Diese Zahlen schmecken niemandem: 54 Prozent der Jungen und 21 Prozent der Mädchen in Deutschland können nicht mehr kochen, und nur jeder Dritte hat im Unterricht schon einmal etwas über gesunde Ernährung gehört. Dies ergab eine Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Prof. Ulrike Arens-Azevedo, Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und des Vorstands der Verbraucherzentrale Hamburg, plädiert deshalb dafür, Ernährung als Schulfach einzuführen:

"Die Ernährungssituation bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist nicht zufriedenstellend. Studien wie der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KIGGS) machen den erheblichen Handlungsbedarf deutlich. So sind allein 15 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren übergewichtig. Essstörungen betreffen vor allem die Mädchen, fast jedes dritte im Alter von 11 bis 17 Jahren zeigt ein auffälliges Essverhalten.

Auch die Auswahl der Lebensmittel lässt zu wünschen übrig: Obst und Gemüse werden nur in geringen Mengen verzehrt, genauso wenig Brot und Kartoffeln. Dafür sind fettreiche Wurst- und Käsesorten beliebt. Der nationale Aktionsplan "In Form" geht von allein 25 % der Kinder und Jugendlichen aus, die morgens kein Frühstück zu sich nehmen, und eine geregelte Pausenversorgung beziehungsweise ein warmes Mittagessen wird längst nicht in jeder Schule angeboten. Auf der anderen Seite stehen Kinder täglich einem schier unermesslichen Lebensmittelangebot gegenüber. Hier die richtige Auswahl zu treffen fällt schwer. Allein die Kennzeichnung von Lebensmitteln verlangt eine gewisse Sachkompetenz, um sie wirklich zu verstehen. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, Ernährungsbildung in der Schule zu fordern. Hiermit verknüpfe ich die Hoffnung, dass Entscheidungen erleichtert und Ernährungsverhalten geprägt werden können. Die Schüler sollten lernen, ihren Alltag zu meistern: vom Einkauf angefangen über die Zubereitung von Speisen, das Eindecken des Tisches bis hin zur Reinigung von Geschirr und Entsorgung des Abfalls.

Ein eigenes Schulfach bietet die Chance, Wissen und Fähigkeiten kontinuierlich aufzubauen. Kritiker verstehen ein solches Schulfach sofort als Konkurrenz zu anderen Fächern. Daher findet Ernährungsbildung - wenn überhaupt - eher an Projekttagen und zu besonderen Anlässen statt. Aber diese punktuellen Aktionen bringen wenig. Sie sind selten systematisch geplant und bauen schon gar nicht aufeinander auf. Letzteres fordere ich aber mit Nachdruck, will man durch Ernährungsbildung Schülerinnen und Schüler befähigen, Verantwortung für ihre eigene Gesundheit zu übernehmen. Und das wollen wir sicher alle."

Prof. Arens-Azevedo lehrt an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) u. a. Ernährungswissenschaft und ist Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.