Nach dem Chaos mit der ICE-Klimaanlage im Sommer hat die Deutsche Bahn rund 23.000 Kunden entschädigt. Anträge werden noch bearbeitet.

Hamburg. Temperaturen wie in der Sauna, kollabierende Passagiere, Wassermangel und stundenlange Verspätungen: Viele Fahrgäste erinnern sich noch mit Grausen an das Klimaanlagenchaos in den ICE-Zügen der Deutschen Bahn. Knapp zwei Monate nach dem Hitzedesaster zeigt sich der bundeseigene Konzern gegenüber den durchgeschwitzten Kunden kulant: Inzwischen haben rund 23.000 Hitzeopfer Entschädigungen im Wert von 2,7 Millionen Euro erhalten, wie eine Bahnsprecherin sagte. Dabei ist die Bearbeitung entsprechender Anträge noch nicht komplett erledigt. Um Technikprobleme unter Kontrolle zu bekommen und bei Störungen klarer zu informieren, will Bahnchef Rüdiger Grube im September weitere Maßnahmen präsentieren.

Schüler kollabierten im ICE in Bielefeld

Innerhalb weniger Tage waren Anfang Juli bei Temperaturen von weit über 30 Grad Klimaanlagen in gut 50 Fernzügen ausgefallen - teils komplett, teils nur in einzelnen Wagen. In einem dramatischen Fall musste ein ICE in Bielefeld gestoppt werden, in dem mehrere Schüler kollabierten. Pannen gab es vor allem bei älteren ICE der ersten und zweiten Generation. Deren Kühlung bringt nur bei Außentemperaturen bis etwa 32 Grad die volle Leistung. Um die Probleme in den Griff zu bekommen, wurden Wagen zeitweise nicht so stark abgekühlt. Solche Nachjustierungen konnten die Situation stabilisieren, sodass es laut Bahn nach dem 14. Juli nur noch sehr vereinzelte Kühlungsdefekte gab.

Um Vertrauen zurückzugewinnen, hatte der Vorstand entschieden, Reisenden mit Gesundheitsproblemen wegen aufgeheizter Züge 500 Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Außerdem sollten diese Hitzeopfer das Anderthalbfache des Fahrpreises als Gutschein zurückbekommen, andere Betroffene die Hälfte des Ticketpreises. Die Zahl der Entschädigungen war zuletzt stark angeschwollen. Ende Juli hatte Grube noch berichtet, dass zunächst nur knapp 5700 Kunden Entschädigungen im Wert von gerade einmal 374 000 Euro erhalten hatten.

Der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßte das Verhalten des Konzerns. "Die Bahn hat sich in der Frage der Entschädigung für die Hitzeopfer sehr vernünftig verhalten", sagte der Vorsitzende des Verbands, Karl-Peter Naumann, dem Abendblatt. "Unserem Verband liegen derzeit keine Beschwerden über zu geringe oder verzögerte Schmerzensgeldzahlungen vor." Es sei sinnvoll gewesen, sich insbesondere mit den Eltern der in Bielefeld kollabierten Schüler direkt in Verbindung zu setzen und sich über die Höhe einer angemessenen Entschädigung zu verständigen.

Fahrgastverband fordert mehr Kompetenzen für Zugpersonal

Aus Sicht Naumanns deuten die massiven Ausfälle im Sommer entgegen den ersten Aussagen der Bahn allerdings doch auf ein Wartungsproblem der Züge hin, das nun behoben werden müsse. Er begrüßte in diesem Zusammenhang die geplante Generalüberholung der älteren ICE. Der Verbandsvorsitzende mahnte zudem an, dass das Personal vor Ort künftig mehr Kompetenzen erhalten müsse, um auf Probleme wie defekte Klimaanlagen flexibel reagieren zu können. "Das Zugpersonal muss dazu berechtigt sein, auch einen außerplanmäßigen Halt einlegen zu dürfen, wenn es Probleme mit der Klimaanlage gibt", sagte Naumann. Es könne nicht sein, dass überhitzte Züge trotz massiver Schwierigkeiten der Passagiere über längere Zeit einfach weiterfahren würden.

Die Hitzepannen hatten der Bahn massive Kritik eingebracht, nachdem es bereits im Winter zu diversen Zugausfällen gekommen war. Im September will Grube daher weitere Schritte einer "Kunden- und Qualitätsoffensive" vorstellen. Damit soll verhindert werden, dass die ICE-Technik bei extremem Wetter erneut so störanfällig ist. Im November beginnt eine Generalüberholung der 44 ICE-2-Züge, die bis 2013 abgeschlossen sein soll. Dabei wollen die Experten prüfen, ob auch Energieversorgung und Klimaanlagen überarbeitet werden sollten. Es bleibt nach Grubes Worten jedoch eine "Achillesferse", dass wegen zusätzlicher Achsüberprüfungen kaum ICE-Reservezüge einsetzbar sind.


Künftige Klimaanlagen sollen bis 45 Grad funktionieren

Die Schnellzüge der neuesten Baureihe ICX sollen nach früheren Auskünften der Bahn von vornherein so ausgelegt sein, dass ihre Klimaanlagen bis hin zu einer Außentemperatur von 45 Grad voll funktionsfähig sind. Über den Bau dieser Modelle wird allerdings derzeit noch mit mehreren Partnern wie Siemens verhandelt.