Der Riesenotter wurde in seiner südamerikanischen Heimat in den ersten Lebensmonaten von einer Familie als Haustier gehalten.

Hamburg. Keiner zu sehen bei Otters. "Siesta", sagt Uwe Fischer trocken. Da seien die Tiere "echte Südamerikaner": "Erst einmal ausschlafen, dann ein ausgedehntes Frühstück, eine Runde baden - und dann schön wieder hinlegen." Der Tierpfleger-Alltag in Hagenbecks Tierpark sehe da definitiv anders aus, sagt Revierleiter Fischer und lacht. Seiner Riesenotter-Familie gönnt er das entspannte Leben jedoch von Herzen. Und ganz besonders Beni, der Clan-Mutter - wo deren Kindheit doch alles andere als lustig war.

Das Weibchen mit den großen, dunklen Augen und dem dunkelbraunen, seidigen Fell wurde in seiner südamerikanischen Heimat Surinam in den ersten Lebensmonaten von einer Familie als Haustier gehalten - in einer winzigen Badewanne. Als die Behörden darauf aufmerksam wurden, beschlagnahmten sie Beni und brachten es in eine Auffangstation für Wildtiere. Riesenotter, von denen niemand genau sagen kann, wie viele es überhaupt (noch) im Freiland gibt, gelten als stark vom Aussterben bedroht und sind deshalb in ihren südamerikanischen Ursprungsländern streng geschützt.

Durch die Bemühungen der Koordinatoren des Europäischen Erhaltungs-zuchtsprogramms (EEP) in Zoologischen Gärten wurde Beni erst in den Dortmunder Zoo und dann, vor vier Jahren, nach Hamburg gebracht. "Wir waren die Ersten, die in den 1990er-Jahren Riesenotter außerhalb Südamerikas gezüchtet haben", sagt Fischer. Als das erwachsene Weibchen jedoch starb, konnten die außergewöhnlichen Tiere viele Jahre nicht in Hamburg gezeigt werden. Bis Beni die Regie im Riesenotter-Gehege übernahm.

"Beni ist eine ganz tolle Mutter", schwärmt Fischer. "Gerade bringt sie ihre beiden Jüngsten ins Außenbecken." Frida und Karlo (nach der mexikanischen Malerin Frida Kahlo) sind die beiden Nachkommen vom letzten September - und bereits der dritte Wurf von Beni und ihrem Männchen Macu. Dem geht ja die Zuneigung seiner langen Liebsten (Riesenotter erreichen eine Körperlänge von 1,80 Metern) zu Uwe Fischer deutlich zu weit. Fischer: "Beni ist, als ehemaliges Haustier, schon sehr zutraulich und lässt sich gerne von mir durch das Gitter kraulen. Sobald Macu das mitbekommt, geht er allerdings dazwischen." Und mit den spitzen Zähnen der im Wasser lebenden Raubtiere bringt er sehr anschauliche Argumente mit, warum Fischer sich dann lieber zurückzieht.

In den Flusslaufsystemen der Regenwälder entlang des Amazonas leben die geselligen Riesenotter in kleineren bis größeren Familienverbänden. Fischer: "Junge Männchen verlassen die Gruppen meist im Alter von zwei Jahren, wenn sie geschlechtsreif werden. Junge Weibchen können noch einige Jahre länger in der Gruppe bleiben." Dabei fungieren die älteren Geschwister als Babysitter für die jüngeren. "Bei uns tobt Icama, die ein Jahr ältere Schwester der Lütten, am meisten mit ihnen durchs Becken", verrät Fischer. Generell hingen die Tiere mit den kalten Schnauzen und dem extrem dichten Fell (50 000 Haare pro Quadratzentimeter zum Schutz vor Unterkühlung im Wasser - der Mensch hat auf gleichem Raum gerade einmal 120!) aber alle recht dicht aufeinander. Die größte Otterart ist ein reiner Fischfresser, auch wenn Fischer seinen fünf Tieren auch mal Melonen füttert - "aber das ist mehr Spiel als Futter". Wenn die tagaktiven Riesenotter sich zur Siesta in eine ihre Höhlen zurückziehen, kann man sie über eine Videokamera beobachten - wenn diese nicht, wie zurzeit, kaputt ist. Dafür ist eine dritte Höhle in Planung. Fischer: "Im Freiland wechseln Riesenotter aus Sicherheitsgründen zwischen mehreren Bauten. Das wollen wir ihnen auch bieten."

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