Zahlen muss nur, wer rechts wohnt. Fertigstellung einer Straße an der Grenze zwischen Hamburg und Norderstedt sorgt für Ärger bei Anwohnern.

Hamburg/Norderstedt. Man trifft sich zum Klönen auf der Straße, ab und zu trinken sie gemeinsam Kaffee - und dass die Kinder zusammen in den Gärten spielen, ist ein alltägliches Bild. Die Anwohner der Straße Am Ochsenzoll sind das, was man eine Vorzeigenachbarschaft nennen könnte. "Wir verstehen uns hier, eine sehr familiäre Atmosphäre", sagt Petra Sellenschlo, die seit 30 Jahren in der kleinen Anliegerstraße in Langenhorn lebt. "Man kennt sich einfach, wenn man schon so lange hier zusammenlebt", stimmt ihr Nachbarin Carina Schmidt zu, die auf der gegenüber liegenden Straßenseite wohnt.

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Im Alltag spüren die beiden Frauen nicht, dass sie mit ihren Familien in zwei verschiedenen Bundesländern leben: Sellenschlo in Hamburg-Langenhorn, Familie Schmidt in Norderstedt, und damit in Schleswig-Holstein. Nun muss der Bezirk Nord - so die Anweisung der Stadt Hamburg - die Straße Am Ochsenzoll offiziell fertigstellen. Im Klartext bedeutet das unter anderem: die Asphaltdecke ausbessern, die Fahrspur verbreitern, Fußwege anlegen. Die Kosten dafür tragen zum Großteil die anliegenden Grundstückseigentümer. Und spätestens da wird deutlich, dass die Nachbarn durch die Landesgrenze getrennt sind. Denn: Familie Sellenschlo wird für ihre neue Straße zahlen müssen. Familie Schmidt nicht. Die Straße Am Ochsenzoll ist eine von mehr als 1000 Hamburger Straßen, die aufgrund einer Forderung des Landesrechnungshofs von den Hamburger Bezirken offiziell fertiggestellt werden müssen. Sie alle sind bereits in Benutzung, jedoch müssen einige komplett neu gestaltet werden, bei anderen fehlt nur noch der Abschluss des Verwaltungsakts. Erst dann kann die Finanzbehörde die Beteiligung der Anlieger einfordern - immerhin 90 Prozent der Kosten. Im Falle der Straße Am Ochsenzoll müssen die Baumaßnahmen noch durchgeführt werden, jedoch wurde den Anwohnern bereits jetzt in der Planungsphase eröffnet, dass auf jeden Anlieger Kosten von etwa 5000 Euro zukommen werden. Kurioserweise jedoch nur auf die Eigentümer, deren Grundstücke auf hamburgischem Stadtgebiet liegen. Die Anwohner aus Schleswig-Holstein müssen keinen Cent zahlen, nutzen jedoch logischerweise die Fahrbahn genauso intensiv wie ihre Nachbarn auf der anderen Straßenseite. Der Grund: Die Stadtgrenze verläuft direkt am Bordstein des nördlichen Gehwegs.

Die Stadt Norderstedt hält sich komplett aus der Planung und Umsetzung der Baumaßnahmen heraus. "Wir sehen von unserer Seite aus keinen Handlungsbedarf in dieser Sache", sagt Mario Kröska, Leiter des Fachbereichs Verkehr und Entwässerung in Norderstedt. Im Investitionshaushalt für dieses Jahr sei der Posten nicht vorhanden. Norderstedt schätze die Priorität anders ein als der Bezirk Nord. "Es gibt bei uns viele Bereiche, bei denen eine Ausbesserung wesentlich notwendiger ist. Dafür wird Norderstedt zuerst Geld in die Hand nehmen. Wenn die Hamburger bauen wollen, müssen sie auch die Kosten tragen", so der Fachbereichsleiter. "Gleiches würde ja auch für uns gelten, wenn der Fall andersherum wäre."

Auch für die Stadt Hamburg ist der Fall klar. Die Straße, die gebaut wird, liegt auf dem Hamburger Stadtgebiet. Dementsprechend können nur die Anlieger aus Hamburg verpflichtet werden, Beiträge zu zahlen. "Hamburg kann keine Beiträge für andere Gemeinden erheben", erklärt Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde. "Auch dann nicht, wenn diese in den positiven Genuss einer Maßnahme kommen." Um die Hamburger Anlieger nicht doppelt zu belasten, werden die nördlichen Grundstücke fiktiv für die Berechnung der finanziellen Beteiligung mit einbezogen. "Auf Hamburger Seite müssen die Anlieger lediglich den auf ihre Grundstücke anfallenden Beitrag zahlen", so Stricker. "Den ,Norderstedter Rest' zahlt dann 'der' Hamburger Steuerzahler."

Dass Petra Sellenschlo und ihr Ehemann Karl Heinz für den Ausbau ihrer Straße belangt werden - ihre direkten Nachbarn jedoch nicht -, ist für das Rentnerehepaar jedoch nur eine von vielen unverständlichen Tatsachen, die mit der endgültigen Fertigstellung der Straße Am Ochsenzoll einhergehen.

Auch die geplanten Umbaumaßnahmen sind für das Ehepaar völlig unverhältnismäßig. Bereits jetzt sei die eigentlich kleine Anliegerstraße ein beliebter Schleichweg für Autofahrer, die von der Langenhorner auf die Segeberger Chaussee gelangen wollen. "Wenn die Straße im Rahmen der Maßnahmen verbreitert wird, dann werden die Autos noch schneller fahren", sagt Karl Heinz Sellenschlo. Er und seine Frau wohnen an einem Eckgrundstück. Schräg hinter ihrem Haus kreuzt die Landesgrenze die schleswig-holsteinische Querstraße Alte Landstraße, die in Am Ochsenzoll übergeht. Und spätestens da wird bei einer Erneuerung der Straße die Grenze deutlich zu sehen sein. "Bei uns vor der Tür ist dann alles akkurat gepflastert, danach geht es ein paar Meter weiter mit einer Asphaltpiste weiter", sagt Petra Sellenschlo. "Natürlich müssen irgendwo die Landesgrenzen verlaufen. Mit der aktuellen Planung wirkt das alles aber ziemlich albern - auch wenn das gar nicht zum Lachen ist."