Die größte chinesische Container-Linienreederei Cosco droht mit dem Abzug aus Hamburg. China will eine noch deutlichere Elbvertiefung.

Hamburg. Offenheit im Dialog wollte Chinas Führung zeigen, und die bekam Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem jüngsten Besuch des Landes auch zu spüren. Beim Wirtschaftsforum mit deutschen und chinesischen Politikern und Managern in der Stadt Xian am vergangenen Sonnabend kam Wei Jiafa ganz ungezwungen zur Sache. Die Elbfahrrinne müsse endlich vertieft werden, und zwar deutlich über die bisherige Planung hinaus, sagte der Chef der größten chinesischen Container-Linienreederei Cosco der deutschen Regierungschefin.

Sobald dies umgesetzt sei, werde er entsprechend große Schiffe nach Hamburg schicken. Für den Fall, dass es bei der Anpassung der Fahrrinne nicht die von ihm erwarteten Fortschritte gebe, drohte der Schifffahrtsmanager hingegen unverhohlen mit Rückzug und verwies auf die Alternative: "Im vergangenen Jahr haben wir 60 Prozent der Ladung in Hamburg gelöscht, 40 Prozent in Rotterdam. In diesem Jahr werden es noch 20 Prozent in Hamburg und 80 Prozent in Rotterdam sein." Auch forderte er eine Beteiligung von Cosco beim Ausbau des größten deutschen Seehafens. Man sei bereits in einer Reihe anderer europäischer Häfen aktiv, neben Rotterdam etwa in Antwerpen und im griechischen Piräus.

Merkel machte den Cosco-Chef darauf aufmerksam, dass die Planung und Realisierung von Großprojekten wie der Elbvertiefung in Deutschland mehr Zeit benötige als in China. "Dann fragte sie ihn, ob er in Bezug auf die wachsenden Schiffsgrößen schon mal einen Blick zum künftigen Tiefwasserhafen Wilhelmshaven geworfen habe", sagte ein Teilnehmer an dem Treffen dem Abendblatt. Aber das habe Wei zurückgewiesen. Er kenne Wilhelmshaven, und dieser Standort sei für ihn keine Alternative zu Hamburg.

Es zeigt die große Bedeutung der geplanten Elbvertiefung, dass sie bei einem hochkarätigen deutsch-chinesischen Forum offensiv thematisiert wird. Containerschiffe mit einer maximalen Zuladung von 10 000 und mehr Containereinheiten (TEU) können den rund 100 Kilometer langen Abschnitt der Elbe von der Nordsee bis in den Hamburger Hafen nur noch mit Einschränkungen befahren; vor allem können sie bei dieser "Revierfahrt" nicht voll beladen werden. In diesen Monaten gehen immer neue Großschiffe mit einer Ladekapazität von rund 14 000 TEU in Fahrt. Mehr als 150 solcher Megafrachter werden die führenden Linienreedereien in den kommenden zwei bis drei Jahren vor allem auf den Routen zwischen Europa und Asien einsetzen. Damit liegt auch Hamburg auf ihrer Fahrtroute. Doch mit den maximalen Tiefgängen dieser Schiffe von 15,50 Metern wird die Elbe auch nach der geplanten Vertiefung nicht befahrbar sein. Die Elbvertiefung zielt darauf ab, dass Schiffe mit bis zu 14,50 Meter Tiefgang den Hamburger Hafen erreichen können, auslaufend mithilfe der Flutwelle.

Weis offene Worte an die Bundeskanzlerin zeigen das wachsende wirtschaftliche Gewicht Chinas, auch im Außenhandel mit Deutschland. Im vergangenen Jahr wurde rund ein Drittel der insgesamt rund sieben Millionen Containereinheiten in Hamburg mit China ausgetauscht. Das Land ist der mit Abstand größte Handelspartner der Hansestadt. China deckt rund 40 Prozent des gesamten deutschen Asienhandels ab. Der Verband des Deutschen Maschinenbaus (VDMA) stellte bei Merkels Chinareise fest, dass China die USA während der Wirtschaftskrise als wichtigster Absatzmarkt des deutschen Maschinenbaus abgelöst habe.

+++ Info: Elbvertiefungen +++

Der Druck der führenden Reedereien für eine rasche Elbvertiefung wächst allerdings auch unabhängig davon. Die Schifffahrtsunternehmen wollen wissen, mit welchen Elbmaßen sie für die kommenden Jahre planen, und ob sie Hamburg als einen zentralen Umschlaghafen in den Asien-Europa-Verkehren halten können. In der vergangenen Woche schickte die weltweit drittgrößte Linienreederei CMA CGM ihr neues Flaggschiff "Christophe Colomb" zu seinem ersten Besuch nach Hamburg. Das Schiff mit einer maximalen Kapazität von rund 13 800 TEU kam bei dieser Fahrt allerdings nur mit rund 8000 TEU an die Elbe. Demnächst werden das Schiff und seine Schwestern regelmäßig auf den Asienlinien mit Station in Hamburg eingesetzt. "Es ist wichtig, dass unsere Schiffe möglichst flexibel den Hamburger Hafen anlaufen können", sagt Reinhard Peschel, Deutschlandchef von CMA CGM. "Wir sind überzeugt, dass man die richtigen Entscheidungen treffen wird, um die Fahrrinnenanpassung der Elbe schnellstmöglich voranzutreiben."

Allerdings liegt das Planfeststellungsverfahren nicht in Hamburgs Hand, sondern bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord in Kiel. Bis zum Herbst soll das öffentliche Planungsverfahren abgeschlossen sein. Dann will Behördenpräsident Hans-Heinrich Witte die sofortige Vollziehbarkeit anordnen. Umweltverbände wie der BUND wollen dagegen klagen. Deshalb, so Witte, komme es darauf an, das Verfahren gerichtsfest abzuschließen: "Wir arbeiten darauf hin", sagte er dem Abendblatt, "dass die Bauarbeiten wie vorgesehen 2011 beginnen können."