Die Bürgerschaft beschließt, dass die Saga 900 Wohnungen kaufen soll, damit die Mieten dauerhaft niedrig bleiben. Bewohner sind skeptisch.

St. Pauli. Das Quartier liegt in der Innenstadt, ist sehr beliebt, und die Wohnungen dürften somit bald sehr teuer sein. Doch genau das soll im Karolinenviertel nicht geschehen. Deshalb hat die Bürgerschaft gestern auf Antrag von SPD und GAL auch mit den Stimmen der CDU beschlossen, dass für 900 Wohnungen weiter "Sanierungsrecht" gilt - damit sind deutliche Mieterhöhungen ausgeschlossen. Es geht dabei um Wohnungen, die sich derzeit noch im Treuhandeigentum der Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) befinden. 2013 soll die städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga/GWG den Bestand übernehmen. Viele Mieter sind davon allerdings gar nicht begeistert - sie wollen prüfen, ob sie eine Genossenschaft gründen und die Wohnungen übernehmen können.

Dabei hat die Politik die besten Absichten. "Wir wollen verhindern, dass es zu drastischen Mietsteigerungen und Verdrängungsprozessen kommt wie in anderen Teilen von St. Pauli und im Schanzenviertel", sagte Andy Grote, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. "Mit dem Anteil von über 900 städtischen Wohnungen im Karoviertel haben wir die einzigartige Chance, ein ganzes Quartier wirksam gegen Gentrifizierung zu schützen."

Das Mietenniveau von derzeit etwa 6,50 Euro pro Quadratmeter soll rechtsverbindlich niedrig gehalten werden. Im Innenstadtbereich sind Quadratmeterpreise von zehn Euro keine Seltenheit.

Die Steg, die die Wohnungen vor knapp 25 Jahren zum Teil von der Saga übernommen hatte, soll allerdings weiterhin die Verwaltung übernehmen. Sichergestellt werden soll auch, dass die Mieten lediglich "nach Sanierungsrecht" steigen dürfen. Damit sind nur sehr moderate Erhöhungen möglich, die sogar niedriger sind als im sozialen Wohnungsbau. Laut Grote entstünde dadurch die "größte zusammenhängende Insel an bezahlbarem Wohnraum im gesamten innerstädtischen Bereich".

Zwar hatte es in den Vorgängersenaten keine konkreten Bestrebungen gegeben, die Wohnungen meistbietend auf dem freien Markt zu verkaufen. "Aber im Viertel gab es schon Unruhe", sagte SPD-Mann Grote. Auch die GAL zeigte sich zufrieden. Stadtentwicklungsexperte Olaf Duge: "Wichtig ist, dass der Senat einen Verkauf an private Investoren verhindert."

Die ersten Reaktionen im Viertel waren indes kritisch. "Die Saga verschafft mir Unsicherheit", sagt eine Anwohnerin der Marktstraße. "Ich sehe nicht, dass sie den Wohnungsmarkt stabil hält." Einige Bewohner setzen darauf, eine Genossenschaft zu gründen und die Häuser zu kaufen. "Grundsätzlich sind wir für die Genossenschaft, die Leute sind hier so selbstständig, dass sie mitbestimmen möchten", sagt Stefan Hehr, 44.

SPD und GAL stehen dem aufgeschlossen gegenüber. "Hier wollen wir jedoch entsprechenden Initiativen von Mieterinnen und Mietern nicht vorgreifen." Grote wies darauf hin, dass der Senat für Mieter, die ihr Wohnhaus als Genossenschaft erwerben wollen, ein spezielles Förderprogramm zur Verfügung stelle.

Gegen Gentrifizierung und Verdrängung alteingesessener Mieter will die Stadt auch anderenorts vorgehen. Das Instrument dazu hat den sperrigen Begriff "Soziale Erhaltensverordnung". Ist eine solche erlassen, dann gilt für Vermieter und Investoren: Bauliche Veränderungen müssen dem Stadtbild entsprechen und genehmigt werden. Bei Verkäufen hat die Stadt ein Vorkaufsrecht. Die Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen kann verhindert werden. Mieten können deshalb schwerer erhöht werden.

Derzeit gibt es nur noch ein solches Gebiet: Im Portugiesenviertel mit seinen 3500 Einwohnern besteht seit 1998 eine Soziale Erhaltensverordnung, salopp auch "Macchiato-Stop" genannt. Im Jahr 2001 hatte die CDU-geführte Regierung in den größeren Gebieten Eimsbüttel und Barmbek die Verordnung aufgehoben. Mit der zunehmenden Wohnungsknappheit und dem Erfolg des Netzwerks "Recht auf Stadt" ist das Instrument jetzt wieder auf der politischen Tagesordnung. In St. Georg soll die Verordnung ebenso eingeführt werden wie im Schanzenviertel und auch auf St. Pauli. Im letzteren Quartier sind allein 27 000 Menschen davon betroffen. Auch für Quartiere in Altona-Altstadt, einen Teil von Ottensen und im südlichen Eimsbüttel gibt es Initiativen, diese Viertel unter Schutz zu stellen. "Im November startet eine Voruntersuchung in Eimsbüttel-Süd", sagt Frank Krippner, Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde.

Weiterhin prüft der Bezirk Mitte, in Wilhelmsburg bestimmte Quartiere unter Schutz stellen zu lassen. Zurzeit wird eine Studie erstellt, die zum Beispiel das Reiherstiegviertel untersucht.