Uwe Jens Neumann zieht die Fäden der Hamburger Wirtschaftsförderung. Ein Mann, der auf seinem Gebiet so gut wie unantastbar ist.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für diese Stadt leisten, die in Hamburg als Vorbilder gelten. Den Anfang machte Altbürgermeister Henning Voscherau. In der 27. Folge vor einer Woche: Hans-Christoph Klaiber, Eventmanager

Bis man bei dem wichtigen Netzwerker der Stadt angekommen ist, muss man außergewöhnlich lange fahren. Viel zu lange, findet auch Uwe Jens Neumann. Er, der als Geschäftsführer der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung sogenannte Top-Level-Kontakte zu Mitgliedern des Hamburger Senats sowie zu Amts- und Abteilungsleitern in der Hamburger Verwaltung pflegt, sitzt einiges vom Mittelpunkt der Macht entfernt. Im Wirtschaftszentrum an der Habichtstraße 41 in Barmbek-Nord. Gut 30 Minuten braucht Neumann, wenn er von einem Termin in der Nähe des Rathauses zurück in sein Büro will.

Nicht gerade zuträglich für einen, der sich als Lotsen beschreibt, der die Interessen der Wirtschaft gegenüber Verwaltung und städtischen Institutionen wahrnimmt. Oder ausländischen Wirtschaftsunternehmen hilft, sich in Hamburg anzusiedeln und zu etablieren. "Das ist absolut unser wunder Punkt", sagt Neumann, der ausnahmsweise Besuch in seinem Büro begrüßt. Sonst trifft er sich in Cafés oder in seinem Klub, der Hanse Lounge am Neuen Wall. "Wir müssten eigentlich näher dran sein. Glücklicherweise ist ein Umzug zurück ins Zentrum für Ende 2013 geplant", sagt er.

Als Neumann beginnt, die gesamte Leidensgeschichte, die Historie des Standorts der Wirtschaftsförderung, zu schildern, werden zwei Dinge deutlich, die das positive öffentliche Image des 56-Jährigen erklären: Neumann ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, mit ruhiger, sanfter Stimme baut er die Spannung auf und unterhält selbst mit einem eigentlich drögen Thema vorzüglich. Zum anderen weiß er genau, wann es ratsam ist, über Fehler anderer zu schweigen. Dass es der damalige Wirtschaftssenator Gunnar Uldall war, der dafür sorgte, dass Neumann und sein Team nun in Barmbek-Nord residieren, kann er hingegen heute aussprechen. Eine "an sich gute Idee, alle Unternehmen, die zur Stadt gehören, zu bündeln". Weniger gut der gewählte Ort. 2007 musste die Wirtschaftsförderung aus den praktisch gelegenen Mundsburg-Türmen raus, zog dann aber nicht wie verheißen in die HafenCity, sondern nach Barmbek-Nord.

Fast belustigt erwähnt er in noch gedämpfterer Tonlage die damals anstehende Bürgerschaftswahl. Er kennt sie eben, die Hintergründe und sich ewig wiederholenden Ränkespielchen. Jedoch weiß er genauso, welcher Amtsträger besser nicht in diesem Zusammenhang genannt werden sollte. Während all seiner Ausführungen liegt ein Lächeln auf Neumanns gebräuntem Gesicht, der linke Knöchel ruht entspannt auf dem rechten Knie. Die Haltung eines Mannes, der auf seinem Gebiet so gut wie unantastbar ist.

Zu gern würde man zuhören, wenn Neumann einen japanischen, arabischen oder rumänischen Geschäftsmann in die Verstrickungen und Besonderheiten der Stadt einführt. Erklärt, welchen Senator oder Behördenchef man wann und wo in der besten Laune erwischt, wer gern wo isst oder lieber nur einen Tee im Klub trinkt. Seit 1999 ist der gebürtige Hannoveraner Chef der Wirtschaftsförderung und damit Angestellter der Stadt, "obwohl ich ja so gar nichts Staatliches an mir habe", wie er verschmitzt bemerkt. Aber mehr als die meisten, denn sein Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften hat er an der Hochschule der Bundeswehr absolviert, wo er 1982 mit dem Enddienstgrad eines Oberleutnants ausschied.

Doch ist klar, dass ein Beruf für den umtriebigen Kontakteknüpfer, den Netzwerk-Berufenen, nicht ausreicht. Deshalb gibt es hamburg@work. Sein Baby. Natürlich ein Netzwerk: "Hamburg@work ist eine Initiative für Medien, IT und Telekommunikation, die von der Stadt und Hamburger Unternehmen, die sich im Hamburg@work e.V. zusammengeschlossen haben, getragen wird", sagt Neumann.

Seit 1997 kamen mehr als 2500 Mitglieder aus über 650 Unternehmen der sogenannten digitalen Wirtschaft der Stadt zusammen. "Damit sind wir bundesweit die Größten", sagt Neumann stolz. Und auch hier schlummert eine erzählenswerte Geschichte über die Entstehung der Plattform, die für viele Hamburger Geschäftsleute Sockel der Existenzgründung war und ist. Da gab es einen Verein, der sich aus dem "Haus der Multimediaproduzenten" in Ottensen entwickelte, der 1996 noch Förderkreis Multimedia hieß und von der Wirtschaftsförderung initiiert wurde. Neumann wurde bald freundlich zum Vorsitz genötigt.

"Verein, das Wort allein war für mich etwas Schreckliches", sagt Neumann rückblickend, "ich dachte da an Taubenzüchter, und bei so etwas sollte ich nun auch noch Vorsitzender werden - na gut." Gemeinsam mit dem damaligen Wirtschaftssenator Thomas Mirow entwickelten Neumann und das Team Möglichkeiten, etwas für die aufkeimende Internetbranche in der Medienstadt zu tun. Hamburg@work schließlich blieb als Überbleibsel der turbulenten Zeiten des Internethypes mit Tausenden von Start-up-Unternehmen bestehen. Nicht nur, aber auch wegen der beliebten Partyveranstaltungsreihe mit dem Titel "Die Online-Kapitäne". Ein Branchentreff der Landesinitiative, der mit 25 Gästen - "davon waren gerade mal fünf echte Online-Unternehmer" - auf der "Cap San Diego" begann und zum Markenzeichen von hamburg@work heranwuchs.

Neumann, auch kalkulierender Geschäftsmann, begann, Eintritt zu verlangen, und bot dazu bekömmliches Essen und ebensolche Jazzmusik an. 1999 besuchten dann 1500 Vereinsmitglieder die Party, die mittlerweile im Kaispeicher A, dem heutigen Standort der Elbphilharmonie-Baustelle, stattfand. Ausstaffiert mit bunten Buttons am Revers. "Rot hieß: 'Ich habe Geld.' Grün bedeutete: 'Ich suche Geld.' Und gelb waren die anderen", sagt Neumann, lacht dabei, lehnt sich auf seinem Bürostuhl zurück und verschränkt die Arme. Das sei eine gute Geschäftsidee gewesen, um junge Leute mit großen Ideen an die Unternehmer mit dem nötigen Kleingeld heranzubringen. "Die Regeln in der New Economy waren damals eher nicht hanseatisch", so Neumann, der in dritter Ehe mit seiner Svenja, einer Politikberaterin, verheiratet ist.

Sein Konzept ging dennoch auf, vielleicht gerade deshalb, weil er sich nicht an bestehende Konventionen hielt. Denn der Sinn des Vereins war und ist es, die Medienmetropole Hamburg als Standort der Informations- und Kommunikationstechnologien auszubauen, die Unternehmen dieser Branchen zu unterstützen und mit anderen Arbeitsfeldern zu vernetzen.

Während der Anfangszeit seines Herzblut-Engagements bei hamburg @work arbeitete Neumann noch bei Viag Intercom, hier kümmerte er sich als Regionalleiter um den Aufbau der Netz- und Marktstrukturen in der Telekommunikation. Auch wenn Neumann diesen Job für die Wirtschaftsförderung aufgab, ist er der Telekommunikation treu verbunden geblieben: Sein Handy ist immer auf Empfang. Seine 625 gespeicherten Kontakte kennt er alle persönlich. Dauerklingeln ist programmiert. Nervt das nicht manchmal? "Ich mache mein Telefon höchstens abends mal auf lautlos, aber dann sehe ich ja auch immer, wer mich angerufen hat, damit ich zurückrufen kann", sagt Neumann. Für ihn bedeutet es, ständig "on" zu sein, keinen Dauerstress, er liebt dieses unruhige Leben mit dem Ritual des Visitenkartentausches. Meistens jedenfalls. Er lächelt keck.

"Mittlerweile bin ich ein Meister darin, negative Dinge so darzustellen, als seien sie positiv", so Neumann. Sogar, wenn es um Alkohol geht. Ein Problem, das jeder kennt, der gesellschaftlich viel eingebunden ist und Abendveranstaltungen besucht. "So viel wie mir angeboten wird, kann und will ich gar nicht trinken, deshalb muss man die Tricks kennen und auch mal nur so tun, als ob man trinke." Neumann ist fast jeden Abend verplant. "Ich bin eigentlich immer unterwegs und habe da dann gleich zwei Hüte auf", sagt Neumann, "den für die Wirtschaftsförderung und den von hamburg@work."

Und wie andere Schuhe sammeln, häuft Neumann nebenbei noch Funktionen in netzwerkaffinen Bereichen an. Er ist stellvertretender Vorsitzender und Finanzvorstand im PR Club Hamburg, Beirat im Marketing Club Hamburg, Mitglied im "Ausschuss für E-Business", Mitglied der Hanse Lounge seit Gründung des privaten Business Clubs angelsächsischen Stils und Mitglied im Norddeutschen Regatta Verein. Schließlich weiß Neumann besser als die meisten, dass es dort um viel mehr als nur den Segelsport geht. Gäbe es einen Tiefsee-Tauchklub in warmem Wasser, wäre Neumann dort allein aus privaten Gründen Mitglied. "Beim Tauchen in Südafrika finde ich die Erholung in der Natur, die ich brauche", sagt Neumann. Da sei einfach nur Stille. Da störe ihn und seine Frau niemand. Handyempfang gibt es in den entlegenen Naturschutzgebieten sowieso nicht - sonst wäre Uwe Jens Neumann wohl nie wirklich "off".

Uwe Jens Neumann gibt den roten Faden an Elke Jochmann weiter. "Sie ist eine Schauspielerin und Produzentin mit Ausnahmetalent. Sie bereichert Hamburg mit interdisziplinären Kunst-Events, bei denen Schauspiel, Tanz, Mode, Licht, Malerei, Design und Musik verschmelzen."