Gisela Burschberg (73) und ihre Schwägerin Leonie Burschberg (96) aus Alsterdorf erfüllen sich den Wunsch, Motorrad zu fahren.

Hamburg. Ein kleines Kaffeekränzchen sollte es werden. Mit Streuselkuchen, Blumen und ein paar Gästen. Eigentlich. Stattdessen gab es lautes Motorröhren und dicke Luft vor der Seniorenresidenz Alsterpark. Fünf fette Harleys knatterten gestern in die Einfahrt, schwere Jungs in schwarzen Klamotten stapften umher. Eine Stimmung zwischen Easy Rider und Rockerbande. Sie kamen jedoch nicht, um Krawall zu machen, sondern, um Gisela Burschberg zum 73. Geburtstag zu gratulieren und zu einer kleinen Spazierfahrt abzuholen. Samt Schwägerin Leonie Burschberg.

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Was sie noch nie in ihrem Leben gemacht habe, hatte Lutz Richter, 50, Leiter der Seniorenresidenz, die Bewohnerin gefragt. "Motorradfahren", hatte die Dame daraufhin geantwortet. Nicht ahnend, dass Richter, selbst leidenschaftlicher Fahrer, dies sogleich in die Tat umsetzen wollte. Wohlgemerkt: Leonie Burschberg ist 96 Jahre alt. Zusammen mit ihrer Schwägerin Gisela lebt sie seit eineinhalb Jahren in der beschaulichen Residenz in Alsterdorf.

Die durchaus als aufgeschlossen und fröhlich bekannte Seniorin bekam es im Angesicht von glitzerndem Chrom, Fuchsschwänzen und großen Auspuffrohren doch mit der Angst: "Da soll ich mitfahren?", sagte sie, als "Harley-Oma" Waltraud Meisterknecht mit ihrer rapsgelben Fatboy vorfuhr. Die 71-Jährige ist Hamburgs bekannteste, weil älteste Harley-Fahrerin. "Ich habe wegen der Kinder erst mit 52 Jahren den Motorradführerschein gemacht. Seitdem fahre ich mit meinem Mann Karl-Heinz überall auf zwei Rädern hin, von Sylt bis nach Österreich."

Auf zwei beziehungsweise drei heißen Reifen ging es auch für Leonie Burschberg auf Tour - auf dem Beifahrersitz neben der Harley-Oma. Doch schon beim Einsteigen gab es einige Probleme, die Beine wollten nicht so recht. "Aua, ich will hier wieder raus", rief die 96-Jährige und wurde sogleich von ihrer Schwägerin und Lutz Richter beruhigt. Um in den Sozius zu gelangen, mussten der Seniorin die Schuhe ausgezogen werden. "Wenn irgendwas nicht stimmt, klopfen Sie mir einfach aufs Bein", sagte Waltraud Meisterknecht. Leonie Burschberg machte häufig davon Gebrauch. Mal zwickte der Helm, mal war die Motorradjacke am Hals zu eng, ganz zu schweigen vom Fahrstil ihrer Chauffeurin Waltraud Meisterknecht. Der war der Seniorin einfach viel zu schnittig.

Dabei ging es für Harley-Verhältnisse gemächlich - mit Tempo 50 - über Duvenstedt zum Golfhotel Treudelberg, wo die beiden Damen zu Mittag essen wollten. Ein Mitfahrer unkte: "So langsam bin ich noch nie durch Hamburg gecruist."

Die große Freiheit, sie sieht für einen echten Harley-Fan eben anders aus. Für Leonie Burschberg bestand sie am Ende hauptsächlich darin, wieder heil aus dem Gefährt aussteigen zu dürfen und sicheren Boden unter den Füßen zu haben. "Ich habe die Anstrengung etwas unterschätzt", sagte Lutz Richter mit besorgtem Blick auf die 96-Jährige.

Immerhin: Das Geburtstagskind Gisela Burschberg hatte Spaß, saß entspannt und zeitweise sogar freihändig auf dem Rücksitz der schwarzen Harley Softail, gesteuert von Piet Knack von der Harley-Davidson-Niederlassung Nedderfeld, die auch die Bikes für den Ausflug zur Verfügung gestellt hatte: "Ich bin überwältigt, die Maschine ist einfach großartig", sagte sie und schüttelte dabei ihre kinnlangen Haare. "Puh, ich muss mich erst mal wieder ein bisschen herrichten."

Die 73-Jährige besitzt einen Motorradführerschein, fuhr früher öfter mal eine 500er-BMW, leihweise. Jetzt natürlich nicht mehr. Und schon gar nicht mit einer Harley-Davidson. "Der Fahrtwind, der einem um die Nase streicht - einfach toll. So, als würde man auf einem Pferd sitzen", sagte die ehemalige Reiterin. Sie würde es auf jeden Fall noch einmal tun, wenn sich die Gelegenheit dazu ergäbe.

Und da war es eben doch, mitten auf dem Rasen des Golfhotels Treudelberg: das Gefühl der großen Freiheit.