Der Aufdruck “Ein Platz an der Sonne“ steht für die Fernsehlotterie, gefällt aber auch den Rechten gut. Der FC St. Pauli sieht aber keine Gefahr.

Hamburg. An sich ist an den neuen Trikots des FC St. Pauli nichts auszusetzen. Bei Heimspielen tragen die Kiezkicker künftig ein schickes kupferfarbenes Hemd. Auswärts treten sie in weißen Jerseys im Retrolook an, die eine Replik auf die Sportkleidung von St. Paulis Wunderelf aus den 40er-Jahren sein sollen. Beide Hemden ziert der Aufdruck "Ein Platz an der Sonne". Vor drei Jahren bot die bei Neonazis beliebte Modemarke Thor Steinar ein hellbraunes ärmelloses T-Shirt mit dem gleichen Aufdruck an. Darunter war eine Palme sowie der Schriftzug "Thor Steinar Expedition" zu sehen.

Es ist zunächst einmal erstaunlich, dass das Trikot des FC St. Pauli, der sich als antifaschistischer und antirassistischer Fußballverein versteht, den gleichen Aufdruck wie ein bei Rechtsextremisten beliebtes Kleidungsstück aufweist. Der Begriff "Ein Platz an der Sonne" auf dem Thor-Steinar-T-Shirt steht jedoch in einem völlig anderen Zusammenhang als der Schriftzug auf dem Trikot des Kiezklubs.

Der Aufdruck auf den Jerseys des FC St. Pauli bezieht sich auf den gleichnamigen Slogan der ARD Fernsehlotterie. Dies erschließt sich aber nur dem, der weiß, dass die Lotterie der neue Hauptsponsor des Klubs ist. Die ARD-Intendanten wollten - wohl aus Furcht, man könne ihnen vorwerfen, Gebühren zu verschwenden - das Lotterie-Logo mit dem ARD-Schriftzug und der Eins des Ersten nicht auf den Trikots der Pauli-Profis sehen. So erst entstand die Verwechselungsgefahr mit den T-Shirts der Rechten.

Die beziehen sich auf eine Rede, die am 6. Dezember 1897 der damalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt und spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow vor dem Reichstag hielt: "Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne", sagte er. Damit wollte Bülow den Anspruch des Deutschen Reichs auf Kolonien in Übersee untermauern. In seine Kanzlerschaft fällt die brutale Niederschlagung des Herero-Aufstands von 1904 im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, die 75 000 bis 85 000 Menschen das Leben kostete.

Mit dem Schriftzug "Ein Platz an der Sonne" auf dem Thor-Steinar-T-Shirt ist genau der "Platz an der Sonne" gemeint, den Bülow 1897 dem Deutschen Reich verschaffen wollte. Dafür spricht nicht nur die Safari-Anmutung des Hemdes mit der aufgedruckten Palme. Es ist Teil einer Serie von T-Shirts, von denen einige noch viel deutlicher auf den Kolonialismus verweisen: So stehen auf einem von ihnen die Begriffe "Ostafrika", "Heia Safari" sowie die Namen von drei Städten in Tansania, dem einstigen Deutsch-Ostafrika.

Dass man mit dem Motto "Ein Platz an der Sonne" wunderbar provozieren kann, hat sich bei den Rechten herumgesprochen. Ein Album des deutschnationalen Rappers Dissziplin, der kein Nazi sein will, heißt "Platz an der Sonne". Im gleichnamigen Song rappt er: "Das ist meine Bestimmung, ich beschreite den Blutweg zum Platz an der Sonne, dem Platz, der mir zusteht."

Weiß der Verein um die Verwechslungsgefahr mit dem Slogan der Rechten? Der Marketingchef des FC St. Pauli, Michael Meeske, sagt, dass er eine solche Gefahr für höchst unwahrscheinlich halte. Auf dem Online-Portal des St. Pauli News & Social Clubs und im St.-Pauli-Fanforum wurde der Trikot-Aufdruck aber kontrovers diskutiert.

Bei der ARD Fernsehlotterie ist man sich des Problems bewusst. Auf den Werbebanden des Millerntorstadions soll eine Version des Logos ohne ARD-Schriftzug und ohne die Eins des Ersten angebracht werden, der dennoch unmissverständlich klarmacht, worauf sich der Slogan "Ein Platz an der Sonne" bezieht. Möglicherweise bekommen die Trikots aber auch einen neuen Aufdruck: Auffällig ist, dass auf Fotos der letzten Testspiele die Fußballer zwar das neue Trikot tragen. Der Werbeaufdruck aber fehlt. "Wir können im Laufe der Saison den Schriftzug noch wechseln", sagt Manager Meeske.

Der Slogan der ARD Fernsehlotterie stammt übrigens aus dem Jahr 1948. Damals flogen die Alliierten unter dem Motto "Ein Platz an der Sonne" West-Berliner Kinder nach Westdeutschland, um ihnen Ferien auf dem Lande zu ermöglichen. Diese von diversen Fluglinien fortgeführte Aktion wurde von der 1956 gegründeten Lotterie unterstützt.