Bezirke bezahlen privaten Anbietern teilweise 60 Cent pro Quadratmeter - “das ist weit unter Selbstkostenpreis“. Ver.di klagt an.

Hamburg. Eine Stadt im Glatteis-Chaos. Viele Hamburger fragen sich: Haben die Bezirke bei den privaten Winterdiensten an der falschen Stelle gespart? Gestern berichtete das Abendblatt über den Vorstoß von SPD- und GAL-Politikern aus dem Bezirk Mitte: Sie wollen, dass im kommenden Winter keine privaten Winterdienste mehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen arbeiten. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Gunnar Eisold sagt: "Der Winterdienst ist privatisiert worden, zu den billigsten Preisen, und das rächt sich jetzt."

Die Gewerkschaft ver.di, die Stadtreinigung und sogar einige private Anbieter stimmen ihm zu. Sie werfen einzelnen Winterdiensten vor, bei öffentlichen Ausschreibungen mit viel zu günstigen Angeboten angetreten zu sein und damit Aufträge gewonnen zu haben, die sie nicht erfüllen können. Und davon hätten auch die Bezirke profitiert, weil sie den privaten Winterdiensten Dumpinglöhne zahlen können. Bisher war sogar geplant, im kommenden Winter noch weniger Geld auszugeben. Lars Schmidt, Sprecher des Bezirks Mitte: "2010 haben wir ein Viertel weniger, also nur noch 144 000 Euro." Bei 250 000 Quadratmetern sind das 58 Cent pro Quadratmeter - für den ganzen Winter.

Zu diesen Preisen könne niemand ordentliche Arbeit erwarten, und Winterdienste, die mit diesen Preisen an Ausschreibungen teilnehmen, könnten gar nicht leistungsfähig sein, sagen Mitarbeiter der Bezirke. Kerstin Godenschwege vom Bezirksamt Altona: "Das Problem ist, dass die Fremdfirmen so kalkuliert haben, dass die gerade so hinkommen." Torsten Schwormstedt, der einen Winterdienst in Hamburg betreibt, sagt: "Es gibt eine handvoll Firmen, die die Preise sprengen." Wenn er bei diesen "Harakiri-Preisen" mitgehen wolle, könne er die Qualität nicht halten. "Ich kriege mit, dass das ein sehr mörderischer Wettbewerb ist", sagt Anja Keuchel, zuständige Ver.di-Gewerkschaftssekretärin für Abfallwirtschaft, und das gehe zu Lasten derjenigen, die ihre Arbeit ordentlich machten "und ihre Mitarbeiter ordentlich bezahlen". Letztendlich seien die niedrigen Preise politischer Wille. Welche Firmen für die Stadt arbeiten, und welche Preise ihnen gegenwärtig gezahlt werden, darüber geben die Bezirke ihren Steuerzahlern keine Auskunft.

Björn-Ole Janßen hat städtische Ausschreibungen gewinnen können. Seine Preise legt er nicht offen. Janßen behauptet, er habe bei Ausschreibungen gewonnen, bei denen niemand Dumpingpreise geboten hätte.

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Personal vorhalten und ihnen eine Mindestzahl an Einsätzen garantieren, Kosten für den Fuhrpark und Streugut, Versicherungen (insbesondere Haftpflicht) - das sind die Fixkosten, die Winterdienst-Betreiber Peter Seidt aufzählt. Sein Quadratmeter-Preis liegt bei rund 2,50 Euro. In milden Wintern kann er davon Geld auf die Seite legen. "50 bis 60 Cent, das ist weit unter dem Selbstkostenpreis", sagt er.

Ein weiteres Beispiel: 60 Cent pro Quadratmeter erhält eine Firma für einen zehn Quadratmeter großen Zugang zu einer Bushaltestelle. Das sind sechs Euro - für den ganzen Winter. Joachim Borchers, Winterdienst-Besitzer, fragt: "Wie wollen sie das mit so wenig Geld schaffen? Einige Winterdienste sitzen das aus und fahren so selten raus wie es geht." Der Abgeordnete Gunnar Eisold fordert deshalb: "Hier ist der Senat ist in der Verantwortung. Wo Geld fehlt, muss es zur Verfügung gestellt werden."