird dieses Verdienst in den Köpfen der Menschen immer unwichtiger. Es zählt nur noch die Privatperson Lothar Matthäus. Nein. Ich habe nicht gelacht, als ich die Geschichten über ihn gelesen habe. Im Gegenteil. Es hat mich traurig gemacht. Weil da einer, der doch auch nur geliebt werden will, zeitweise nicht mehr ernst genommen wird.

Nehmen Sie sich selbst denn ernst?

Ich nehme mich sicherlich ernst, mit meiner Leidenschaft für die Schauspielerei, mit meinen Lebenswünschen und Moralvorstellungen. Aber genau genommen kann man sich selbst doch nur ernst nehmen, wenn man Humor hat. Weil Humor eben auch Abstand bedeutet, eine gewisse Distanz zu sich selbst. Deshalb denke ich: Nur wer sich selbst ernst nimmt, kann auch über sich lachen.

Mit welchem Humor sind Sie groß geworden?

Ich komme aus einer Solinger Bauernfamilie, da wurde viel über Bauernwitze gelacht. Der dümmste Bauer hat die größten Kartoffeln, solche Sachen. Es wurde über die einfachen Dinge gelacht.

Ist Bauernhumor wie Kinderhumor?

Ein bisschen, ja. Kinderhumor ist einfach wunderbar. Kinderhumor ist für mich, wenn mich meine Tochter vor der Premiere von Dani Levys neuem Film anruft, weil sie gerade den Titel auf einem Plakat gesehen hat: " Das Leben ist zu lang ". Und dann sagt: "Mama, sag dem Regisseur bitte einen schönen Gruß von mir, dieser Titel ist totaler Quatsch. Das Leben ist gar nicht zu lang, sag ihm das bitte."

Und?

Natürlich hat er gelacht.

Es heißt ja immer, bei dramatischen Themen ginge es am Set besonders ausgelassen zu.

Ja, dann lachen wir in den Drehpausen am meisten und machen Witze, weil man sonst die Schwere nicht ertragen könnte. Und bei komischen Stoffen wie Dani Levys Film herrscht eine ernstere Stimmung. Denn für Komödien braucht man eine enorme Präzision für Technik, Rhythmus und Timing, das verlangt höchste Konzentration. Damit die Pointe auch wirklich genau sitzt. Beim Drama kann man mehr aus der eigenen Gefühlswelt schöpfen. Deshalb ist - zumindest für mich - ein Drama hundertmal leichter zu spielen als eine Komödie.

Sie sind in den 90ern mit Komödien wie "Das Superweib" und "Schtonk" berühmt geworden, haben dann vor allem in Dramen gespielt. Warum?

Ich bin ja in den 90ern bei Helmut Dietl und Dieter Wedel durch die härteste komödiantische Schule gegangen, die man sich denken kann. Und habe dann irgendwann angefangen, Charakterrollen zu spielen, um mir selbst etwas zu beweisen. Darüber bin ich heute hinweg. Ich weiß, ich kann alles spielen: die größten Tragödien und die leichteste Komödie. Und das ist ein tolles Gefühl, mir nichts mehr beweisen zu müssen. Jetzt hüpfe ich von hier nach da und schaue, worauf ich Lust habe.

Hatten Sie anfangs Angst, das vielleicht nicht zu können - das Ernste, Schlimme, Getragene?

Ich habe jeden Tag Angst, es nicht zu können. Oder besser: Ich habe Lampenfieber. Angst kann negativ sein und lähmend. Ich denke jeden Tag immer noch: Die besetzen mich um. Und ich arbeite darauf hin, jede Sekunde vor der Kamera das Beste zu geben. Ich weiß, dass nichts umsonst ist - schon gar nicht, wenn man unter solch einer Beobachtung steht wie ich.

Hat Ihnen denn in der Zeit, als Sie die großen Charakterrollen spielten, das Komische gefehlt?

Nicht sofort, aber irgendwann schon. Vor etwa drei Jahren hat es angefangen, dass ich mich mal wieder nach einer komödiantischen Rolle gesehnt habe. Über "Die wilden Hühner" habe ich den Weg dann zurückgefunden. Als mir Dani Levy dann die Rolle der koksenden, männerfressenden Natascha aus Russland angeboten hat, wusste ich sofort: Das will ich machen. So eine Komödie auf die Leinwand zu bringen, das können nur eine Handvoll Regisseure in Deutschland. Und es war ein unglaubliches Fest für mich, dieses Luder zu spielen.

Sie haben mit vielen Stars gedreht, die als wenig humorvoll gelten, John Malkovich etwa oder Gérard Depardieu.

Ach was, Malkovich hat einen wahnsinnigen Humor. Der ist so was von trocken, da muss man sich wirklich zusammenreißen, nicht ständig loszukichern. Gérard Depardieu habe ich vor zehn Jahren kennengelernt, bei den Dreharbeiten von "Les Misérables" in Prag. An den Moment erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen. Er saß in der Mittagspause vor einem Teller, über dessen Rand die rohen Rindfleischscheiben schwappten, und sagte: "Komm, setz dich dazu!" Das war so unsagbar herzlich. Ich glaube aber, dass das Leben ihm so hart mitgespielt hat, zuletzt mit dem Tod seines Sohnes, dass er seinen Humor vielleicht zeitweise verloren hat.

Der Regisseur Sönke Wortmann hat einmal gesagt: "Es ringt mir durchaus Respekt ab, dass es jemand mit so durchschnittlicher Begabung so weit bringen kann." Im ersten Moment muss das eine harte Kränkung gewesen sein. Können Sie inzwischen drüber lachen?

Sönke Wortmann hat sich für dieses - wie er selber sagte - dämliche Zitat in aller Form entschuldigt. Er hat sich damals sehr geärgert über ein Interview von mir und Helmut Dietl im "Stern", darin hatte ich gesagt, dass "Superweib" sicher nicht mein stärkster Film gewesen sei. Das hat ihn verletzt, und dann ist ihm dieser Satz halt rausgerutscht.

Da hörte der Spaß dann für Sie auf?

Es gibt ja diesen Spruch: "Wenn die Sau sich an der Eiche schabt, was kümmert es die Eiche?" Soll heißen: Lass die anderen reden, geh trotzdem deinen Weg. Und wenn du hinfällst, steh halt wieder auf.

Über wen lachen Sie selbst gern? Loriot?

O Gott, wunderbar. Ich liebe die Geschichte mit Erwin Lindemann, dem Lottogewinner. Ich durfte Loriot auch einmal kennenlernen: ein sehr weiser Mann. Humor hat ja auch viel mit Lebenserfahrung zu tun und mit Intelligenz.

Intelligenz ist ein gutes Stichwort. Da fällt uns Mario Barth ein.

Hm. Habe ich mich noch nicht so reingearbeitet.

Didi Hallervorden?

Habe ich früher viel geschaut, mag ich sehr. Und Otto, natürlich. Ein grandioser Alleinunterhalter.

Harald Schmidt?

Ein ganz großer Humorist.

Obwohl der ja durchaus zynisch ist. Und von Ihnen stammt das Zitat: "Bevor ich zynisch werde, bin ich lieber tot."

Ich habe ja 1999 mit Harald Schmidt zusammen "Late Show" gedreht und sehr viel Zeit mit ihm in Drehpausen verbracht. Und sein privater Humor ist noch mal ein ganz anderer als sein öffentlicher.

Lachen Sie viel mit Ihrem Mann, Carsten Maschmeyer?

Sehr viel. Carsten hat einen wunderbaren Humor - und vor allem: Er nimmt mich gerne mal auf den Arm. Neulich rief er mich am Set an und klang sehr ernst. "Du Veronica", sagte er, "es war eine wunderschöne Zeit mit dir, wenn nicht sogar die schönste, die ich je hatte - aber ich muss mich von dir trennen." Mir schossen die Tränen in die Augen, ich habe ihm das echt geglaubt.

Oha. Das war ein Spaß?

Ja, ich hatte ihm kurz vorher ein Foto von mir geschickt, auf dem ich als alte, hässliche Hexe zu sehen war - eine Rolle, in der ich bald zu sehen bin. Hier ... (kichert, zieht ihr Mobiltelefon aus der Tasche) ... das ist übrigens mein wahres Ich.

Haben Männer mit Humor bessere Chance bei Frauen?

Das ist sicher ein wichtiges Kriterium. Humor kann sehr erotisch sein.

Wer war der humorvollste Mann, dem Sie begegnet sind?

Billy Wilder. Ich durfte ihn die letzten vier Jahre seines Lebens kennenlernen, er hat mich sehr beeindruckt. Er ist auch nicht umsonst so alt geworden. Ich glaube, dass bei Komödienregisseuren der Humor noch mehr eine Lebenseinstellung ist als bei anderen Menschen, er ist eine Art Selbsterhaltungstrieb.

Finden Sie, dass in Deutschland zu wenig gelacht wird?

Viel zu wenig. Das meiste wird zu ernst genommen, und es wird zu viel über andere geurteilt. Mein alter Klassenkamerad am Gymnasium Solingen, Richard David Precht, hat in seinem ersten Buch geschrieben: Der Anfang jeglichen Unglücks ist der Vergleich. Wie recht er doch hat. Das Leben macht doch eh, was es will. Wenn ich zum Beispiel eine Rolle nicht bekomme, die ich unbedingt wollte, dann ist es eben so, dann ist das wohl ein Zeichen. Mal etwas weniger zu arbeiten und vielleicht endlich diesen Motorradführerschein zu machen. Oder einen Segelschein, von dem ich seit Langem träume.

Woran liegt es, dass die Deutschen so ernsthaft sind?

Ganz im Ernst: Ich glaube am Wetter. Und natürlich ist das auch ein bisschen die deutsche Grundmentalität: Dinge schwerer zu nehmen, als sie eigentlich sind. Aber da können wir Künstler, Romanautoren, Filmemacher eine Menge tun, indem wir helfen, den Alltag leichter zu machen.

Müsste sich das deutsche Fernsehen mehr trauen?

Das müsste es.

Was denn zum Beispiel?

In den Dramen gnadenlose Wahrheiten zeigen - und mehr Spielerisches in den Komödien.

Und Sie selbst, was müssen Sie wagen?

Ach, inzwischen habe ich ja sowieso den Stempel der Sozialtante weg. Ich kämpfe halt für Filme, die mir am Herzen liegen und die ohne mich vielleicht nicht entstehen würden, das Nazi-Drama "Unter Bauern" ist so ein Beispiel. Das nehme ich dann auch mit Humor, wenn die Leute sagen: "Da kommt schon wieder die Ferres mit ihren Randgruppenthemen." Aber warum soll ich meine Popularität nicht dazu nutzen? Das Mittelmaß, das Gefällige, das gibt es doch tausendfach, da braucht es mich nicht noch.

Was ist der beste Witz, der über Sie gemacht wurde?

Vor ein paar Jahren gab es im "Spiegel" eine Karikatur von mir. Das hat mich im ersten Moment getroffen. Aber dann habe ich darüber gelacht, weil ich gedacht habe: Wenn sie schon anfangen, Karikaturen von dir zu zeichnen, dann hast du es doch irgendwie geschafft.