Allein in der City warten 290.000 Quadratmeter Büroflächen auf Nutzer. Der Mieterverein fordert eine Umwandlung in Wohnungen.

Hamburg. Wer neue Büroflächen in Hamburg benötigt, muss nicht lange suchen. Nur wenige Hundert Meter zu Fuß reichen aus, um die vielen Angebote zu sichten. An der Caffamacherreihe wirbt Angermann für preiswerte Büros ab 12,50 Euro pro Quadratmeter (m²). Wer es etwas exklusiver möchte, wird schnell fündig. Gleich gegenüber entstehen im ehemaligen Unilever-Hochhaus 35 000 m² Bürofläche, die bis Ende 2011 fertig werden. Rund die Hälfte der Büros sind noch zu mieten. Auch in der Drehbahn gleich nebenan warten eben fertiggestellte, moderne Büros auf neue Mieter. Wenige Meter weiter in der Dammtorstraße ist die Baugrube ausgehoben für einen weiteren Bürokomplex, das Metropolis Haus mit insgesamt 15 000 m² Fläche.

Doch schon jetzt hat die Hansestadt Büros im Überfluss. Über eine Million Quadratmeter stehen leer . Das ist fast jedes zehnte Büro und der höchste Stand seit zehn Jahren. Tendenz steigend. Denn viele Objekte sind noch im Bau wie das Nikolaikontor im Kleinen Burstah. Makler Grossmann & Berger, der das Objekt vermarktet, will sich aber zur Vermietungssituation nicht äußern. "Wir gehen davon aus, dass die Leerstandsquote weiter steigen wird", sagt Andreas Wende, Niederlassungsleiter des internationalen Maklerunternehmens Jones Lang LaSalle (JLLS) in Hamburg. Er rechnet mit gut zehn Prozent bis Jahresende. Aktuell beträgt der Leerstand 9,3 Prozent. "Der Grund sind spekulative Fertigstellungen, also Objekte für die es noch keinen Mieter gibt", sagt Büroexperte Wende. So sind im ersten Halbjahr 100 000 m² spekulative Fläche auf den Hamburger Markt gekommen. Wende: "Für das zweite Halbjahr erwarten wir noch einmal Flächen in ähnlicher Größenordnung."

Diese Entwicklung sieht der Mieterverein zu Hamburg mit großer Verärgerung. "Auf der einen Seite sind bereits bis zu 40 000 Wohnungen in Hamburg in Büros und Arztpraxen umgewandelt und damit zweckentfremdet", sagt Eckhard Pahlke, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg dem Abendblatt. "Andererseits stehen über eine Million Quadratmeter Bürofläche leer. Das ist eine Entwicklung, die wir nicht akzeptieren können, die aber von der Stadt seit Jahren ignoriert wird." Pahlke sieht in der Umwandlung von Wohnungen und Praxen massive Verstöße gegen die Zweckentfremdungsverordnung und fordert mehr Kontrollen.

Die leer stehende Bürofläche würde rein rechnerisch ausreichen, um daraus rund 16 000 Wohnungen mit 70 m² Wohnfläche zu machen. "Das ist knapp die Hälfte der Wohnungen, die in Hamburg fehlt", sagt Pahlke. "Schon mit relativ geringem Aufwand lassen sich Büros in Wohnungen umwandeln", sagt Pahlke, der es gern sähe, wenn die Eigentümer angesichts des Wohnungsmangels in Hamburg dazu verpflichtet werden könnten. Noch dürfen Vermieter Büros so lange leer stehen lassen, wie sie wollen.

Dennoch wurden seit 2005 rund 70 000 m² Bürofläche in Wohnungen umgewandelt. Die Stadt hat dafür sogar eine Umwandlungsprämie ausgelobt. Doch viele Experten sind skeptisch, ob das in großem Stil gelingt. So werden für die Kosten einer Umwandlung noch einmal 50 Prozent der ursprünglichen Baukosten veranschlagt, was kostendeckende Mieten in weite Ferne rückt. Noch ist die Büronutzung renditeträchtiger als die Wohnraumvermietung. Doch sinkende Büromieten könnten das bald ändern. "Die Spitzenmiete von jetzt 22 Euro je m² wird noch leicht sinken", sagt Wende. Der Durchschnittspreis für die Büros erreicht inzwischen 13,37 Euro. Da müssen manche Mieter in der Innenstadt schon mehr bezahlen. So kosten die Zwei-Raum-Wohnungen in dem elfgeschossigen Wohnturm in der Drehbahn neben dem Bürokomplex CR 16 zwischen 13 und 15 Euro je m².

Besonders dramatisch ist die Situation in der Hamburger Innenstadt. Fast 290 000 m² stehen leer. Über 200 000 m² entfallen dabei auf Flächen mit bester Ausstattung. Doch auch das lockt keine Mieter. "Viele Anmietungsentscheidungen werden zurückgestellt, das betrifft alle Branchen", sagt Sami Steinbach, Vorstandsvorsitzender der Angermann Real Estate Advisory AG. "In den Unternehmen herrscht noch sehr viel Unsicherheit", sagt Wende. Das macht die Vermietung neuer Flächen zu einem langwierigen Geschäft. "Von der Anbahnung bis zur Unterzeichnung des Mietvertrages dauert es drei bis neun Monate", sagt Wende.

Im ersten Halbjahr wurden 185 000 m² Bürofläche neu vermietet. Je nach Maklereinschätzung liegt der Rückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwischen null und zehn Prozent. Die Makler müssen sich jetzt vor allem mit Abschlüssen über kleine Flächen abfinden. 95 Prozent der Mietverträge umfassen Flächen bis 1000 m².

Die Branche hofft auf das zweite Halbjahr. "Dank einiger ausstehender Anmietungsanfragen mit großen Flächen rechnen wir mit einem stärkeren zweiten Halbjahr", sagt Andreas Rehberg, Geschäftsführer von Grossmann & Berger. Vor allem die Umzüge von Hamburger Behörden sollen den Umsatz von Büroflächen für das Gesamtjahr auf 400 000 bis 450 000 m² bringen. Wende rechnet mit einer Größenordnung von 100 000 m² durch Hamburger Behörden. Zwar wird die Wirtschaftsbehörde erst 2013 in die HafenCity ziehen und die Stadtentwicklungsbehörde ebenfalls 2013 nach Wilhelmsburg. Die Mietverträge sollen schon früher unter Dach und Fach sein und damit in die Statistik einfließen. Doch Umzüge von Firmen und Behörden allein lösen das Problem mit dem Leerstand noch nicht. Denn dann bleiben am alten Ort leere Büros zurück.