Wie viel Hamburg in “Twilight“ steckt? Mehr, als man denkt: In der Hansestadt wird am Erfolg der US-Vampir-Saga fleißig mitgestrickt

Hamburg. Sitzen, sitzen und wieder sitzen: Für den ersten Blick auf den brandneuen, dritten "Twilight"-Kinofilm "Eclipse - Bis(s) zum Abendrot" fläzten sich am vergangenen Wochenende Hunderte Hamburger Teenies stundenlang in die Kinosessel. Dafür gab es "Twilight" satt: Eine 366 Filmminuten andauernde Premierenfeier im XXL-Format, bei der als Bonus gleich alle drei Teile der Vampir-Romanze gezeigt wurden.

Solche Vorab-Premieren der Superlative gehören zum "Twilight" -Rummel wie die Gerüchte über das Liebesleben der Hauptdarsteller und Meldungen über Millionen-Dollar-Einspiel-Ergebnisse. Doch was kaum einer weiß: "Twilight" ist keineswegs ausschließlich ein Produkt "made in USA". Hinter den Kulissen stricken auch Hamburger erfolgreich am Erfolg der Vampir-Saga mit.

"Gerade haben wir den Startschuss gegeben für den längsten Fanbrief der Welt", erzählt zum Beispiel Barbara König. Die 41-Jährige hat nicht nur berufsbedingt ein großes Herz für alle "Twilight"-Fans. Sie verantwortet das Kinder- und Jugendprogramm des Carlsen Verlags, und sie war es auch, die gemeinsam mit der Lektorin Katja Maatsch die berühmte deutsche Titelübersetzung ausgetüftelt hat: Unter dem Namen "Bis(s)" kennen die Fans hierzulande die "Twilight"-Geschichten der amerikanischen Schriftstellerin Stephenie Meyer. Vor sechs Jahren entdeckte Barbara König die US-Autorin für den deutschen Markt: "Ich weiß noch, wie ich das erste Manuskript mit nach Hause genommen habe und dachte: Vampire in der Highschool? Doch dann habe ich es in einem Rutsch gelesen", erinnert sie sich.

Auch wenn sie damals ahnte, dass die Liebesgeschichte von Bella und Edward dem Verlag einen Erfolg bescheren könnte, mit dem Ausmaß hatte sie nicht gerechnet: Über acht Millionen Mal haben sich die "Bis(s)"-Bände in Deutschland inzwischen verkauft, und ein Ende ist nicht abzusehen. Im Gegenteil: Seit 2008, seit die US-Produktionsfirma Summit Entertainment die Bücher verfilmt, nimmt das Phänomen "Twilight" weiter Fahrt auf. Das neue Buch "Bis(s) zum ersten Sonnenstrahl" gibt es seit Juni, es steht ungeschlagen auf Platz eins der Bestsellerliste. Nach den Harry-Potter-Geschichten von J.K. Rowling, die Carlsen ebenfalls verlegt, ist die Vampir-Saga von Stephenie Meyer nunmehr der zweite Carlsen-Coup. Für Barbara König fühlt sich dieser Erfolg an, "wie ein Lottogewinn in Folge".

Einen "Bis(s)"-Bestseller hat freilich auch der Audioverlag Hörbuch Hamburg im Programm - nur ist der für die Ohren. In diesen Tagen freut sich der Verlag über eine Goldene Schallplatte, mehr als 100 000 Exemplare des ersten Hörbuchs "Bis(s) zum Morgengrauen" sind über die Ladentheke gegangen. Mit dem vierten Teil, ebenfalls gelesen von der Hamburger Schauspielerin Ulrike Grote sowie dem ehemaligen Thalia-Schauspieler Peter Jordan, ergatterte Hörbuch Hamburg 2010 zudem den Publikumspreis "Hörkulino".

Trotz oder gerade wegen dieses Erfolgs stand in der vergangenen Woche eine weitere Stephenie-Meyer-Produktion auf dem Programm. Tatort Eimsbüttel: Am Studiomikro eine Stimme, die eingefleischte Fans sofort erkennen: Sie gehört Annina Braunmiller. Die Wahl-Münchnerin ist die deutsche Synchronstimme von "Twilight"-Star Kristen Stewart. "Fans nennen sie schon die deutsche Bella", schmunzelt Hörbuch-Regisseurin Heike Schnelle. Deshalb gibt es extra eine nagelneue Lesung für junge "Twilight"-Fans, die komplett und ungekürzt ist. Der erste Teil mit immerhin elf CDs ist schon erschienen, die zweite "Bis(s)"-Lesung, die letzte Woche in Eimsbüttel eingespielt wurde, folgt im Herbst.

Kurioserweise ist die Stimme der jungen US-Schauspielerin Stewart eigentlich dunkel und rauchig. Annina Braunmiller klingt dagegen ganz mädchenhaft. Sie selbst findet, Kristen Stewart höre sich eher an wie eine Frau um die 30. "Ich dagegen klinge mehr wie eine 17-Jährige", meint die brünette Sprecherin.

Gerade weil die "Twilight"-Fans Braunmillers Bella-Stimme aus dem Kino kennen und lieben, hat Hörbuch Hamburg die 25-Jährige kurzerhand für die Neuauflage des "Bis(s)"-Hörbuchs engagiert. Annina Braunmiller freut sich darüber: "Normalerweise werden Synchronsprecher vom Publikum ja nicht so wahrgenommen." Aber was ist bei "Twilight" schon normal? Zwei weitere Kristen-Stewart-Filme hat Annina Braunmiller inzwischen synchronisiert, die dank des "Twilight"-Rummels jetzt nachträglich auf DVD erscheinen. Doch Film und Hörbuch, das sind in der Praxis zwei Paar Schuhe. "Im ,Twilight'-Film bin ich ja nur die Bella. Beim Hörbuch spreche ich alle anderen Rollen mit", erklärt die Münchnerin.

Franz Plasa indes hat noch nie einen "Twilight"-Film gesehen und garantiert keines der Bücher gelesen. In seinem Studio in der Bogenstraße haben schon viele Künstler von Depeche Mode bis Mariah Carey produziert. Seit Kurzem ist Plasa auch noch "Musical Director" für das neue RTL/Vox-Format "X Factor". Doch in der Hauptsache bastelt der Hamburger Musikproduzent gerade am Debüt-Album von MiMi. Die Tochter von Marius Müller-Westernhagen lebt als Singer und Songwriter in London. "Das Album wird ihr erstes Lebenszeichen als Musikerin in Deutschland sein", sagt Franz Plasa.

Das allerdings stimmt nur fast. Ein erstes musikalisches Lebenszeichen nämlich gibt es schon jetzt: Für den aktuellen Soundtrack "Twilight Eclipse" hat MiMi "Don't You Mourn The Sun" geschrieben und gesungen. "Wir wurden von Warner Music gefragt, ob wir einen Song beisteuern wollen", freut sich Franz Plasa. Auch für ihn ist das ein Erfolg, nicht nur, weil Stephenie Meyer höchstpersönlich mitentscheidet, was zu "Twilight" passt und mit aufs Album darf. Zudem ist "Twilight" eine Art Garant für die Charts. Aber was Franz Plasa wirklich "cool" findet: Demnächst wird MiMis "Don't You Mourn The Sun" als neue "Eclipse"-Single ausgekoppelt - und zwar international.