Schauspielerin Elke Jochmann tanzt auf vielen Bühnen. Für neue Theaterformate überschreitet sie auch gern Grenzen.

Hamburg. Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für diese Stadt leisten, die in Hamburg als Vorbilder gelten. Den Anfang machte Altbürgermeister Henning Voscherau. In der 28. Folge vor einer Woche: Uwe Jens Neumann, Hamburger Wirtschaftsförderung.

So viel Optimismus, so viel Energie! Wenn Elke Jochmann einmal anfängt zu erzählen, füllt sie mühelos auch größere Räume mit ihren Projekten und Visionen, weckt Begeisterung, skizziert das noch Ungesehene, sodass Lust entsteht, sich auf ihre Ideen einzulassen, ihre Experimente mit ihr zu wagen. Und auf den Ausgang gespannt zu sein, bereit, sich überraschen zu lassen. Zum Beispiel mit neuen Theaterformaten, die auf den Schnittstellen zwischen vielen Kunstsparten balancieren, sodass Neues entstehen kann.

Ein Raum dafür ist gefunden, nichts wird verraten, denn noch ist nichts unterschrieben. Aber mit Spielzeitbeginn 2012/13, also schon im Herbst, könnte es losgehen.

Elke Jochmann, Jahrgang 1975, ist Schauspielerin. Auf der Bühne und am liebsten dann, wenn es neue Räume für das Theater zu erobern gilt. Vor der Kamera, da eigentlich am liebsten, weil dort schon ein Wimpernschlag so vieles ausdrücken kann. Elke Jochmann ist aber auch: Tänzerin, Musical-Darstellerin, Event-Organisatorin, Ideenproduzentin, Motivatorin, Chancenfinderin, Netzwerkerin aus Passion und Grenzüberschreiterin.

Nur eines liegt ihr nicht: zufriedener Stillstand. Der macht sie einfach nervös. Sie braucht die ständige Bewegung. Laufen im Stadtpark, am Strand. Und manchmal meldet sich die Schweizerin in ihr, dann muss sie einfach in die Berge und mal eben schnell auf einen 3000er kraxeln.

Vielleicht liegt das im Blut, sagt sie beim Tee im Wohnzimmer-Café Loft an der Ohlsdorfer Straße, gleich beim Stadtpark. Vielleicht muss das so sein, wenn man aus einer "Wanderfamilie" kommt, wie sie das nennt. Sie ist in der Schweiz aufgewachsen - "Papierschweizerin", lacht sie.

Denn ihre Mutter ist halb Tschechin, halb Französin, eine Großmutter Französin, die nach Wien gegangen war, von dort nach Tschechien. Die Mutter wiederum ist aus Tschechien in die Schweiz geflohen, nach Zürich. Der Vater floh aus Ungarn, ging in die Slowakei, bevor auch er in der Schweiz landete, wo sich die Fäden der Familie fanden.

Alles in Bewegung, immer auf dem Sprung. "Meine Oma hat erzählt, dass ihre Eltern ein Varietétheater geführt haben in Frankreich. Meine Mutter war kaufmännische Angestellte, sie hat aber viel gesungen. Der Vater war Ingenieur.

Der Hang zum Theater muss Elke Jochmann im Blut gelegen haben. Mit drei Jahren - hat ihr neulich eine alte Freundin erzählt - zum Fasching, als sich andere Kinder als Cowboy oder Prinzessin verkleidet haben, habe sie sich einfach besonders hübsch angezogen, Lippenstift und Schminke dazu, fertig. Auf die Frage, was das denn jetzt sein solle, habe sie geantwortet: "Ich bin Schauspielerin." Sprach's, und wurde erst mal Tänzerin. Hartes Training, bis sie in Shows, bei Events und fürs Fernsehen tanzt. Dann, mit 16 Jahren, plädieren die Eltern erst einmal für den sicheren Weg: eine kaufmännische Ausbildung.

Sie macht das, die Tänzerin in ihr aber lässt sich nicht unterkriegen, sie tanzt weiter. Ihre Company-Leiterin Christina Fausch ermutigt sie nach dem Wirtschaftsabitur, sich in Hamburg bei der Stella Academy für die Ausbildung zur Musical-Darstellerin zu bewerben.

Elke Jochmann wird angenommen, zieht nach Hamburg, neue Türen gehen auf: vor allem durch die Schauspielausbildung, den Sprechunterricht. Am Ende findet sie gleich eine Agentur, erste Rollen, zwischen "Boeing, Boeing" und "Kirschgarten", "Müllers Büro" und extremen Texten wie dem des Büchner- und Staatspreisträgers Josef Winkler: "Ich trage einen Schlachthof in mir, auf den die Poesie wird antworten müssen." Vor der Kamera steht sie in Kurzfilmen und großen TV-Produktionen, für Sat.1 und RTL, für Imagefilme und das ZDF.

Ein Wanderleben, viel Wien ist dabei. Ein Springen zwischen den Rollen, in dem der Rausch des Theaterlebens, das Abheben in andere Welten genauso seinen Platz hat wie ihre "solide Seele". Dann ist Elke Jochmann mal wieder Freelancerin für eine Eventagentur, zurück aus dem Theaterkosmos auf dem Boden der Realität. "Und ich merke: Moment, darum geht's auch im Leben." Ganz normal eigentlich für eine junge Schauspielerin: Jobs finden, Leidenschaft auf Zeit für jede Rolle, sich irgendwie durchhangeln.

Bei Elke Jochmann aber fehlt der nörgelnde, der immer eine Spur unzufriedene Unterton, den solche Erzählungen oft in sich tragen.

Sie findet es auch keineswegs ehrenrührig, dass andere Künstler ihr hin und wieder sagen: "Elke, kannst du das nicht mal organisieren, du hast einfach ein Händchen dafür." Für einen Freund, der eine Foto-Akademie in Graz leitet, hat sie das Marketing und die Pressearbeit übernommen, "weil ich einfach sehe, was da getan werden muss". Sie macht. Und überlegt bei jedem Schritt zugleich, wie er sie ihren eigenen Träumen näher bringt. Schon in Wien hat sie oft laut über das Nebeneinander der verschiedenen Kunstsparten nachgedacht und was passieren würde, wenn sie es mal miteinander probieren würden. Heute hat das Kind einen Namen, heißt "interdisziplinäre Kunstformate". Probiert ist es auch schon. In Hamburg, Rothenburgsort, Brandshof, in einer alten Halle.

"ARTiculation - art meets business meets marketing", so lautet der etwas sperrige Titel, der aber ziemlich genau sagt, was dort im Herbst 2010 passiert ist: Die Kunst hat sich, sagt Elke Jochmann, mit den Netzwerken der jungen Generation ganz zwanglos verbunden. Darstellende Kunst, Tanz, Film, Modedesign, Musik und Lichtdesign gehen wechselnde Verbindungen ein, das Publikum sitzt nicht festgeschraubt auf Stühlen, sondern kann herumgehen, jeder für sich eigene Inspirationsquellen entdecken. Direkte Interaktion à la Facebook: gefällt mir, gefällt mir nicht. Der Immobilienbesitzer und Kulturmäzen Klausmartin Kretschmer war davon begeistert, er hat ihr geholfen, das zu realisieren.

Böse Zwischenfrage: Ist das Ziel eine Art Varieté mit Hochkultur-Häppchen? "Ich mag keine Schubladen, ich möchte das nicht gleich wieder schubladisieren", sagt Elke Jochmann. Sind die Hamburger schon bereit für ein solches Aufknacken sicherer Kulturformate? Oder doch noch zu konservativ? "Hab ich nicht gespürt. Es kamen Leute, die sonst zur Kultur keinen wirklichen Zugang finden - Marketiers, IT-Nerds, Junioren aus Agenturen, Medienleute. Ein IT-ler", erzählt sie, "kam nachher und sagte mir: ,Das war total verstörend, ich hab nicht wirklich viel verstanden, ich hatte 1000 Fragezeichen, aber es war wunderbar'." Solche Menschen will sie begeistern. Einen anderen Zugang zur Kultur finden, wenn's richtig gut läuft, neues Publikum erschließen. Wie man das macht, das ist eine Grundfrage, mit der sich fast jeder Kulturmacher herumschlägt. Elke Jochmann glaubt, dass man manchmal nur ein bisschen an ein paar Schräubchen drehen muss, um Althergebrachtes neu zu fokussieren und wieder interessant zu machen.

Da fällt ihr eine Menge ein, zu viel verraten will sie aber auch nicht: In einer Galerie zu Bildern Texte vortragen, mit Licht und Klang wechselnde Stimmungen erzeugen. Ein Dach für verschiedene Kunstsparten in immer neuen Kombinationen wünscht sie sich, "Poetry-Slam, weiterentwickelt, gecrasht mit Musik, Synergie, Vernetzungen. Fashion-Shows mit Tanz, Kunst und Kulinarik ..." Schließlich weiß sie aus eigener Erfahrung, wie kreativ Kochen und Essen mit Freunden sein kann.

Was sie gar nicht mag: öde Wiederholungen, die Idee, etwas sei "fertig". Sie will Erlebnisse schaffen, die sich jeden Abend verändern. Kein klassisches Theater, eher eine "Playstation", etwas, das die Generation Facebook und YouTube wegholen kann vom Bildschirm. Ist das Zauberei? "Zauberei kann da ruhig auch dabei sein."

Aufbruchstimmung pur. Ein Team von vier Machern hat sich schon gefunden. Ideengeber gibt es noch mehr, auch ihren Lebenspartner, einen Schauspieler aus Österreich, der ihretwegen nach Hamburg gezogen ist. In der Fuge zwischen den Sparten - da soll das Neue wachsen wie Gras zwischen den Pflastersteinen. Und die Macherin kann endlich alles einsetzen, was sich im Rucksack an Ausbildung, Erfahrung und Kontakten angesammelt hat. Muss Starthelfer und Sponsoren finden.

Elke Jochmann und ihre heiteren Grübchen, die sich immer dann zeigen, wenn sie von Herzen lacht, wird das sicher gelingen. Der Stein, den sie ins Wasser geworfen hat, zieht Kreise. Zweifel sind ihr keine anzusehen. Aber vorhanden? "Manchmal denkt man: Bist du verrückt? Dann muss sich die Euphorie gegen Fragezeichen behaupten." Und sagt dann energisch: "Hat bisher noch immer geklappt."

Elke Jochmann gibt den roten Faden weiter an die Modedesignerin Elke Walter, weil die "so wunderbar weibliche Mode macht, in der man sich als Frau so richtig wohlfühlen kann".