Der zweite Teil der “Twilight“-Saga wirke lieblos, sagen fachkundige Kritiker. Die begeisterten Fans stört das nicht.

Hamburg. Kreischen für Fotografen im Foyer, Teenies, die in T-Shirts für "Team Edward" oder "Team Jacob" werben, und dazwischen sogar Männer, die ihre schon richtig erwachsenen Frauen, sogenannte "Twi-Moms", begleiten. Bei der Vorpremiere von "New Moon - Biss zur Mittagsstunde" im Cinemaxx Dammtor war schnell klar: Was seit Monaten als Hysterie-Welle durchs Internet geistert, ist in Hamburg angekommen. Der "Twilight"-Virus geht um.

In den USA hat der Film am Premierentag 72,7 Millionen Dollar eingespielt. Nun machen die Produzenten dieses zweiten Teils der Vampir-Saga mit ihrer Marketing-Maschinerie Jagd auf deutsche Fans. Und während sich die Feuilletons hierzulande über die "Vampirschmonzette" die Haare raufen, basteln begeisterte Fans im Internetportal Youtube fiktive Trailer für das noch nicht gedrehte Ende der Saga. Die Folge: Jede halbwegs schlechte Filmkritik wird mit bitterbösen Kommentaren quittiert. Doch wie gut ist "New Moon" wirklich? Ist die Saga, die auf den Bestsellern von Stephenie Meyer beruht, so blutleer wie manche glauben? Wird eine neue Keuschheit postuliert, die da heißt: Kein Sex vor der Ehe? Oder ist Twilight nur gute gemachte Unterhaltung?

Zwei Hamburger Filmemacher haben sich bei der Vorpremiere unter die Twi-Fans gemischt. Gisela Gondolatsch arbeitet als freie Cutterin und Dozentin an der Hamburg Media School und der Medienakademie Hamburg. Sie hat unter anderem die TV-Serie "Alpha-Team" und den 2005 mit dem Studenten-Oscar gekrönten Film "Ausreißer" von Ulrike Grote geschnitten. Regiestudent Kevin Strauß von der Medienakademie Hamburg hat gerade seinen ersten Kurzfilm "Trautes Heim" abgedreht.

Im Foyer lagern derweil die Fans. "Ja, wir wollen Edward sehen, alles andere wäre doch gelogen", sagt Sandra Kobs (25). Hauptdarsteller Robert Pattinson ist das Zugpferd des Films. Und Tanina Zakrzewski (15) ergänzt: "Ich erwarte von dem Film viel Liebe, so eine richtige Schnulze." Im Kinosaal eins ist es nur zu Beginn des Films mucksmäuschenstill, dann heißt es immer wieder "Oh, der ist so süß." Darsteller Taylor Lautner als Jacob löst Jubel aus, immer wieder gibt's auch Lacher. Fühlt sich an, als würde ein Kultklassiker gezeigt.

Bei Gisela Gondolatsch und Kevin Strauß hingegen wächst die Enttäuschung mit jeder Minute. "Der erste Teil ,Twilight - Biss zum Morgengrauen' war mit so viel Liebe zum Detail gemacht, so viel Wissen um Dramaturgie", schwärmt Gisela Gondolatsch von Regisseurin Cathrine Hardwicke. Kevin Strauß ergänzt: "Dagegen wirkt der zweite Teil von Chris Weitz eher wie Blockbuster-Massenware."

Harte Worte. Schließlich war Wyck Godfrey, Produzent beider Filme, fest entschlossen, mehr aus dem Nachfolger zu machen als eine simple Fortsetzung. Regisseur Chris Weitz selbst findet seinen Streifen "erwachsener". Strauß hingegen hat "eher den Eindruck, dass sich der Regisseur nicht so sehr für die Ausstattung interessiert". Will sagen: Die öden Farben, unglaubwürdige Räume wie die blitzblank geputzte Motorradwerkstatt, schlecht sitzende Perücken plus typischer Hollywood-Sound lassen "New Moon" eher lieblos und beliebig wirken. Gern erinnert sich Gisela Gondolatsch an die raffinierten Zeitlupen und an den kühlen, mythischen Look des ersten Teils. "New Moon" hält mit Spezialeffekten dagegen, etwa bei den Wölfen. "Wie sich diese Wölfe bewegen, das ist ganz schrecklich", schaudert es Gisela Gondolatsch. Außerdem seien sie viel zu groß. Bleibt die Frage: Gibt es deshalb so viele Lacher im Publikum oder ist eine solche Kritik kleinkariert? Wollen die Fans nur die Story weitererzählt bekommen?

Nein, sagt Gisela Gondolatsch, denn der Film lenkt die Wahrnehmung unterschwellig: "Achten Sie mal darauf, wenn ein Film auf etwas aufmerksam machen will, dann kommt der Gegenstand dreimal vor." Außerdem sorgten die richtigen Schnitte erst für Spannung. Weshalb die Hetzjagd im italienischen Volterra eher langweilig wirke.

In einem aber sind sich Gondolatsch und Strauß sicher: In "New Moon" geht es nicht um die moralinsaure Forderung nach Keuschheit vor der Ehe. Sonst hätte es die glücklichen Teenie-Gesichter, die Tränchen und den großen Applaus am Ende wohl nicht gegeben.