Zehn Somalis hatten Hamburger Frachter “Taipan“ am Horn von Afrika gekapert. Alle sollen ins Gefängnis. Verteidiger: “Strafanträge absurd hoch“.

Hamburg. Am Ende reichten der Staatsanwaltschaft exakt 145 Minuten aus, ihre rechtliche Position darzulegen - 145 Minuten nach 70 Verhandlungstagen und einer Prozessdauer von 14 Monaten. Alle zehn Piraten, so die Anklage, sollen ins Gefängnis. Wenigstens vier, maximal elfeinhalb Jahre. Erwartungsgemäß entsetzt äußerte sich die Verteidigung nach dem Plädoyer von Staatsanwältin Friederike Dopke. "Die Strafanträge sind absurd hoch", sagte Anwalt Philipp Napp und bekräftigte einmal mehr den Standpunkt der Verteidigung: "Die Anklage blendet die Lage in Somalia komplett aus."

Mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft ging das Mammutverfahren gegen die zehn Somalis gestern in die Schlussrunde. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft haben sie sich des Angriffs auf den Seeverkehr und des erpresserischen Menschenraubes schuldig gemacht. Rund 530 Seemeilen östlich des Horns von Afrika sollen die mit Sturmgewehren, Pistolen und Granatwerfern bewaffneten Männer am 5. April 2010 den Hamburger Frachter "Taipan" beschossen und gekapert haben. Soldaten der niederländischen Fregatte "Tromp" konnten jedoch wenige Stunden später die in den Panikraum der "Taipan" geflüchtete, 15-köpfige Besatzung befreien und die Piraten festsetzen. Seit nunmehr 21 Monaten sitzen sie in Auslieferungs- und Untersuchungshaft.

Neun der zehn Angeklagten hatten ihre Beteiligung an dem Überfall zwar eingeräumt, jedoch einen rechtfertigenden Notstand für ihr Handeln in Anspruch genommen: Sie seien dazu gezwungen worden. So hatte einer der Männer ausgesagt, man habe ihm Drogen und Alkohol verabreicht, dann sei er von den Piraten verschleppt und zur Teilnahme an dem Angriff genötigt worden. Das hält Staatsanwältin Dopke für "abenteuerlich". Vielmehr habe die Angeklagten die Aussicht auf eine Beute von 5000 Dollar pro Kopf gelockt. Berücksichtigt wurde aber, dass sie durch die Bedingungen in ihrem von Bürgerkriegen geplagten Land schwer belastet seien.

+++ Kommentar: Historisch - und überflüssig +++

Hamburger Piraten-Prozess: Hohe Haftstrafen gefordert

Gegen sie spreche indes die "hoch professionelle, quasi-militärische Tatbegehung", zudem seien die Schäden an der "Taipan" in Höhe von gut einer Million Euro und die Traumatisierung von Besatzungsmitgliedern durch den Angriff erheblich. Wer die Schüsse auf das Schiff abgab, habe sich allerdings nicht ermitteln lassen. Die Angeklagten Hussein M., 25, Abdul M., 27, Abdul D., 25, Bashir W., 28, will die Anklage für je zehn Jahre hinter Gitter schicken. Für einen Angeklagten namens Abdul D. beantragte Dopke acht Jahre Haft - obgleich der 27-Jährige den niederländischen Behörden wertvolle Informationen über die Piraterie in Somalia gegeben und ein Geständnis abgelegt hatte. Für Abdul K., nach Expertenansicht mindestens 21 Jahre alt, beantragte die Staatsanwaltschaft nur sieben Jahre Haft: Der Mann habe ein umfassendes Geständnis abgelegt und Interesse "an einer zügigen Prozessgestaltung" gezeigt.

Die mit elfeinhalb Jahren höchste Strafe forderte Dopke für Ahmet A., 49, zumal er bereits zwei Wochen vor dem Angriff auf die "Taipan" wegen des Verdachts der Piraterie von niederländischen Soldaten festgesetzt worden war, dies bezeuge seine "kriminelle Energie". Abdul Y. M., 17, und die zwei Heranwachsenden Abdul A. S., 20, und Abdul A. W. (mind. 18 Jahre) sollen nach Jugendstrafrecht zwischen vier und fünfeinhalb Jahre in Haft. Erstaunlich knapp äußerte sich die Staatsanwältin zur für die Verteidigung zentralen Frage, ob die Festsetzung der Piraten auf der "Tromp" gegen das Völkerrecht verstoße - Dopke verneinte dies mit Blick auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Am Dienstag beginnen die 20 Verteidiger mit ihren Schlussvorträgen. Der Graben zwischen Anklage und Verteidigung könnte kaum tiefer sein als bei diesem ersten Piratenprozess seit 400 Jahren auf deutschem Boden. "Die Staatsanwaltschaft hat weit überzogen", sagte Anwalt Manfred Getzmann. Schließlich seien die Taten "aus einem absoluten Elend" begangen worden.