Eine in Hamburg geborene britische Landschaftsarchitektin macht den Deutschen mehr Mut zu genussvollem Pflanzen.

Hamburg. Die deutschen Einfahrten sind ein noch unerforschtes Phänomen. Warum um Himmels willen sehen sie alle gleich aus: Betonformsteine, Messingtor, Eisenlaterne ...?"... Rasenkante, Kriechwachholder", ergänzt Gabriella Pape und lacht. "Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass die meisten Menschen den Vorgarten immer noch als Nutzfläche sehen. Dabei ist er ja schon der eigentliche Empfangsraum, lange bevor man in den Korridor kommt." Dass man auch den Vorgarten individuell gestalten kann, "das wird gerade erst entdeckt."

Der "Empfangsraum" ihrer Königlichen Gartenakademie in Berlin-Dahlem ist der Parkplatz - kein einziger Kriechwachholder, sondern Beete mit Mohn und lila Allium. In Weißdornbäumen summen die Bienen so laut, als würden sie dafür bezahlt. Also: Es geht auch anders. Gabriella Pape, die Landschafts- und Gartenarchitektin, die in Hamburg aufwuchs, hat eine Theorie. Nach dem Zweiten Weltkrieg, meint sie, waren Gärten primär zur Selbstversorgung da gewesen. "Es war für lange Zeit nicht so, dass man im Garten saß und das einfach genoss. Höchstens am Sonntag wurde mal draußen Kaffee getrunken. Und als es den Leuten wieder besser ging und die Gemüsebeete verschwanden, wurde statt Blumen Rasen drübergesät."

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Allerdings auch nicht Rasen zum Liegen, zum Ins-Blaue-Gucken und zum Maikäferzählen. Sondern Rasen zum Mähen. "Den Garten einfach als schöne Oase für das Genießendürfen und Müßigsein zu benutzen, das war verpönt", sagt Gabriella Pape. "Und Geld für etwas auszugeben, das man nicht essen und das sogar eingehen kann, das galt auch als ein bisschen dekadent."

Das ändert sich seit einigen Jahren. Die Deutschen entdecken die Lust am Garten und an der Gartenkultur: Gartenbücher werden in den Buchhandlungen als "A-Thema" präsentiert. Kleingärten erleben ein Comeback, Tausende Besucher pilgern zu Gartenfesten in den Herrenhäuser Barockgärten von Hannover oder im Landschaftspark von Schloss Ludwigslust. Gartenreisen werden immer beliebter, Gartennetzwerke boomen. Offenbar gibt es einen gewaltigen Nachholbedarf. Da ist Gabriella Pape nach 20 Jahren England-Aufenthalt gerade rechtzeitig zurückgekehrt. Sie hatte in Kew (London) studiert und Gärten für Villen, Schlösser und Institutionen gestaltet. 2008 rief sie dann in Berlin-Dahlem die Königliche Gartenakademie ins Leben. Genau dort, wo der Park- und Landschaftsgestalter Joseph Peter Lenné 1903 die Königliche Gärtnerlehranstalt gegründet hatte. In den denkmalgeschützten Gewächshäusern finden jetzt Gartenseminare und Vorträge statt. Auch mit Kolumnen und Büchern macht Gabriella Pape Mut zum kreativen Gärtnern (ihr jüngstes: "Meine Philosophie lebendiger Gärten", Irisana).

Der England-Kennerin Pape fallen ein paar Unterschiede zwischen britischer und deutscher Gartenlust auf. In England, sagt sie, ist "gardening" kein Nischenthema, sondern gilt auch unter männlichen Geschäftsleuten als anspruchsvolles Hobby. In Deutschland hingegen wird der Garten "in Angriff genommen". Ausgerechnet im Mutterland der Romantik geht es um Gartenarbeit.

Aber die romantische Seite des Gartens wird wiederentdeckt, vor allem von den Frauen: Sie kreieren das Idyll; die lauschige Ecke unter dem Holunder, die Bank am Lupinenbeet. Männer haben eher den Sinn für Gartentechnik. "Es ist so wie beim Kochen", sagt Gabriella Pape. "Seit sich immer mehr Männer fürs Kochen begeistern, haben die Frauen neue Töpfe, Globalmesser und elektrische Gemüsemixer." Männer brauchen neue Laubsauger und neue Hacken und Gartenhandschuhe. Sie suchen die Herausforderung. Der Gartenteich zum Beispiel ist fast immer "Papas Werk". Was zählt, ist der ideelle Wert: "Das hab ich selbst gemacht."

Ein Garten, egal wie groß, ist immer ein Ort der Sehnsüchte. Manchen reicht ein kleiner, schattiger Hof zwischen alten Brandmauern, an denen wilder Wein klettert. Anderen schwebt ein wogendes Farbenmeer vor wie im Garten des Impressionisten Claude Monet. Wieder andere wünschen sich einen bunten Bauerngarten mit Buchsbaum und Stockrosen. Und wie kriegt man den hin? An manchen Gartenfreunden sind wahre Chemiker verloren gegangen: Sie lösen Pferdemist in Wasser auf und bestreichen mit der Pampe liebevoll die Bodenkrume. Viele können einfach nichts wegwerfen, andere reißen radikal alles raus. Manche verbuddeln Zwiebeln oder werfen sie mit großer Geste um sich, wie die Königinmutter von Rumänien Almosen unter transsilvanische Bauern gestreut hat (ein Rat des Briten Harold Nicolson, Ehemann der Gartengründerin Vita Sackville-West).

"Es hilft, sich den Garten wie eine Theaterinszenierung vorzustellen", sagt Gabriella Pape. Mit Kulissen, Haupt- und Nebendarstellern. Da gibt es Diven, auf die jeder gucken soll: die Pfingstrose oder der leuchtende Mohn. Sehr gute Nebendarsteller sind silbrige Gräser, Salbei, blau blühende Katzenminze oder die weißen Rispen der Silberkerze. Pape findet es spannend, den Garten aufzuteilen wie ein Haus: "Man kann Rasenzimmer haben und dahinter ein Blütenzimmer, blaue, weiße oder zweifarbige Zimmer, dazwischen eine schattige Ecke unter einem Baum. "Es ist wunderbar, abends mit einem Glas Wein ein Zimmer nach dem anderen zu betreten. Sie schaffen einen Ablauf unterschiedlicher Empfindungen."

Gabriella Pape will keine Lehrmeisterin sein, sondern durch Zeigen begeistern. Einsteigern bietet sie eine Hilfe an, die es so noch nicht gegeben hat: Gartengestaltung für einen Euro pro Quadratmeter (Mindesthonorar sind 500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer). Dafür müssen die Einsteiger ihren Garten genau vermessen, ihn fotografieren und in einem "Storyboard" aufmalen, was ihnen vorschwebt. Gabriella Pape macht daraus in vielen Gesprächen einen realisierbaren Plan.

"Es gibt für einen Garten nicht den einen, richtigen Weg", sagt sie. "Jeder kann ausprobieren, womit er sich am wohlsten fühlt." Die Deutschen könnten noch mutiger werden, findet sie, und eine größere Vielfalt an Pflanzen verwenden (in Englands Gärten wachsen im Schnitt zwei drittel mehr). Sie könnten auch lässiger werden, weniger an Arbeit denken, mehr an die Freude. Ein Garten ist der Ort, wo die Jahreszeiten zum Greifen sind, wo die Sinne mit den Hummeln schweifen dürfen. Einfach so.