Die Bestellung des SPD-Mitglieds Jörn Thießen an die Führungsakademie sorgt für Ärger. Kritiker sprechen von Versorgungsposten.

Blankenese. Eine umstrittene Personalentscheidung des Verteidigungsministeriums sorgt an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr (FüAK) für Unverständnis. Offenbar gegen den Willen der Führungsakademie installierte das Berliner Ministerium zum 1. August den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Jörn Thießen als Leiter des Fachbereichs Human- und Sozialwissenschaften. Weil Thießen Versorgungsansprüche gegenüber dem Ministerium hat, erhielt er den Vorzug gegenüber anderen Bewerbern.

Offiziell äußern will sich an der Akademie niemand. Um das Bundesverteidigungsministerium als Dienstherrn und den neuen Fachbereichsleiter nicht öffentlich zu kritisieren, hüllt man sich in Schweigen. Aber nach Abendblatt-Informationen waren sowohl die FüAK-Leitung als auch die Angehörigen des Fachbereichs verblüfft über die Entscheidung.

Der Unmut ist vor allem vom Zweifel an Thießens wissenschaftlicher Kompetenz genährt. Der 48-jährige Pastor ist auf dem Forschungssektor ein unbeschriebenes Blatt. "Einen Pastor zum wissenschaftlichen Leiter zu machen, ist skandalös", sagt ein Insider.

Umso beeindruckender liest sich die politische Karriere Jörn Thießens: Seit 1980 ist er SPD-Mitglied, er war persönlicher Referent und stellvertretender Büroleiter des damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten und SPD-Vorsitzenden Björn Engholm; von 1998 bis 2002 sogar Referent und Leiter des Büros des Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping. Nach Scharpings Abtritt wurde Jörn Thießen als Direktor und Professor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr nach Strausberg (Brandenburg) bestellt.

2005 zog er für die SPD in den Bundestag ein, schied als Direktor aus und musste auch seinen Titel Amtsprofessor ablegen. Nach dem verpassten Wiedereinzug ins Parlament bei der Bundestagswahl im September 2009 hatte der Beamte laut deutschem Abgeordnetengesetz Anspruch auf eine gleichwertige, mindestens ebenso hoch vergütete Stelle. Weil dem Sozialdemokraten aber derzeit Leitungspositionen im Verteidigungsministerium verwehrt sind, wechselt er jetzt an eine nachgeordnete Dienststelle, die FüAK.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums räumt ein: "Herr Thießen musste auf die Stelle gesetzt werden." Die Entscheidung ergebe sich aus seinem Beamtenstatus und dem Abgeordnetengesetz. "Die Personalie hatte Vorrang. Auch vor Vorschlägen aus der Führungsakademie." Welche Mindestqualifikationen an den wissenschaftlichen Fachbereichsleiterposten geknüpft sind und ob Jörn Thießen diese erfüllt, beantwortete das Ministerium nicht. "Das fällt in die persönliche Betroffenheit. Kein Kommentar."

Nach Abendblatt-Informationen bewarben sich mindestens zwei externe Wissenschaftler sowie der von der FüAK favorisierte bisherige Vize-Fachbereichsleiter Prof. Dr. Sven B. Gareis.

Jörn Thießen nennt seine neue Stelle hingegen eine "Wunschbesetzung". Dem Leitbild des sozialwissenschaftlichen Fachbereichs - Wechselwirkungen von Streitkräften, Staat, Gesellschaft und internationalem System zu vermitteln - fühle er sich gewachsen. Er habe während seiner politischen Laufbahn genügend Kompetenzen in diesem Bereich erworben. Dass er kein berufener Professor ist, sei nicht entscheidend.

Vielmehr sehe er sich als "Organisator und Manager von Wissenschaft". Kritikern entgegnet er: "Es ist vielleicht nicht ganz unverständlich, denn ich bin kein renommierter Wissenschaftler. Aber die Bestellung ist eine Entscheidung des Ministeriums, damit müssen alle leben. Außerdem habe ich in meiner Zeit als Direktor des SoWi-Instituts der Bundeswehr bewiesen, dass ich einen Forschungsbereich leiten kann." Momentan bereite sich Jörn Thießen intensiv auf seine neue Aufgabe vor. Seine politischen Ambitionen will er deswegen nicht ad acta legen. "Ich werde in meinem Wahlkreis Steinburg wieder zur Bundestagswahl antreten", sagt der dreifache Vater. Kritiker sehen sich darin bestätigt, dass der Fachbereichsleiterposten nur eine Durchgangsstation ist.

Ein Insider befürchtet: "Es zeigt sich, dass er trotz fehlender Eignung und akademischer Qualifikation vom Ministerium an die FüAK entsorgt wurde. Damit wird deren Ruf als führende akademische Ausbildungsstätte der Bundeswehr beschädigt."