Heute in der Abendblatt-Serie: Gert Prantner, einer der größten Hoteldirektoren Deutschlands, der 25 Jahre das Hotel Vier Jahreszeiten leitet.

Hamburg. Die Abendblatt-Serie: Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für diese Stadt leisten, die in Hamburg als Vorbilder gelten. Den Anfang machte Altbürgermeister Henning Voscherau. In der zweiten Folge vor einer Woche: Annemarie Dose.

Gert Prantner besitzt einen schwarzen Lederkoffer mit goldenen Schnappschließen. Er hat auch einen großen, schwarzen Lederkalender, der in diesem Koffer liegt. Diese beiden Stücke begleiten den 71-Jährigen schon sehr lange. Der Kalender, die sauber aufbewahrten Register der vergangenen Jahrzehnte, sie sind Prantners Versicherung. Sein Gedächtnis, beinahe ein Tagebuch. Ordentlich aufgeschrieben, abwechselnd mit rotem und schwarzem Kugelschreiber, seine Termine, Telefonate, Treffen. Als wolle er dokumentieren, was er ist, was er war.

Ein Leben, festgehalten auf losen Papierseiten. Prantner gibt das Sicherheit und Struktur - vielleicht, weil er sich diese Grundfesten selbst hart erarbeiten musste, als sein Vater ihn im Alter von 14 Jahren des Elternhauses verwies. "Von dort an musste ich mich allein durchboxen", sagt Prantner, "bis ich 21 war, das waren für mich die wichtigsten Jahre meines Lebens."

Damals, 1954 im Südtiroler Brixen, hätte keiner so recht daran geglaubt, dass aus dem Schulabbrecher einmal einer der größten Hoteldirektoren Deutschlands werden sollte. Der Bub, der die Lateinprüfung nicht bestanden hatte und sich gegen den Wunsch des Vater auflehnte, sie zu wiederholen. Der dafür lieber als Page im Hotel Bristol in Meran einen Sommerjob antreten wollte: Niemand hätte geahnt, dass der Junge von einst später 25 Jahre lang das Hotel Vier Jahreszeiten an der Binnenalster erfolgreich führen würde.

Neue Serie: Voscherau nimmt den Faden auf

Geholt wurde der damals 28 Jahre alte Mann vom Inhaber selbst, Fritz Haerlin hatte Prantner im Vier Jahreszeiten München entdeckt und 1968 an die Elbe geholt. Erst als Empfangschef und persönlichen Assistenten, dann machte Patron Haerlin ihn zum Direktor. "Mein Auftrag damals war ganz klar: Ich sollte das Haus hochfahren und auf dem Höhepunkt verkaufen", daran erinnert sich Prantner bestens. Er musste für "Turn arounds" sorgen - und ein bisschen Tirol klingt charmant in seiner englischen Aussprache mit.

Obwohl ohne Swimmingpool - ein kleiner Makel für ein Luxushotel - warb Prantner inbrünstig für sein Vier Jahreszeiten, bereiste mit dem jeweils amtierenden Bürgermeister und Atlantic-Direktor Karl Theodor Walterspiel die Welt. "Als ich 1968 nach Hamburg kam, da weinte die Stadt. Gerade brach der Schiffbau weg, es gab keine Einkaufspassagen, kein Kongresszentrum."

Freitags um halb drei habe man die Bürgersteige hochgeklappt. Nicht eben die besten Voraussetzungen für den ambitionierten jungen Mann, der das feine, aber angestaubte Privathotel zu mehr Rentabilität führen sollte und wollte. Er ließ das Vier Jahreszeiten von großen Firmen in ihre Hotellisten aufnehmen, lockte dann mit besonderen Übernachtungsraten die dringend benötigten internationalen Geschäftsreisenden an. Er analysierte die konkurrierenden Hamburger Hotels, kam zu dem Schluss, dass sie mit absoluter Perfektion in Service und mit familiärer Atmosphäre punkteten. Sein Plan ging auf, Prantners Erfolgsgeschichte ist an den Zahlen ablesbar: Von rund zwölf Millionen D-Mark Umsatz 1975 verdreifachte er diesen bis 1989 auf 35 Millionen.

Für seinen beruflichen Erfolg opferte Prantner unaufholbare Familienzeit. Ehefrau Sabine brachte die beiden gemeinsamen Kinder Stefanie und Thomas 1966 und 1969 allein in Lübeck bei ihrer Familie auf die Welt, hier arbeitete der Schwiegervater als Mediziner. Prantner konnte nicht aus dem Münchner Hotelbetrieb ausscheren und sah seine Kinder erst eine Woche später. Er bedauert das zwar, doch rechtfertigt er die Notwendigkeit. "Ich musste doch die Existenz meiner Familie sichern. Wäre ich einfach weggegangen, dann wäre ich meinen Job los gewesen. Die Zeiten waren damals eben noch anders." Er habe seinen Beruf ein Leben lang als Berufung erlebt. Das fordere Opfer, in seinem Fall persönliche. Doch seine Ehe besteht mittlerweile seit 47 Jahren. "Meine Karriere verdanke ich meiner Frau. Sie hat mich unterstützt und nie vom Arbeiten abgehalten", sagt er ruhig.

Dabei hatte Prantner nie einen Masterplan für ein Leben in der Welt der Luxushotels, vielmehr war es ein Zufall: "Als ich als Page in Meran im Bristol war, gehörte es auch zu meinen Aufgaben, die glänzenden Prospekte von anderen Hotels auf einem niedrigen Tisch für die Gäste zu ordnen", sagt er und lehnt sich im weichen Sessel in der Wohnhalle des Vier Jahreszeiten zurück, nimmt seine randlose Brille ab. "Die Broschüren habe ich damals eingesteckt und mich in jedem einzelnen Haus beworben." Dem Sommerjob folgten dann Anstellungen in Venedig, im Baur-Grünwald, das Grandhotel La Pace in Montecantini, das Excelsior in Rom, Savoy in London, das Ritz in Paris.

"Gertele", wie er von seiner Mutter und den fünf Geschwistern gerufen wurde, machte steil Karriere. Gern bezeichnet er sich als "Kapitän", er "steuerte das Jahreszeiten-Schiff" mit den "Reederinnen" Agnes Haerlin und ihren Töchtern Anne und Thekla, nachdem der Chef Fritz am 22. Oktober 1975 verstorben war.

Die neue Inhaberin, die Witwe, war im Gegensatz zum Ehemann weniger knauserig und genoss es, nun allein über das Geld verfügen zu können. Prantner durchlebte mit ihr all ihre exzentrischen Ausflüge in puncto Hotelumgestaltung (einmal ließ sie als Sparmaßnahme das eigens angefertigte Geschirr des "Grill" gegen billigeres austauschen, oder sie kaufte in Venedig ein Gemälde für das Haus, das gar nicht aus Italien ausgeliefert werden durfte) und stand mit ihr bewegte Zeiten durch, als 1983 eine groß angelegte Steuerfahndung im Privathaus wie im Hotel Agnes Haerlin erschütterte. Er war es, der sie in ihrem daraus folgenden selbst gewählten Exil in Österreich mit Nachrichten aus der Heimat, heimlichen Besuchen und der Suite 414 im "Österreichischen Hof" in Salzburg versorgte.

Alles, selbstredend, mit der gebührenden Verschwiegenheit und Diskretion. Am 27. Dezember 1989 wurde dann öffentlich bekannt gegeben, dass der Japaner Hiroyoshi Aoki das Haus für sagenhafte 215 Millionen Mark von der Familie Haerlin erworben hatte. Prantner blieb noch weitere drei Jahre selbstständiger Berater.

Er liebt das Haus, die Geschichten, die zu seinen eigenen wurden. "Ich habe mich immer mit allen um ein ehrliches Verhältnis bemüht, ich habe nie versucht, besser zu sein, als ich bin", sagt Prantner. Doch devot, das sei er ebenfalls nicht gewesen, "ich sah mich als Botschafter für das Haus, in meiner Position habe ich aber immer alle Mitarbeiter gleich höflich behandelt, ob Lieferant, Mitarbeiter oder Gast, das ist die Visitenkarte." Noch heute wird er in seiner alten Wirkungsstätte vom Kellnern und den Concierges mit Handschlag begrüßt. Sie gehören eben zur Familie. Prantner hat seine "Bühne", wie er es beschreibt, "nie missbraucht". Das wäre in Hamburg auch nicht angekommen, "hier darf man sich nicht aufdrängen, sondern man muss seine Rolle korrekt spielen, dafür wird man respektiert, und man darf sich, Gott bewahre, nicht aufdrängen." Prantner lächelt und klappt seinen Koffer, der die ganze Zeit vor ihm auf dem Glastisch lag, noch einmal auf.

Prantner hat daran gedacht, die schriftliche Bestätigung über ein besonderes Amt mitzubringen: ein Heftchen über die Congretation der Alster-Schleusenwärter. Er wurde 1992 ernannt, vor John Neumeier, nach Hans Reincke. Eine Auszeichnung für "Persönlichkeiten, die Akzente gesetzt haben - im Sinne von Tore öffnen für Hamburgs Image" steht dort. Ein Hanseat aus Südtirol, das ist Prantner. Einer, der keinen Wert auf eine Cartier-Uhr legt, keinen Rolls-Royce fahren mag. Am liebsten arbeitet er sowieso. "Ich kann mit Freizeit wenig anfangen", sagt er und hebt die geschlossenen Hände aus dem Schoß, "es ist traurig, aber man kann nicht alles haben." Alles, das wären Familienurlaube, Familienausflüge, Weihnachtsfeste zu Hause im Kreis der Familie gewesen.

Prantner aber hat eine zweite Karriere begonnen, in der er vieles gleich, aber auch etwas anders macht: Seit 21 Jahren nun schon betreibt er vom Neuen Wall aus gemeinsam mit seinem Partner Marek Riegger das Hotelmanagementunternehmen RIMC, berät weltweit Investoren beim Kauf, Bau und über Nutzungsmöglichkeiten von Hotelimmobilien und betreibt Hotels. "Die Selbstständigkeit war immer mein Ziel, ich wäre auch gern schon fünf Jahre früher gegangen, aber ich musste das Jahreszeiten ja in den Hafen steuern und dafür sorgen, dass die jungen, guten Leute da sind, um die Posten zu übernehmen und zu wachsen", sagt Prantner, der auf Ingo C. Peters anspielt, den heutigen Direktor und seinen damaligen Lehrling. "Ein exzellenter Mann", sagt er aufrichtig. "Ich fand es schon immer unheimlich wichtig, dass junge Leute gefördert und nicht blockiert werden."

Das tut er heute in seiner eigenen Firma. Vielleicht, weil er sich damals, als 14-Jähriger, auch eine weisende Hand gewünscht hätte. Doch heute gönnt sich Prantner einen für ihn großen Luxus: Er verbringt viel Zeit mit seinen Enkeln, den Kindern seiner Tochter: Theresa ist 14 Jahre alt, Maximilian 16. "Wir machen jetzt mit meiner Frau zusammen öfter kleine Reisen, nach Amsterdam zum Beispiel. Dann bestimmen die Kinder, was wir für ein Programm machen. Da ordne ich mich komplett unter", sagt Prantner glücklich. Er selber sei zwar im Auftrag des Hotels schon überall auf der Welt gewesen, habe aber nie etwas gesehen, sei nur zum Arbeiten hingeflogen. "Das ist jetzt Luxus."

Noch sind die Kinder seines Sohns, Dawid mit zwei Jahren und Lilly mit acht Monaten, zu klein, doch auch ihnen will der Großvater so viel Zeit wie möglich widmen. "Wahrscheinlich will ich da etwas wieder gutmachen", sagt er. Das Schönste ist doch, wenn sie dich anschauen und sagen 'Opi, ich lieb dich!'" Die Termine, die Prantner heute mit seiner Familie hat, die braucht er eigentlich nicht in seinen Kalender einzutragen. Er tut es natürlich trotzdem.

Annemarie Dose: Helfen ist ihr täglich Brot

Den roten Faden gibt Gert Prantner in der Ausgabe am kommenden Sonnabend an Sandra Völker weiter. Prantner schlägt die Schwimmweltmeisterin deshalb vor, weil "sie jung und dynamisch ist und ich ihr Engagement bewundere, wie sie älteren Menschen das Schwimmen beibringt". Völker beendete 2008 ihre Laufbahn als aktive Schwimmerin und setzt sich nun als Betroffene für die ganzheitliche Behandlung von asthma- und allergiekranken Kindern ein.