Vattenfall will die jährlichen Personalkosten um bis zu 180 Millionen Euro senken. Mitarbeiter sind sauer. Heute Streiks in Hamburg.

Hamburg. Beim Stromversorger Vattenfall Europe geht die Angst um. Nachdem der Konzern in der vergangenen Woche einen Brief an alle bundesweit rund 21 000 Mitarbeiter verschickte, sorgen sich auch die rund 4100 Beschäftigten in der Metropolregion Hamburg um ihre berufliche Zukunft. Wie berichtet, sollen im Rahmen eines Sparprogramms mit dem Titel Move bis zu 1500 Stellen in Deutschland wegfallen. Zudem wird künftig drastisch bei Löhnen und Gehältern gespart, um die jährlichen Personalkosten um bis zu 180 Millionen Euro zu senken. "Rein rechnerisch könnte dies pro Mitarbeiter eine Gehaltseinbuße von 750 Euro monatlich bedeuten", sagte Carsten Höppner, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Abteilung Kundenservice, dem Abendblatt.

Die Mitarbeiter wollen das nicht hinnehmen und streiken heute mit Unterstützung der Gewerkschaft IG Metall um zehn Uhr im Rahmen sogenannter Informationsveranstaltungen in der Vattenfall-Zentrale in der City Nord sowie in den Betriebsstätten in Bramfeld und Tiefstack. Vattenfall selbst wollte sich gestern zu den Vorgängen nicht äußern.

In dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, heißt es etwa, dass die Bereiche Immobilien und Logistik mit bundesweit 600 Mitarbeitern sowie der Bereich Chemie (60 Beschäftigte) in Vattenfall-Servicegesellschaften ausgegliedert werden sollen, die einem für den Arbeitgeber günstigeren Tarifvertrag unterliegen. Höppners Abteilung mit etwa 900 Mitarbeitern in Hamburg und Berlin, die im Callcenter arbeiten oder für die Erstellung der Stromrechnungen verantwortlich sind, könnte es noch härter treffen. Der Versorger kündigt an, dass über einen eigenen, für den Konzern günstigeren Firmentarifvertrag verhandelt werden soll. Sollte keine Einigung gelingen, müsste "ein Austritt aus der Tarifgemeinschaft oder auch ein externer Verkauf erwogen werden", heißt es. "Im Kundenservice könnte dieser Plan im schlimmsten Fall Gehaltseinbußen von mehr als 1000 Euro im Monat bringen", sagte Höppner.

Vattenfall plant zudem, Gehälter und andere freiwillige Leistungen von altgedienten Mitarbeitern zu kürzen. Ein über dem Niveau des jetzigen Konzertarifvertrags liegender sogenannter Überleitungstarifvertrag, der die Mitarbeiter nach der Fusion der alten HWE in Hamburg, der Berliner Bewag und der ostdeutschen Veag 2003 vor finanziellen Nachteilen schützte, soll nicht mehr gelten. Das würde für die Beschäftigten je nach Abteilung und Alter nach Informationen des Abendblatts monatliche Einbußen in Höhe von 100 bis 700 Euro mit sich bringen.

Vattenfall begründet den Vorstoß zum Sparen mit dem zunehmenden Wettbewerbsdruck in der europäischen Energiebranche. Die Personalkosten sollen nun den Marktbedingungen angepasst werden, um "in allen Teilen des Konzerns wettbewerbsfähig" zu werden, wie es in dem Schreiben heißt. "Nur so können wir eine langfristige Beschäftigungssicherung ermöglichen und möglichst viele Geschäftsbereiche innerhalb von Vattenfall Europe erhalten."

Auch "dramatisch fallende Stromkosten" für die Kunden macht der Konzern für das nun bekannt gewordene Sparprojekt verantwortlich. Vattenfall hat seine Strompreise zum Jahresanfang um 4,4 Prozent angehoben. Zuvor hatte das Unternehmen seine Tarife - anders als die Wettbewerber - zweieinhalb Jahre konstant gelassen, weil nach der letzten Anhebung Mitte 2007 mehr als 200 000 Kunden aus Protest gegen die neuen Preise zu anderen Anbietern abgewandert waren. Nicht alle kamen wieder zu dem Konzern zurück, sodass nun Einnahmen fehlen. Zudem sorgen die Stillstände der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel für einen Imageverlust und für Kosten in Millionenhöhe - ohne dass die Anlagen auch nur eine Kilowattstunde Strom produzieren. Hinzu kommen kostspielige administrative Belastungen durch die staatliche Regulierung des deutschen Energiemarktes.

"Uns ist bewusst, dass die Umsetzung der in diesem Schreiben genannten Maßnahmen allen Beteiligten erhebliche Anstrengungen abverlangt", steht in der Mitteilung, die auch von Tuomo Hatakka, Chef von Vattenfall Europe, unterzeichnet wurde. "Wir als Vorstand sind überzeugt, dass die Maßnahmen und deren konsequente Umsetzung für die Zukunft unseres Unternehmens zwingend notwendig sind", betont der Energiekonzern zugleich in dem drei Seiten langen Brief an seine Beschäftigten.