Die “Hamburg-Greeter“ machen ehrenamtlich Stadtteilführungen - abseits ausgetretener Pfade, damit sie die Schönheiten entdecken.

Uhlenhorst. Marie-Luise Wegen liebt eigentlich alles an der Uhlenhorst: die Nähe zur Alster, die kleinen Kanäle, die den Stadtteil durchziehen, die originellen Läden und die edlen Restaurants. Von Fahrzeugen umbraust, steht die 63-Jährige auf der Mundsburger Brücke und erklärt einer kleinen Gruppe die Geschichte des Bauwerks. Es ist ihre erste Stadtteilführung und sie macht sie mit sichtlicher Freude, engagiert und unkonventionell.

Marie-Luise Wegen ist kein Profi in dem Bereich, sondern ein "Hamburg-Greeter". Das ist eine Gruppe von Menschen, die sich neu gefunden hat, um Touristen ihren Stadtteil ganz individuell zu zeigen. "Komm als Gast und geh als Freund" ist das Motto des Vereins, der sich in ähnlicher Form schon in Berlin, München, Mannheim und in vielen europäischen Städten organisiert hat. Die Idee kam, wie so vieles, aus den Vereinigten Staaten: Die Ursprünge finden sich 1992 in New York, dort heißen sie "Big Apple Greeter".

+++ Persönlich: Ohne Grenzen +++

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"Wir wollen keine Konkurrenz zu den kommerziellen Stadtführern aufbauen, deswegen arbeiten wir ehrenamtlich und kostenfrei", sagt Wegen, die an ihrem neuen Hobby vor allem reizt, neue Leute kennenzulernen. Das geht ihr nicht alleine so, mehr als 50 Menschen haben sich schon über die Webseite der Hamburg-Greeter als mögliche Führer gemeldet. WeitereInteressenten sind willkommen - schließlich hat die Hansestadt viele Stadtteile und Lieblingsplätze.

Die Kerngruppe besteht allerdings nur aus zwölf Leuten - Selbstständige, Eventmanager, Beamte und auch Lehrer sind darunter. Sie alle eint die Liebe zur Hansestadt. Sie alle möchten den Gästen oder auch Neuhamburgern ein Gefühl vermitteln, wie man hier lebt, wie der Rhythmus der Stadt ist. Und sie wollen Geschichten erzählen, die in keinem Reiseführer stehen.

Während Marie-Luise Wegen auch noch durch St. Georg führen möchte, hat sich Regina Naumann auf Ottensen spezialisiert. Die Medizinjournalistin wohnt seit Jahren in dem angesagten Stadtquartier und hat Lust, Besuchern "die witzigen Hinterhöfe und Kneipen" zu zeigen.

IT-Beraterin Gerlinde Suling kann sich "Greets" für Familien mit Kindern vorstellen, in denen sie zum Beispiel den Hühnerstall mitten in Ottensen zeigen würde. Aber auch eine Tour zu ihren persönlichen Lieblingsorten in Hamburg - inklusive Isemarkt, Fischbrötchenstand an der Landungsbrücke 10 sowie Alsteranleger Alte Rabenstraße - könnte sich die 52-Jährige für die Besucher vorstellen. Gerlinde Suling ist da, wie viele Greeter, ganz flexibel.

"Es sollte immer eine Führung abseits der ausgetretenen Pfade sein", sagt Marie-Luise Wegen. Sie biegt in diePapenhuder Straße ein und zeigt aufeines ihrer Lieblingsgeschäfte, dasKlamotten aus den 50er- und 60er-Jahren verkauft. Kurz danach kommt ein Teehandels-Kontor - "das bietet Außergewöhnliches für echte Liebhaber".Die Wäscherei, die in dritter Generation betrieben wird, lässt Marie-Luise Wegen auch nicht aus.

"Viele dieser Bauten sind aus der Jahrhundertwende", doziert sie. Ihre Gäste wollen vor allem eine Shopping-Tour durch Uhlenhorst, aber ein wenig Geschichte muss dabei sein. Schließlich hat Marie-Luise Wegen sich darauf besonders gründlich vorbereitet. Etwa eine Stunde soll diese Führung dauern - das können Gäste und Greeter individuell festlegen. "Zwei Stunden sind für mich auch okay. Aber mehr als sechs Leute möchte ich nicht führen, Busladungen haben also keine Chance", sagt Wegen, die auch Touren in englischer und französischer Sprache bietet.

Sie erzählt ein wenig aus ihrem Leben, während sie mit ihrer Gruppe den Hofweg entlangschlendert, aus ihrer Zeit als Deko-Stylistin von Lebensmittelfotos, von ihrer Leidenschaft für gutes Essen. Klar, dass sie etliche Restauranttipps für den Abend parat hat.

Für den Mann in der Gruppe hat sie sich ein besonderes Highlight ausgedacht: einen Spielzeugladen für Männer, der direkt neben einem Weihnachtsdekoration-Geschäft liegt, in dem ein "echtes Hamburger Original auf uns wartet", wie Wegen ankündigt. Sie kennt die Ladenbesitzerin Gerda Hüsch noch von früher, als diese Requisiten für Medien auslieh. Ihr Geschäft ist eine Augenweide, überall blinkt und glitzert es.

Die Gruppe wünscht einen kleinen Snack - dafür schlägt Marie-LuiseWegen ihr Lieblingscafé "Himmel und Erde" vor. Der Blumenladen mit angeschlossenem Lokal ist ein Geheimtipp in der Gegend und eine ungewöhnliche Auswahl zum Abschluss einer ungewöhnlichen Tour.

Die Hamburg-Greeter suchen noch ehrenamtliche Stadtteilführer. Interessierte können sich über die Webseite www.hamburg-greeter.de melden. Darüber kann man auch Führungen buchen.