Eigentümerin möchte Ladenzeile samt Wohnung abreißen. Doch die letzten Mieter halten dagegen - selbst ohne Gasheizung und Warmwasser.

Hamburg. Der Niedergang fing vor zwei Jahren an. Damals brannten das Sonnenstudio und ein Quelle-Laden an der Langenhorner Chaussee 678 aus. Die Polizei ermittelte: Es war Brandstiftung. Die Ruine steht noch immer, die Schaufenster sind mit Brettern vernagelt. Unwirtlich ist inzwischen auch die ganze Ladenzeile bis zur Hausnummer 672, die sich um die Ecke bis in den Stockflethweg 3 erstreckt. Bei einer Reihe von Geschäften fehlen seit Monaten die Scheiben. Wer hier, unweit der U-Bahn-Station Ochsenzoll, entlanggehen muss, beschleunigt unwillkürlich den Schritt.

Die Eigentümerin der Ladenzeile ist Stephanie Fahle-Olszowka, Ehefrau des Architekten Roman Olszowka, der an der noblen Parkallee wohnt und arbeitet. Sie möchte den eingeschossigen Komplex abreißen und an dessen Stelle einen dreigeschossigen Neubau errichten lassen. Dabei stören offenbar die verbliebenen Mieter. Nur bei Friseur C&M und im Lottoladen von Zelko Blagojevic ist noch Betrieb. Der 36 Jahre alte Kioskbetreiber will nicht ausziehen, obwohl es einsam um ihn herum ist - Dat Backhus nebenan hat erst vergangene Woche aufgegeben. Seit 2008 verkauft Blagojevic Zeitschriften und Zigaretten. "Ich habe noch einen Mietvertrag bis 2013 und eine Option auf fünf weitere Jahre. Aber seit vier, fünf Monaten versucht mich die Vermieterin rauszukriegen, aber ich möchte hier nicht weg. Ich habe beim Einzug alles neu gemacht, viel Geld in den Laden gesteckt." Einige der früheren Mieter in den Nachbarläden seien mit Geld abgefunden worden, "aber man kann mit Geld nicht alles regeln."

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Noch schlechter dran sind Sinan Duran und seine Familie. Der 48-jährige Türke lebt seit drei Jahren in einer 84 Quadratmeter großen Wohnung über den leer stehenden Läden - mit einem unbefristeten Mietvertrag. Strom haben sie noch, aber seit über zwei Monaten müssen Sinan, seine Frau Nahide und ihre zwei Jungen, vier und fünf Jahre alt, ohne Heizung und Warmwasser leben: Das Gas wurde wegen Sicherheitsbedenken abgestellt. Sinan Duran selbst hatte die Polizei gerufen: "Die Starkstromleitung in den verlassenen Läden war nicht abgesichert", sagt der Familienvater. Das erschien ihm zu gefährlich. Doch während der Strom "nur" teilweise abgestellt werden konnte, wurde die Gasleitung komplett stillgelegt. Mit vier Heizgeräten wärmen er und seine Frau nun die Wohnung notdürftig. Das sei ein unhaltbarer Zustand, sagt Anke Niehaus, die von Familie Duran beauftragte Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. "Der Vermieter muss eine Wohnung zur Verfügung stellen, in der ein Gasanschluss vorhanden ist. Ich habe ihm Fristen gesetzt, aber er meldet sich nicht." Ärger hatte es in der Vergangenheit schön öfter gegeben, unter anderem mit Schimmel in der Wohnung, der allerdings inzwischen beseitigt ist.

Fahle-Olszowka hat Familie Duran auch bereits mehrere Kündigungen geschickt. Die Begründung dafür nennt sie in einer Stellungnahme gegenüber dem Abendblatt: "Die Mietzahlungen erfolgen höchst unregelmäßig. Der Mieter zertrümmert seine Wohnung, zerstört nicht nur die Fenster, den Briefkasten, die Kloschüssel, sondern bewohnt eine bis dahin tadellose neu ausgebaute Wohnung in einer Weise, dass das Kondenswasser nachweislich von den Wänden gelaufen ist." Familie Duran weist dies empört zurück. Anwältin Niehaus sagt: "Die Wohnung befindet sich in einem ganz normalen Zustand." Sie habe den Mietern geraten, die Miete wegen der fehlenden Heizung zu mindern.

Verhandlungen über eine finanzielle Lösung sind gescheitert, weil sich die beiden Parteien bislang nicht über die Höhe einig werden konnten. Durans Forderungen liegen inzwischen bei 50 000 Euro, die Eigentümerin will nicht mehr als 40.000 Euro bezahlen. Sie klagt, die Forderungen der verbliebenen Mieter würden sie in die Insolvenz treiben. Nahide Duran, die am U-Bahnhof einen Döner-Imbiss betreibt, wirkt entschlossen, als sie sagt: "Die Olszowkas müssen erst lernen, nett und höflich zu sein."

Doch bei der Eigentümerin und ihrem Mann scheint die Zeit zu drängen, denn sie hat nach eigenem Bekunden einem Investor versprochen, die Immobilie frei von Mietern zu übergeben. Bereits Ende September 2011 hat das Bezirksamt Nord für die Grundstücke Stockflethweg 1b bis 3 a und die Langenhorner Chaussee 672 bis 680 eine Baugenehmigung erteilt "für den Neubau eines altersgerechten Wohn- und Geschäftshauses mit 24 Wohnungen und einer Tiefgarage mit drei Geschossen und einem Staffelgeschoss", so Michael Bigdon, Leiter des Dezernats Wirtschaft, Bauen und Umwelt. "Es ist nicht Aufgabe der Bauprüfer, sich darum zu kümmern, ob der Vermieter mit den Mietern pfleglich umgeht. Wir vom Bezirk wünschen uns aber, dass so ein Bauvorhaben im Einvernehmen mit allen Beteiligten umgesetzt wird." Danach sieht es zurzeit nicht aus.