Anja Hajduk über die Verhandlungen zum Gängeviertel und das Dialogforum, mit dem sie besser über Bauprojekte informieren will.

Hamburg. Als die Initiative "Komm in die Gänge" kürzlich im Gängeviertel ihr Konzept vorstellte, hatte sie prominenten Besuch: Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk machte sich vor Ort ein Bild, entspannt und neugierig. Das könnte ein Omen für die Zukunft des Areals sein, das lange ein Stadtentwicklungs-Niemandsland voller politischer Tretminen war.

Hamburger Abendblatt: Freut Sie die Gängeviertel-Entwicklung?

Anja Hajduk: Uneingeschränkt ja, weil sie uns den Anstoß gegeben hat, einen Prozess, der sich über mehrere Jahre gezogen hat, zu korrigieren. Diese Korrektur steht Hamburg gut an.

Das ist die sachliche Erklärung. Wie stellt sich die gefühlte Wirklichkeit für Sie dar?

Ich freue mich darüber. Für das Engagement der Künstler habe ich große Sympathie und im positiven Sinne eine Schwäche.

Die war anfangs nur bedingt sichtbar. Da war die Kulturbehörde öffentlich präsenter.

Wir praktizieren im Senat eine Arbeitsteilung, und ich finde, dass die Kulturbehörde den Kontakt mit den Künstlern sehr vertrauensvoll aufgenommen hat. Aber bei der Überarbeitung des städtebaulichen Konzepts war klar, dass die Behörde, die für Stadtentwicklung zuständig ist, die Federführung übernimmt.

Was sind jetzt die Knackpunkte?

Ich wünsche, dass wir Ende des Monats mit einer Arbeitsgruppe starten können, bei der die Stadt, die Künstler, der Bezirk Mitte und die Steg als Sanierungsträger dabei sind. Wert legen die Künstler darauf, dass auch die Stadt für sie Ansprechpartner bleibt. Das finde ich verständlich. Wenn diese Entscheidung fällt, können wir mit der praktischen Arbeit beginnen, die Anteile von Wohnen, Ateliers und Gewerberäumen festzulegen. Darauf freuen wir uns.

Es drängte sich lange der Eindruck auf, dass die Stadt das Ausmaß der Proteste aus den unterschiedlichsten Milieus massiv unterschätzt hatte.

Der Senat war gut beraten, sich von diesem Engagement anstecken zu lassen, sich zu korrigieren und in neue Bahnen lenken zu lassen. Wenn man sich als Senat lernfähig zeigt, ist das vielleicht auch ein gutes Signal.

Was haben Sie gelernt?

An diesem Beispiel, dass der Einsatz der Öffentlichkeit dazu beitragen kann, ein für Hamburg viel besseres Konzept im Gängeviertel zu verwirklichen. In der Stadtentwicklung ist es wichtig, andere Werte als nur den ökonomischen Ertrag im Blick zu behalten.

Sind Sie die Gewinnerin im Gängeviertel?

Wir haben zum richtigen Zeitpunkt im Senat thematisiert, das städtebauliche Konzept noch mal zu überdenken. Diese Entscheidung habe ich gesucht. Diese Linie wird vom gesamten Senat getragen. Als Gewinnerin fühle ich mich daher nicht.

Dass ein Hamburger Senat sich mit Hausbesetzern erfolgreich an einen Tisch setzt - das hatten wir, Stichwort Hafenstraße oder Rote Flora, auch schon mal ganz anders. Wie soll es jetzt, wo der Geist der Veränderung aus der Flasche ist, weitergehen?

Stimmt, das ist nicht ganz gewöhnlich, deswegen hat das Thema bundesweit so große Aufmerksamkeit. Man muss aber auch sagen: Beim Konzept der Künstler kann wirklich von großer Qualität gesprochen werden. Da kommt man natürlich gut zusammen.

Wie ist der Stand der Dinge bei den Verhandlungen?

Es gibt viele Übereinstimmungen bei den künstlerischen Tätigkeiten und den Eckdaten der Nutzung. Wichtig ist auch, dass der Ort öffentlich bleibt. Dass dort günstiger Wohnraum entsteht, der allen zugänglich ist. Nun muss man genau dran arbeiten, eine tragfähige Organisationsform zu finden. Aber die Künstler stimmen mit mir überein, dass es eine gute Lösung ist, dass die Stadt auf Dauer Eigentümerin bleibt. Meine Idee ist, es als Treuhandvermögen durch einen Sanierungsträger sanieren und verwalten zu lassen. In diesen Strukturen den Künstlern eine starke Rolle und Stimme zu geben, ist meine Absicht.

Wer hat letztlich das Sagen bei Konzepten: Sie oder die?

Die Stadt hat natürlich die Letztverantwortung, weil sie Eigentümerin bleibt. Aber man sollte es nicht so definieren, wer das Sagen hat. Hier geht es um partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe, und ich lege Wert darauf, dass die Initiative mitwirken soll. Die Rollen klären wir gerade miteinander.

Konservative, die auch zu der Partei gehören, mit der Sie eine Koalitionsregierung bilden, würden dennoch am liebsten einen Exorzisten rufen, wenn es um Kooperationen mit Hausbesetzern geht.

Solche Stimmen vernehme ich in der Koalition nicht.

Wie viel Geld wollen Sie in die Hand nehmen?

Ich kann Ihnen noch keine Summe sagen, aber wir wollen mit den vorhandenen Fördermöglichkeiten die Sanierung des Gängeviertels finanzieren.

Sie haben mit der Entscheidung beim Gängeviertel einen Präzedenzfall geschaffen. Der Prozess öffentlichen Nachdenkens über Bedeutung und Zukunft von Stadt ist unumkehrbar.

Wir haben ja auch unabhängig vom Gängeviertel Prozesse angestoßen, die jetzt durch die Entwicklung dort besonders beachtet werden. Dazu gehört auch der Beschluss, zukünftig bei der Verwertung städtischer Flächen die inhaltlichen Konzepte stärker zu bewerten als den erzielbaren Preis. Wir haben eine Studie über kreative Räume in Auftrag gegeben, schon bevor das Gängeviertel Thema wurde. Für mich ist Stadtentwicklung mit einer größeren öffentlichen Beteiligung ein Thema, das auch in anderen Regionen seinen Platz finden soll.

Stadtplaner sprechen gern von "Möglichkeitsräumen". Die wären eine Chance - aber Sie müssten sich dafür aus vielem heraushalten und sagen, wir lassen Dingen einfach mal ihren Lauf.

Ich teile Ihre Beschreibung nicht. Es geht nicht darum, sich rauszuhalten, sondern sich mit eigenen Vorstellungen einem Dialog zu stellen. Stadtentwicklungspolitik muss doch auch eigene Ziele verfolgen.

Besonders wortgeschmeidig protestierte die Gruppe rund um das Manifest "Not in our name, Marke Hamburg". Wie beurteilen Sie Künstler, die sich nicht von der Stadt in irgendwelche Gegenden umtopfen lassen wollen, um diese zu behübschen?

Es sind sehr unterschiedliche Menschen, die sich unter "Not in our name" geäußert haben, die aber unterschiedliche Bereitschaften zum Dialog und zur Zusammenarbeit haben. Beides ist jedoch für eine erfolgreiche Zusammenarbeit nötig. Weiterhin teile ich viele der Thesen nicht. Es ist sinnvoll und richtig, zum Beispiel in Wilhelmburg den Künstlern Angebote zu machen. Es gehört in eine Gesellschaft, sich Gebieten zu widmen, die Unterstützung brauchen und die sich dann dynamisch entwickeln.

Politik muss die eigenen Instrumente kritisch prüfen, sich fragen: Kommen wir nicht häufig zu spät, um Gentrifizierungsprozessen vorzubeugen? Aber dass Stadtteile, die Probleme haben, sich stabilisieren und beliebt werden, das ist nicht negativ.

Wie steht es um das Innenstadt-Konzept, das auch mal City-Masterplan hieß?

Wir werden ab Mai den Masterplan für die östliche HafenCity öffentlich diskutieren. Damit hängt auch das Innenstadtkonzept zusammen, das wir etwas später vorstellen. Wir wollen systematisch in einen Dialog über Stadtentwicklung eintreten. Politik hat die Aufgabe, die eigenen Pläne öffentlich zu machen und zur Diskussion zu stellen. Auch das haben wird gelernt und wollen zur Jahresmitte starten.

Wie heißt der Titel des Forums? Und wie sieht das Konzept aus?

Bei uns laufen derzeit die Planungen unter dem Arbeitstitel "Stadt im Dialog". Das macht unsere Grundidee deutlich. Wir wollen unsere Ideen zu besonderen städtischen Projekten mit den Bürgern diskutieren. Dabei sind unterschiedliche Veranstaltungsformate denkbar, bei denen die Teilnehmer sich auch aktiv beteiligen können. Ich würde mich freuen, wenn dabei auch ungewöhnliche Positionen und Referenten zu Wort kommen.

Dialoge dieser Art locken derzeit Hunderte von Zuhörern an. Werden Sie dabei auftreten?

Ich trete gern bei Großveranstaltungen auf. Ich mag Debatten.

Sie wollen agieren und nicht reagieren?

Ja. Im Zweifel auch zuhören.

Heißt das, Sie hätten bislang zu wenig agiert?

Nein. Die schwarz-grüne Koalition hat viel angepackt: HafenCity, Autobahndeckel, Sprung über die Elbe, Internationale Bauausstellung, Pläne zur Verlagerung Bahnhof Altona. Da müssen wir nicht unbescheiden sein.