Auf den ersten Blick sehen die Zebras alle gleich aus. Das täuscht, denn das Streifenmuster der Paarhufer ist bei jedem einzelnen Tier einzigartig.

Hamburg. Wieder nichts. 30 Jahre teilt Tony Kershaw sein Leben jetzt schon mit den Chapman-Zebras in Hagenbecks Tierpark. "Und noch nie habe ich eine Geburt miterlebt", sagt der Revierleiter und klingt fast ein wenig beleidigt. Dabei kennt er den Grund nur zu gut: Zebras gebären immer nachts, im Schutz der Dunkelheit. Und so stand auch Molly am Karfreitagmorgen "einfach so" mit in der Schlafbox ihrer Mutter Vicky (15). Wie vom Osterhasen zu früh ins Stroh gestellt.

Eigentlich hätte die Kleine ja schon im Oktober zur Welt kommen sollen. "Unsere Berechnungen stimmen sonst immer genau", sagt Kershaw. Wahrscheinlich sei Vicky tragend gewesen, habe das Baby in einer frühen Phase verloren - ohne dass es die Pfleger bemerkt hätten - und später dann noch einmal ein fruchtbares Zusammentreffen mit Hengst Franky (15) gehabt, das aber im Geheimen blieb, bis der achte gemeinsame Nachwuchs dann schließlich da war. Nach drei Tagen "Mutter-Kind-Kur" in der Schlafbox zum Aufbau einer engen Bindung durfte Molly den Rest der Herde auf der afrikanischen Steppe - so der Name des Geheges, ein Teil von Carl Hagenbecks berühmtem Afrika-Panorama - kennenlernen: Neben Papa Franky und Tante Yasi mit Cousin Neo (vier Monate alt) sind da noch zwei alte Zebradamen.

Und noch allerhand andere komische Mitbewohner: drei Strauße, ein Pärchen Marabus, die gerade fleißig an ihrem Nest bauen, und ein Warzenschwein. Alles Arten, die im Verbreitungsgebiet der Chapman-Zebras in Afrika vorkommen.Chapman-Zebras sind eine von sechs Unterarten des Steppenzebras, die sich vor allem in der Größe und der Fellzeichnung unterscheiden. Eigen ist allen, dass sich ihr Fell durch sogenannte Schattenstreifen in der Mitte der weißen Streifen auszeichnet. Apropos Zebrastreifen: Sie haben Wissenschaftlern schon von je her Rätsel aufgegeben.

Zu den Erklärungen, dass sie die Tiere im Gebüsch besser tarnen, dass sie von den Facettenaugen der Schlafkrankheit übertragenden Tsetsefliege nicht mehr als ein zusammenhängender Körper ausgemacht werden können und dass sie jedem Zebra seinen individuellen Fingerabdruck verleihen, anhand dessen sich Verwandte erkennen, ist aktuell eine neue Erkenntnis hinzugekommen, sagt Kershaw: "Durch einen extremen Temperaturunterschied zwischen den schwarzen und weißen Streifen von mehr als 30 Grad entsteht ein Wärmeaustausch, der zur Kühlung der Tiere beiträgt."

Molly ist das alles egal. Sie hängt an Mamas Streifen, als verbinde ein Gummiband Mutter und Tochter, und wird erst ganz langsam vorwitziger. Ein Schmusetier ist sie deshalb noch lange nicht: "Alle Zebras sind Charaktertiere mit ganz eigenem Kopf", sagt Kershaw, der jetzt doch endlich bei einer Geburt dabei war: bei der seines Sohnes Ben, der zwei Tage nach Molly zur Welt kam. Und wem das noch nicht genug Babys sind: Hagenbecks Jüngster ist ein sechs Tage alter Kamelhengst.

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