Dem Tierpark fehlt eine Million Euro. Gründe sind der kalte Winter und der heiße Sommer

Lokstedt. Der Winter zu lang, der Frühling zu trocken, der Sommer zu heiß, die Bilanz verheerend: Dem Tierpark Hagenbeck fehlen rund 100 000 Besucher und damit Einnahmen von etwa einer Million Euro. "Wir haben in diesem extremen Jahr alles mitgenommen", sagt Tierpark-Chef Joachim Weinlig-Hagenbeck und bezeichnet 2010 schon jetzt als "das schlechteste" der vergangenen zwanzig Jahre.

Auch im tiergärtnerischen Bereich läuft es nicht rund. Abgesehen von dem Jungtier bei den Nordchinesischen Leoparden (siehe links) ist bei spektakulären Tieren wie Elefanten, Orang Utans, Tigern und Löwen Nachwuchs nicht in Sicht. Schlimmer noch: Im Juli starben bei einer Giraffengeburt gleich zwei Jungtiere. Joachim Weinlig-Hagenbeck: "Es ist wie verhext."

Angefangen hatte das Dilemma Ende Januar, als der Tierpark zum ersten Mal in seiner 103-jährigen Geschichte für acht Tage wegen Glatteis schließen musste. 600 Euro für einmal Streuen für eine Handvoll Besucher, da blieben die Türen zu. "Wenigstens gab es bei uns keine Unfälle, dafür aber rasant ansteigende Energiekosten, um bei dem Dauerfrost die Häuser warm zu halten", so Weinlig-Hagenbeck. Die Eismeer-Baustelle wurde nicht beheizt. Sie versank unter einer Schneedecke, die den Bau des 20-Millionen-Euro-Projektes um mindestens drei Monate verzögerte.

Auf den strengen Winter folgten ein matschiger März, ein kühles Osterfest und ein viel zu trockener April. Die Folge: eine stark in Mitleidenschaft gezogene Vegetation, die sich den Besuchern der Dschungelnächte im Mai und Juni zerrupft präsentierte. Dann kam der Juli mit einer Hitzewelle, die sich besser im Freibad ertragen ließ. Bei Hagenbeck rotierten die Zeiger der Wasseruhren trotzdem in Rekordgeschwindigkeit. Der Park musste bewässert werden wie noch nie, viele Tiere genossen die tägliche kühle Dusche unter den Rasensprengern. Erst in der zweiten Julihälfte zogen endlich Regenwolken auf und brachten Besserung.

Mit den Warteschlangen am Tierpark-Eingang - an guten Tagen kommen 10 000 Menschen - wächst nun auch die Hoffnung auf einen versöhnlichen Jahresabschluss. Allerdings: Mit den bisherigen Einnahmen lassen sich nur die laufenden Kosten von täglich 32 000 Euro für Personal, Futter, Strom und Wasser decken. Größere Reparaturen oder fällig werdende Abzahlungsraten reißen tiefe Löcher ins Budget.

Bleibt als letzter Halt die Tierpark-Stiftung. Deren Aufgabe aber ist (eigentlich) nicht die Aufrechterhaltung des Alltags, sondern die Finanzierung besonderer Projekte. Dazu gehört beispielsweise der Bau eines neuen Känguru-Hauses, das im Frühjahr 2011 von den Roten Riesenkängurus, einer weiteren Känguru-Art und vielleicht sogar einer Gruppe Wombats bezogen werden soll. Ein Haus natürlich mit Heizung, denn Beuteltiere mögen es - so wie Zoobesucher auch - warm.

Weil auf schönes Wetter aber kein Verlass ist, baut sich das Unternehmen schon seit Jahren ein wetterunabhängiges Standbein auf. Den Anfang machte 2007 das Tropen-Aquarium, gefolgt von dem 2009 eröffneten Tierparkhotel und der im Juli in Betrieb gegangenen Alten Dressurhalle. "Das Konzept geht auf", sagt Joachim Weinlig-Hagenbeck. Das Tropen-Aquarium lockt auch an Regentagen. Das Hotel lag in seinem ersten Jahr mit einer Auslastung von 70 Prozent über den Erwartungen. Und für die Alte Dressurhalle gehen zurzeit unerwartet viele Anfragen für kleinere Messen und Betriebsfeiern ein.

Das freut den Tierpark-Chef, denn dann muss er für einen Moment nicht an die noch fehlende eine Million Euro für den Eismeer-Neubau denken. Oder die Reaktionen auf die für 2011 geplante Erhöhung der Eintrittspreise um einen Euro. Oder die total verregnete erste Romantik-Nacht vor zwei Wochen. Die zweite lief zwar gut, aber bei der dritten heute Abend kann ein Regenschirm nicht schaden. Wetterprognose: Schauer, 20 Grad. Und dann ist da auch noch der Wunsch seiner Mitarbeiter nach Weihnachtsgeld. Joachim Weinlig-Hagenbeck: "Bei uns ist das Weihnachtsgeld an eine bestimmte Besucherzahl gekoppelt. Zurzeit gibt es die Hälfte."