Deutschtunesier Amor S. terrorisiert Neugraben. 1997 beging eines seiner Opfer, Mirco, Selbstmord. 13 Jahre danach ist er wieder auf der Flucht

Der 17 Jahre alte Lehrling hielt die Drohungen nicht mehr aus. Seit Jahren drangsalierte eine Bande von Jugendlichen Gleichaltrige, zwang sie, Geld und Klamotten abzugeben. "Abziehen" wird das unter den Tätern genannt. Am 31. Januar 1997 hätte Mirco Sch. "diesen Typen 750 Mark geben" sollen, schrieb er in seinem Abschiedsbrief. Ein ganzes Monatsgehalt. An diesem Tag nahm er sich das Leben. Auf der Strecke Neugraben-Harburg sprang der verzweifelte Jugendliche vor einen Zug.

Hauptverantwortlicher war Bandenchef Amor S., damals 18 Jahre alt und polizeibekannt. Ihm konnte Mircos Suizid rechtlich nicht angelastet werden. Doch wegen räuberischer Erpressung, Raubes und Körperverletzung wurde er zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Auch ein Teil seiner Komplizen musste in Haft.

13 Jahre später steht Amor S., mittlerweile im gestandenen Alter von 31 Jahren, erneut im Interesse der Öffentlichkeit. Nach Erkenntnissen der Ermittler ist er der Täter, der bei dem Angriff auf fünf Polizisten einen Beamten mit einem Tritt ins Gesicht derart schwer verletzt hat, dass nicht nur nahezu jeder Kochen gebrochen ist, sondern dieser Mann nun auch um die Sehkraft eines Auges bangen muss. Amor S., der keinen festen Wohnsitz hat, ist auf der Flucht. Gegen ihn wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.

Wie berichtet, war die Polizei zu einer vermeintlichen Schlägerei am S-Bahnhof Neuwiedenthal gerufen worden. Als die Beamten dort nichts feststellten, fuhren sie zurück. Dabei fiel ihnen ein Exhibitionist auf. Bei der Festnahme wurden die Beamten zunächst von einer zehnköpfigen Gruppe Jugendlicher und Erwachsener bepöbelt. Später wuchs die Gruppe auf 30 Angreifer an. Bei der anschließenden Schlägerei wurden fünf Polizisten verletzt. Die 16 Festgenommenen waren allesamt polizeibekannt und haben einen Migrationshintergrund.

Dass die Polizisten mit dem Anruf in eine Falle gelockt wurden, um sie gezielt anzugreifen, glaubt Polizeisprecher Ralf Meyer nicht. "Das war ein spontaner Akt während eines Routineeinsatzes." Neugraben sei immer wieder mal Einsatzschwerpunkt gewesen.

Im Bezirk Harburg zeigten sich Vertreter von Politik und Verwaltung schockiert über die Vorfälle. "Diese Straftäter müssen weggeschlossen werden. Hier ist Knast angesagt", sagt Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg (CDU). Mit mangelnder Integrationsarbeit habe die Entwicklung nichts zu tun. "Integration ist keine Einbahnstraße. Auch nicht in Harburg." Auch Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) spricht von einem Integrationsproblem. "Solange sich Familien aus anderen Kulturkreisen abschotten, Konflikte in den eigenen vier Wänden mit Gewalt lösen und nur eigene Traditionen gepflegt werden, werden wir diese Menschen nicht integrieren können."

Uwe Koßel, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, warnt davor, dass es künftig ähnliche Probleme geben könnte wie in einigen französischen Vorstädten. Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, fordert langjährige Haftstrafen für die Täter.

Der CDU-Kreisvorsitzende Ralf-Dieter Fischer fürchtet, dass die Eskalation der Gewalt "das subjektive Sicherheitsempfinden vieler rechtschaffener Bürger in erheblichem Maß beeinträchtigt". Es müsse alles unternommen werden, um kleinen Gruppen von Gewalttätern Einhalt zu gebieten.